OGH 9ObA72/97x

OGH9ObA72/97x5.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Gerhard Gotschy als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gottfried H***** Pensionist, ***** vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Ö***** R*****, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld, Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wegen S 160.449,08 brutto sA (Revisionsinteresse S 101.065,45 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Oktober 1996, GZ 12 Ra 179/96x-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 2.Mai 1996, GZ 7 Cga 19/96-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

7.605 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.267,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 23.2.1976 bis 30.4.1995 bei der beklagten Partei als Angestellter beschäftigt. Seit 16.10.1989 bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses war der Kläger ständig arbeitsunfähig. Seit 18.11.1992 hatte er keinen Entgeltfortzahlungsanspruch, ausgenommen für Zeiten der einvernehmlichen Konsumierung des nicht verjährten Erholungsurlaubes. Mit Vergleich vom 28.3.1995 verpflichtete sich die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, dem Kläger ab dem auf die Auflösung des Dienstverhältnisses folgenden Monatsersten die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253 d ASVG zu gewähren. Am 20.4.1995 unterfertigte der Kläger ein von der beklagten Partei vorbereitetes Schreiben folgenden Inhaltes:

"Berufsunfähigkeitspension. Aufgrund der Vergleichsausfertigung des Landesgerichtes Linz vom 28.3.1995 erkläre ich unter Wahrung des Pensions- und Abfertigungsanspruches meinen vorzeitigen Austritt zum 30.4.1995......". Der volle jährliche Urlaubsanspruch des Klägers beträgt 37 Arbeitstage. Dem Kläger würde ausgehend von jeweils vollen Urlaubsansprüchen für 1994 noch Urlaub im Ausmaß von 31 Arbeitstagen und für 1995 von 37 Arbeitstagen zustehen.

Der Kläger begehrt S 160.449,08 brutto sA als Urlaubsentschädigung für 68 Arbeitstage aus den Urlaubsjahren 1994 und 1995. Er brachte vor, daß das Dienstverhältnis durch berechtigten vorzeitigen Austritt geendet habe, weil er aus gesundheitlichen Gründen zur Fortsetzung der vereinbarten Dienstleistung unfähig geworden sei. In eventu sei wertungsmäßig von einer Dienstgeberkündigung auszugehen, weil die beklagte Partei das Austrittsschreiben selbst verfaßt habe und jedenfalls klar erkennbar gewesen sei, daß der Kläger unter Wahrung des Pensions- und Abfertigungsanspruches aus dem Dienstverhältnis ausscheiden wollte. Sollte keine Auflösungsart angenommen werden, die Anspruch auf Urlaubsentschädigung begründe, stehe dem Kläger jedenfalls für 1995 eine Urlaubsabfindung für 12 Arbeitstage zu.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Dem Kläger stehe keinesfalls Urlaubsentschädigung, sondern höchstens eine Urlaubsabfindung bis 30.4.1995 zu, soferne man überhaupt von der Anwendung des Sozialrechtsänderungsgesetzes 1995, dessen Verfassungsmäßigkeit die Beklagte bestritt, ausgehe.

Das Erstgericht erkannte dem Kläger Urlaubsentschädigung für 31 Arbeitstage für das Urlaubsjahr 1994 und Urlaubsabfindung für 12 Tage für das Urlaubsjahr 1995, sohin S 101.460,45 brutto zu und wies das Mehrbegehren von S 58.988,63 brutto ab.

In rechtlicher Hinsicht habe das Dienstverhältnis weder durch Kündigung noch durch vorzeitigen Austritt, sondern aufgrund einer einvernehmlichen Auflösung zum 30.4.1995 geendet. Der Kläger habe daher, weil das Dienstverhältnis vor Verstreichen der Hälfte des Urlaubsjahres 1995 geendet habe, nur Anspruch auf Urlaubsabfindung. Die Rechtsprechung, daß entgeltfreie Zeiten den Urlaubsanspruch und somit auch die Urlaubsabgeltung aliquot verkürzen, sei mit dem Sozialrechtsänderungsgesetz 1995 (BGBl 1995/832) hinfällig geworden. Zufolge der Übergangsbestimmungen hätten diese Regelungen bereits ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen habe, Geltung. Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage sei der Anspruch des Klägers auf Urlaubsentschädigung für 1994 und Urlaubsabfindung für 1995 zu bejahen. Auf die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des Sozialrechtsänderungsgesetzes sei vom Erstgericht nicht einzugehen. Aus den Bestimmungen der freiwilligen Betriebsvereinbarung (FBV) sei kein Anhaltspunkt zu gewinnen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß gesetzlicher Urlaubsanspruch zustehe und allenfalls durch entgeltfortzahlungsfreie Zeiten aliquot verkürzt werde.

