OGH 11Os92/97

OGH11Os92/9711.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.November 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Grems als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter P***** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Monika E***** und Doris Hermine G*****, die Berufung des Angeklagten Peter P***** sowie die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich aller Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4.März 1997, GZ 29 Vr 1856/96-71, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs, und der Verteidiger Mag.Hengstschläger und Dr.Bauer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten E***** wird zurückgewiesen.

Den Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagten Doris Hermine G***** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil - in den Schuldsprüchen der Angeklagten Peter P***** und Monika E***** gemäß § 290 Abs 1 StPO - (zur Gänze) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft sowie die Angeklagten P*****, E***** und G***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Peter P*****, Monika E***** und Doris Hermine G***** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG, die Zweitgenannte auch nach Abs 2 lit a, die beiden anderen Angeklagten auch nach Abs 2 lit b dieser Gesetzesstelle, die Angeklagten E***** und G***** teilweise als Beteiligte nach § 11 dritter Fall FinStrG (wobei dem Urteilstenor überhaupt nicht und den Entscheidungsgründen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen ist, worin die Beitragshandlungen dieser Angeklagten bestanden), schuldig erkannt.

Darnach haben in Linz vorsätzlich Verkürzungen bewirkt, und zwar

(zu A) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht

I. Peter P***** als Obmann des Unterstützungsvereins der BPD Linz

1. von 1982 bis 1986, indem er Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb in der Höhe von insgesamt 4,264.187 S nicht erklärte bzw einem falschen Steuersatz unterziehen ließ, eine Verkürzung an Umsatzsteuer in der Höhe von 572.041 S,

2. von 1983 bis 1986, indem er Einnahmen aus selbständiger Arbeit in der Höhe von zumindest 610.000 S nicht erklärte, eine Verkürzung an Einkommensteuer in der Höhe von 201.300 S,

II. Doris G***** als Beitragstäterin (Angestellte des Unterstützungsvereins der BPD Linz)

1. von Oktober 1983 bis März 1986, indem sie Einnahmen aus dem Gewerbetrieb in der Höhe von 2,583.858 S nicht erklärte, eine Verkürzung an Umsatzsteuer von 513.300 S,

2. von 1983 bis 1986, indem sie zur unter A I 2 genannten Verkürzung an Einkommensteuer des Peter P***** hinsichtlich Einnahmen von zumindest 480.000 S beitrug, eine Verkürzung von Einkommensteuer in der Höhe von 158.400 S,

III. Monika E***** als Beitragstäterin (Angestellte des Unterstützungsvereins der BPD Linz) im Jahre 1986, indem sie Einnahmen aus Gewerbebetrieb in der Höhe von 35.343 S nicht erklärte, eine Verkürzung an Umsatzsteuer in der Höhe von 4.646 S;

(zu B) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG 1972 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer oder Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe in nachgenannter Höhe, und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten;

I. Peter P***** als Obmann des Unterstützungsvereins der BPD Linz von Oktober 1983 bis 1986 in der Höhe von 245.917,50 S;

II. Doris G***** als Beitragstäterin (Angestellte des Unterstützungsvereins der BPD Linz) von Oktober 1983 bis März 1986 in der Höhe von 207.764,50 S;

(zu C) Monika E***** von Jänner bis Dezember 1988 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Höhe von 22.182 S, und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten.

Hingegen ergingen Freisprüche gemäß § 259 Z 3 StPO, soweit die Anklage zusätzliche Verkürzungen durch die Taten

des Peter P*****

zu A I 1 um 942.063 S an Umsatzsteuer und

zu A I 2 um 786.811 S an Einkommensteuer,

der Doris G*****

zu A II 1 um 390.825 S an Umsatzsteuer und

zu A II 2 um 829.711 S an Einkommensteuer,

der Monika E*****

zu A III um 184.323 S an Umsatzsteuer,

ferner des Peter P*****

zu B I um 800.256,50 S und

der Doris G*****

zu B II um 814.383,50 S jeweils an Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe, betraf.

Dieses Urteil bekämpfen die Staatsanwaltschaft (im Freispruch hinsichtlich sämtlicher Angeklagten) sowie die Angeklagten Doris Hermine G***** und Monika E***** mit Nichtigkeitsbeschwerde, wobei sich die Staatsanwaltschaft (ausschließlich) auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO stützt, die Angeklagte G***** hingegen (formell) die Gründe der Z 4, 5 und 9 lit a sowie lit b dieser Gesetzesstelle geltend macht, die Angeklagte E***** hinwieder die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ausgeführt hat.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend rügt die Anklagebehörde das Fehlen einer widerspruchsfreien und zureichenden Begründung der Teilfreisprüche sämtlicher Angeklagten. Ungeachtet der der Anklage zugrundegelegten genauen Aufstellungen und Berechnungen des Finanzamtes Linz über die Höhe der Abgabenverkürzungen (vgl Beilage 1 bis 3 ON 41/V) hat das Erstgericht in keiner nachvollziehbaren Weise dargelegt, aufgrund welcher Überlegungen es sich zur Annahme geringerer als der aus der Anklageschrift ersichtlichen Verkürzungsbeträge veranlaßt sah. Soweit überhaupt darauf bezügliche Feststellungen vorliegen, sind sie zT widersprüchlich (vgl US 21 zweiter Absatz mit US 16 zweiter Absatz und US 19 Mitte); im übrigen entbehren sie jeglicher Begründung für die Abweichungen vom Inhalt der Anzeigen und Berichte der Finanzstrafbehörde. Lediglich in Ansehung der Höhe der durch die Angeklagten P***** und G***** hinterzogenen Lohnsteuer (Schuldspruchfaktum B) wird im Urteil darauf verwiesen, daß der bei der Betriebsprüfung (gemeint: Lohnsteuerprüfung) mit 25 % angenommene (Durchschnitts-)Grenzsteuersatz (der Lohnsteuerpflichtigen der gegenständlichen Betriebe mit Ausnahme der Angeklagten G*****) nicht mit der für das Strafverfahren notwendigen Sicherheit festgestellt werden konnte und deshalb "im Zweifel" von einem durchschnittlichen Grenzsteuersatz von (nur) 12,5 % ausgegangen wurde (US 25). Einer Begründung für diese Annahme hätte es aber schon deshalb bedurft, weil der Beamte Helmut K*****, der die Lohnsteuerprüfung durchgeführt hatte, in der Hauptverhandlung vom 3.März 1997 als Zeuge ausführlich und schlüssig darlegte, wie er zu der Höhe des Grenzsteuersatzes von 25 % gelangt war (S 13 ff, insbesondere 15, 21, 23/VII). Da das Gericht dieses Beweisergebnis nicht seiner Entscheidung zugrundelegen zu können vermeinte, hätte es sich damit eingehend auseinandersetzen und jene Umstände angeben müssen, auf die sich seine davon abweichende Überzeugung gründete (vgl Mayerhofer StPO § 281 Abs 1 Z 5 E 61).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten

