OGH 7Ob312/97a

OGH7Ob312/97a11.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude F*****, vertreten durch Dr.Helmut Rantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Agrargemeinschaft L*****, vertreten durch den Obmann Anton H*****, wegen Feststellung (Feststellungsinteresse S 60.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 12. September 1997, AZ 1 R 481/97k, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 1.Juli 1997, GZ 12 C 1411/97t-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird aufgetragen, eine neuerliche Entscheidung nach vorangegangener mündlicher Streitverhandlung zu fällen.

Die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten der ersten Instanz.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt gegenüber der beklagten Partei die Feststellung, daß die auf ihre Jausenstation "V*****hütte" hinweisenden, auf der Grundfläche der beklagten Partei im Bereich des Zufahrtswegs zu dieser Jausenstation angebrachten Schilder entsprechend der mit dem damaligen Obmann der beklagten Partei im Jahr 1987 getroffenen Vereinbarung und daher "rechtmäßig angebracht" worden seien. Trotz der unbefristeten Zusicherung zur Anbringung derartiger Hinweisschilder habe der nunmehrige Obmann der beklagten Partei am 21.3.1997 ohne Berechtigung und ohne Ankündigung einen Baum, auf dem sich ein derartiges Hinweisschild befunden habe, umgeschnitten, wobei das Schild beschädigt worden sei. Er habe in weiterer Folge die Klägerin aufgefordert, auch alle weiteren Hinweisschilder mangels einer Berechtigung zu deren Anbringung zu entfernen. Die Klägerin habe die beklagte Partei zum Anerkenntnis ihrer nach wie vor gegebenen Rechte vergeblich aufgefordert.

Das Erstgericht wies die Klage a limine zurück und führte aus, daß § 228 ZPO für Feststellungsklagen ein rechtliches Interesse erfordere, welches vor allem dann mangle, wenn der Kläger bereits eine Leistungsklage erheben könne, deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrige. Dies sei hier der Fall, da die Klägerin bereits auf Leistung aus dem von ihr behaupteten Vertrag klagen könne. Ein darüber hinausgehendes Interesse an der Feststellung liege hier nicht vor. Da das Feststellungsinteresse eine besondere Prozeßvoraussetzung sei, sei bei Fehlen dieser die Klage mit Beschluß zurückzuweisen.

Das Rekursgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung diesen Beschluß und erklärte die Erhebung des ordentlichen Revisionsrekurses für unzulässig. Nach den Klagsbehauptungen stünde der Klägerin die Möglichkeit zu, auf Zuhaltung des Vertrages zu klagen und somit eine Leistungsklage zu erheben. Zwar wäre das Fehlen eines Feststellungsinteresses in Form eines klagsabweisenden Urteiles auszusprechen gewesen, im vorliegenden Fall begehre jedoch die Klägerin die Feststellung einer rechtlich erheblichen Tatsache, wofür es ihr am rechtlichen Interesse fehle. Da die Feststellung einer rechtlich erheblichen Tatsache unzulässig sei, erweise sich die Vorgangsweise des Erstgerichtes als gesetzeskonform.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß von der Klägerin erhobene außerordentliche Revisionsrekurs erweist sich gemäß § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO iVm Abs 1 leg. cit. als zulässig und berechtigt.

Gegenstand einer Feststellungsklage kann nur die Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts sein, nicht aber die Feststellung einer Tatsache, einer rechtlichen Qualifikation eines Rechtsverhältnisses oder der rechtlichen Eigenschaft von Tatsachen (vgl Rechberger in Rechberger ZPO § 228 Rz 5 mwN). Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß die Feststellung, daß die für die Jausenstation angebrachten Hinweisschilder "rechtmäßig angebracht" wurden, die Feststellung der rechtlichen Eigenschaft einer Tatsache beinhaltet.

Neben der Feststellungsfähigkeit des Rechtsverhältnisses ist eine Feststellungsklage nur dann zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des bestrittenen Rechtsverhältnisses hat. Die Feststellungsklage soll zumeist vorbeugenden Rechtsschutz gewähren und ist damit nur zulässig, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Aus dem Erfordernis des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung ergibt sich, daß eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers vorausgesetzt wird (JBl 1996, 794). Es entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung, daß die Feststellungsklage nur zulässig ist, wenn keine anderen oder nur wesentlich unökonomischere Mittel zur Rechtsverfolgung zur Verfügung stehen. Die Möglichkeit der Leistungsklage schließt demnach die Feststellungsklage aus, sofern durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt das Feststellungsinteresse ein anspruchsbegründetes Merkmal des Feststellungsanspruchs dar und stellt darauf ab, daß es jedenfalls bei Schluß der mündlichen Verhandlung vorhanden sein muß. Das Fehlen des Feststellungsinteresses ist somit als Fehlen einer Anspruchsvoraussetzung zu beurteilen, so daß die Klage mit Urteil abzuweisen ist (vgl EvBl 1963/253; JBl 1968, 206; Rechberger in Rechberger RZ 3 zu § 228 ZPO sowie Böhm in JBl 1974, 10 ff im Gegensatz zur überwiegenden Meinung der Lehre; siehe deren Zusammenfassung bei Rechberger aaO). Obwohl die Klägerin mit ihrem Begehren eine nach der Rechtsprechung unzulässige Feststellung der rechtlichen Eigenschaft einer Tatsache anstrebt, hätte das Erstgericht, soferne die Klägerin ihr Begehren nicht verbessert, dieses erst nach mündlicher (kontradiktorischer) Verhandlung in Urteilsform abweisen dürfen.

Da beide Vorinstanzen von dieser ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sind, war dem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge zu geben; es waren die beiden vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben und dem Erstgericht die Fällung einer neuerlichen Entscheidung nach vorangegangener mündlicher Streitverhandlung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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