Das Berufungsgericht änderte das hinsichtlich der Abweisung unangefochten gebliebene Ersturteil dahingehend ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Rechtlich führte es aus, daß die von der beklagten Partei bestrittene Verfassungsmäßigkeit der angeordneten Rückwirkung des Sozialrechtsänderungsgesetzes 1995 deshalb nicht zu behandeln sei, weil die durch das SRÄG 1995 novellierten Bestimmungen des Urlaubsrechts keine Auswirkung auf den vorliegenden Fall hätten. Die Regelung sei nämlich auf Fälle zugeschnitten, in denen ein Urlaubsverbrauch während des Urlaubsjahres und damit eine "Weiterzahlung" des Entgelts während der Zeit des Urlaubskonsums wenigstens theoretisch möglich sei. Das SRÄG 1995 habe am Ausfallprinzip des Urlaubsentgelts nichts geändert. Daraus folge aber, daß dann, wenn während des gesamten Urlaubsjahres weder gearbeitet noch Entgelt bezogen wird, schon begrifflich ein "Behalten" des Entgeltanspruchs während des ebenfalls begrifflich nicht möglichen Urlaubskonsums ausscheide. Gebe es kein denkbares Urlaubsentgelt, dann könne auch keine Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung zustehen, weil die §§ 9 und 10 des UrlG keinen Anspruch auf Urlaubsentgelt schaffen, sondern - arg. "ausstehendes" Urlaubsentgelt - ein solches voraussetzen. Daran habe das SRÄG 1995 nichts geändert. Der zu entscheidende Fall sei daher kein Anwendungsfall des § 2 Abs 2 UrlG idF des SRÄG 1995. Da der Kläger seine Forderung auch nicht auf die Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993 oder auf die freiwillige Betriebsvereinbarung stützen könne, sei das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.

Gegen dieses Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie das Oberlandesgericht Wien in einem ähnlichen Fall zutreffend ausführte (vgl 8 ObA 92/97f mwN), ist zur Abgrenzung des Umfanges des Inkrafttretens der Übergangsbestimmungen voranzustellen, daß es vorliegend nicht um die Frage des Urlaubsanspruches geht, also um den Anspruch, in der für den Urlaub vorgesehenen Zeit die Wiederherstellung der Arbeitskraft des Arbeitsnehmers, seine körperliche und geistige Erholung, die Aufrechterhaltung seiner Gesundheit sowie die Selbstbestimmung und Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers (auch Weiterbildung und Lebensbereicherung) zu gewährleisten (vgl dazu Kuderna, Die durch das Sozialrechtsänderungsgesetz vorgenommenen Ergänzungen der §§ 2, 9, 10 und 19 UrlG, DRdA 1996, 467), sondern um das an die Stelle des Naturalurlaubs tretende Surrogat, die Urlaubsentschädigung. § 9 Abs 1 UrlG legt dies nun in der Höhe "des noch ausstehenden Urlaubsentgeltes" fest. Auch insoweit geht es nun nicht um den diesem zugrundeliegenden Urlaubsanspruch, sondern um das Urlaubsentgelt. Das Urlaubsentgelt als solches richtet sich gemäß § 6 Abs 3 UrlG bei einem regelmäßigen Entgelt - wie offenbar hier vorliegend - nach dem Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn der Urlaub nicht angetreten worden wäre. Abzustellen ist also auf den konkreten Zeitraum des Urlaubsverbrauches, der jedoch naturgemäß im Falle der Urlaubsentschädigung, bei der es eben zu keiner Urlaubskonsumation mehr kommen kann, nicht wie bei einem Verbrauch des Naturalurlaubs feststeht. Stellt man dabei auf Perioden ab, in denen kein Entgelt gebührt, so kann auch dann, wenn man von einem vollen Urlaubsanspruch ausgeht, demnach keine Urlaubsentschädigung aber auch keine Urlaubsabfindung gebühren, da das Urlaubsentgelt für diese Zeit eben Null ist (vgl im übrigen etwa zum Anspruch auf Urlaubsverbrauch auch bei unentgeltlich zu leistenden Arbeiten Kuderna, aaO, 464).