G*****:

Die Mängelrüge (Z 5) der Angeklagten Doris Hermine G***** ist gleichfalls im Recht, soweit (auch) sie die teils fehlende, teils mangelhafte Begründung der erstgerichtlichen Feststellungen über die verkürzten Beträge kritisiert.

Wie schon zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft erwähnt, wird in den Urteilsgründen insbesondere nicht - über die nicht von Argumenten unterstützte Äußerung des bloßen Zweifels der Höhe des von der Finanzstrafbehörde angenommenen Grenzsteuersatzes von 25 % hinaus - dargelegt, weshalb dieser Grenzsteuersatz mit 12,5 % angenommen wurde. Solcher Ausführungen hätte es umso mehr bedurft, als eine relativ geringfügige (weitere) Reduktion des durch- schnittlichen Grenzsteuersatzes den strafbestimmenden Wertbetrag in einem Ausmaß verringert hätte, welches die gerichtliche Strafbarkeit (iS des § 53 Abs 1 lit b FinStrG) sogar der Finanzvergehen des unmittelbaren Täters Peter P*****, damit aber auch die nach dem Schuldspruchinhalt nur auf § 53 Abs 4 FinStrG zu gründende gerichtliche Zuständigkeit hinsichtlich der Beschwerdeführerin G***** und der Angeklagten Monika E***** überhaupt ausgeschlossen hätte.

Der von der Beschwerdeführerin G***** insoweit zutreffend geltend gemachte Nichtigkeitsgrund kommt auch den Mitangeklagten P***** und E***** zustatten; auch deren Schuldsprüche waren - teils auch aus dem Grund des Zusammenhangs - aufzuheben (§ 290 Abs 1 StPO).

Angesichts der bereits erörterten - eine Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung erfordernden - Begründungsmängel bedarf es keines näheren Eingehens auf die weiteren Beschwerdeausführungen der Angeklagten G*****, die ua in der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) das Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes der absoluten Verjährung (§ 31 Abs 5 zweiter Fall FinStrG) behauptet.

Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht allerdings zu beachten haben, daß nach der Bestimmung des § 31 Abs 5 FinStrG die Strafbarkeit eines Finanzvergehens "jedenfalls", dh uneingeschränkt und ausnahmslos, somit auch ungeachtet eines Bestehens eines Fortsetzungszusammenhanges zwischen den einzelnen Tathandlungen und ohne Rücksicht auf eine allfällige Ablauf- oder Fortlaufhemmung entfällt, wenn seit dem Beginn der Verjährungsfrist bei Finanzvergehen, zu deren Verfolgung das Gericht zuständig ist, fünfzehn Jahre, bei Finanzvergehen, für deren Verfolgung die Finanzstrafbehörde zuständig ist, zehn Jahre verstrichen sind. Gemäß § 31 Abs 1 FinStrG beginnt die Verjährungsfrist zu laufen, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört. Gehört zum Tatbestand ein Erfolg, wie dies bei einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG zutrifft, beginnt die Verjährungsfrist erst mit dessen Eintritt. Im Fall einer auf einer falschen Erklärung des Steuerpflichtigen beruhenden zu niedrigen Abgabenfestsetzung ist der zum Tatbestand gehörige Erfolg (erst) mit der Rechtskraft des sachlich unrichtigen Steuerbescheides bewirkt. Wird die Abgabenerklärung überhaupt unterlassen, gilt infolge der daraus resultierenden Unkenntnis der Behörde von der Entstehung des Abgabenanspruchs die Abgabenverkürzung nach § 33 Abs 3 lit a zweiter Fall FinStrG mit dem Ablauf eines Jahres ab dem Ende der gesetzlichen Erklärungs-, Anmelde- oder Anzeigefrist als bewirkt (Dorazil/Harbich, FinStrG § 31 E 7, 9, 15 a, 15 Os 112/91, 12 Os 83/92).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten E***** ist anzumerken, daß diese Angeklagte fristgerecht durch ihren Verteidiger gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet, diese Rechtsmittel jedoch nach Zustellung einer Urteilsausfertigung nicht ausgeführt hat. Da weder bei der Anmeldung noch mangels Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde der Tatumstand, der einen Nichtigkeitsgrund bilden soll, ausdrücklich oder durch deutliche Hinweise angeführt wurde (§ 285 a Z 2 StPO), war sie im Sinn der genannten Gesetzesstelle zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft sowie alle Angeklagte auf obige Entscheidung zu verweisen.

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