Soweit die Judikatur ausgehend von einem uneingeschränkten Urlaubsanspruch auch dahin verstanden werden kann, daß die Berechnung des Urlaubsentgeltes mangels Entgeltanspruches in den relevanten Zeiträumen eine Urlaubsentschädigung in der Höhe "Null" ergibt, konnte sie sich auch bereits auf davor liegende Literatur (vgl Kuderna, Urlaubsrecht, § 9 Rz 3) stützen und fand insoweit auch weitgehend Zustimmung in der Literatur (vgl Runggaldier, Sozialrückbau durch Rechtsprechung, DRdA 1996, 105; Kuderna, Ergänzungen des Urlaubsrechtes, aaO, 467; Goricnik, RdW 1995, 475; Pfeil, DRdA 1995, 255 ua; ablehnend, Schindler, DRdA 1995, 106 ff insbesonders 115 der sich auf die Judikatur zur Berechnung der Abfertigung stützt, jedoch nicht beachtet, daß hier eben primär kein Entgeltanspruch besteht, sondern nur während des Naturalurlaubs das Entgelt weiter zu zahlen ist).

In diesem Sinne ist also festzuhalten, daß nur die Auslegung der Übergangsbestimmung der neuen Regelung zur Frage der Berechnung der Höhe des Urlaubsentgeltes bei Urlaubsentschädigungen hier maßgeblich ist.

Die neue Bestimmung des § 9 Abs 1 letzter Satz UrlG lautet wie folgt:

"Ist zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer an der Dienstleistung verhindert, ohne daß der Anspruch auf das Entgelt zur Gänze fortbesteht, so ist bei Berechnung der Urlaubsentschädigung das ungeschmälerte Entgelt zugrundezulegen, das zum Beendigungszeitpunkt bei Fortfall der Dienstverhinderung zugestanden wäre".

Dazu kommt die Übergangsbestimmung des § 19 Abs 3 UrlG:

"§ 2 Abs 2, § 9 Abs 1 und § 10 Abs 1 dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 832/1995 treten mit 1.Dezember 1995 in Kraft und gelten ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen hat."

Die Stellungsnahmen zur Auslegung dieser Übergangsvorschriften in der Literatur sind äußerst kontroversiell (vgl etwa Wilhelm, Die jüngste Urlaubsnovelle und deren Rückwirkung, ecolex 1996, 6; Andexlinger, Gegenreform im Urlaubsrecht, ecolex 1996, 39; Drs, Neues aus dem Arbeits- und Sozialrecht, RdW 1996, 65; Müller, Zur Rückwirkung von Rechtsprechung und Urlaubsaliquotierung bei Krankheit, ecolex 1996, 190; Schrank, Zur Beseitigung der Urlaubsaliquotierungsjudikatur durch die UrlG-Nov - eine Replik, ecolex 1996, 290; Kuderna, Ergänzungen des Urlaubsgesetzes, aaO, 470 f; Adamovic, Die Novelle zum Urlaubsgesetz - eine Verwirrung?, RdW 1996, 118; Vonkilch, Zur Wirkung der Urlaubsgesetznovelle auf laufende und abgeschlossene Verfahren, ecolex 1996, 905).

Vorweg ist zur Auslegung des § 19 Abs 3 UrlG voranzustellen, daß es sich nach der Überschrift dieses Paragraphen um eine Bestimmung über das Inkrafttreten handelt.

Zur Frage der Anwendung der neuen Bestimmungen des Urlaubsgesetzes ist einleitend zur terminogischen Klarstellung festzuhalten, daß es sich um eine Frage des Geltungsbereiches handelt (vgl zur Unterscheidung zu Fragen der zeitlichen Geltung einer Norm - der Zugehörigkeit zur Rechtsordnung -, die mit Abschluß des letzten Rechtserzeugungsaktes anzunehmen ist, etwa Thienel, Art 49 B-VG und die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereiches von Bundesgesetzen, ÖJZ 1990, 161, Thienel, Was ist ein außer Kraft getretenes Gesetz, JBl 1994, 26 ff ua).

Die Frage des zeitlichen Geltungsbereiches, also die Frage, inwieweit in Geltung stehende Normen auf konkrete menschliche Verhalten in einem bestimmten Zeitraum anzuwenden sind, wird wieder unterteilt. Die Frage des zeitlichen Rechtsbedingungsbereiches ist die Frage jenes zeitlichen Bereiches, in dem sich die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen müssen, an die dann bestimmte Rechtsfolgen geknüpft sind. Die Frage des zeitlichen Rechtsfolgenbereiches ist die Frage jenes Zeitraumes, in dem die aus einer Rechtsnorm ableitbaren Sanktionen gesetzt werden können (vgl dazu ebenfalls Thienel, aaO, ebenso aber Walter/Mayer, Grundriß des österr. Bundesverfassungsrechtes6, Rz 487 bis 492 ua).

Gerade bei komplexeren Tatbeständen kann es aber auch erforderlich sein, innerhalb des Bedingungsbereiches weitere Differenzierungen hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereiches vorzunehmen (vgl im Zusammenhang Thienel, FS Walter, 715 f). Wenn sich der Gesetzgeber nicht auf Inkrafttretensanordnungen beschränken will, ist es erforderlich, ein eigenes Übergangsrecht zu schaffen.

§ 19 Abs 3 UrlG stellt nun hinsichtlich der hier maßgeblichen Frage der Urlaubsentschädigung auf § 9 Abs 1 UrlG ab und sieht für diesen gemeinsam mit den neuen Bestimmungen des § 10 Abs 1 und § 2 Abs 2 UrlG, in der Fassung der Novelle, ein Inkrafttreten mit 1.12.1995 vor, ordnet aber ergänzend an, daß diese Bestimmungen ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen hat, gelten.

Konkrete Bedingungen für das Entstehen einer Urlaubsentschädigung im Sinne des § 9 Abs 1 UrlG sind einerseits ein Entstehen des Urlaubsanspruches und andererseits, daß das Arbeitsverhältnis vor Verbrauch des Urlaubes in einer bestimmten Art endet. Als Rechtsfolge ist dann der Anspruch auf Urlaubsentschädigung vorgesehen. Maßgeblich ist allerdings wohl primär, welche Art der Beendigung vorliegt, da bei bestimmten Beendigungsarten auch gar kein Surrogat für Urlaubsreste zustehen kann (vgl § 10 Abs 2 UrlG).

Beide Bereiche der Bedingungen (einerseits Entstehen des Urlaubsanspruches und andererseits Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einer bestimmten Weise und Vorliegen eines Urlaubsrestes) liegen nun vor dem 1.12.1995. Nur hinsichtlich des einen Bedingungsbereiches, und zwar hinsichtlich des Urlaubsjahres sieht die Übergangsregelung ergänzend vor, daß sich die Bestimmungen auch auf Urlaubsjahre beziehen, die im Jahre 1994 begonnen haben. Für den Bedingungsbereich im Zusammenhang mit der Beendigung ist dies nicht angeordnet.

Daraus, daß der Gesetzgeber nicht einfach rückwirkend das Inkrafttreten mit 1.1.1994 angeordnet hat, ist zu schließen, daß es nach dem 1.1.1994 Sachverhalte geben muß, die nicht von den Regelungen erfaßt werden sollen. Dies kann jedoch im gegenständlichen Zusammenhang durchaus darin gesehen werden, daß solche Sachverhalte nicht erfaßt werden sollen, bei denen nur ein Teil des Bedingungsbereiches im Rahmen der über das Inkrafttretensdatum 1.12.1995 zurückgehenden weiteren Rückwirkungsanordnung umfaßt ist.

Konkret bedeutet dies, daß durch die Übergangsbestimmung klargestellt ist, daß eben bei Auflösungen nach dem 1.12.1995 auch für Urlaubsreste aus dem Urlaubsjahr, das im Jahre 1994 begonnen hat, die Urlaubsentschädigung unter Anwendung des § 9 Abs 1 UrlG in der Fassung der Novelle BGBl Nr 832/1995 zu berechnen ist, nicht jedoch bei Auflösungen vor dem 1.12.1995.

Diese Auslegung ergibt sich nun nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern gibt diesem auch einen den erkennbaren Zielsetzungen entsprechenden Anwendungsbereich. Damit wird nämlich klargestellt, daß eben auch hinsichtlich dieses Urlaubsjahres bei der Berechnung des für den daraus herrührenden Urlaubsrest wohl auch bei etwa bis zu diesem Beendigungszeitpunkt dauernden Krankenständen selbst hinsichtlich dieses Urlaubsrestes das volle Entgelt im Zeitpunkt der Beendigung heranzuziehen ist. Insoweit ist also dann sowohl der Bedingungsbereich hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Verbrauch des Urlaubes - 1.12.1995 - als auch jener des Entstehens des Urlaubsanspruches (Urlaubsjahr, das im Jahre 1994 begonnen hat) im Rahmen dieser Bestimmung erfaßt.

Das bedeutet, daß also rückwirkend durch die Regelung des § 19 Abs 3 UrlG einerseits eine Aliquotierung des Urlaubsanspruches ausgeschlossen wurde und andererseits hinsichtlich der Beendigungsansprüche unter dem Aspekt des zeitlichen Bedingungsbereiches klargestellt wurde, daß für Urlaubsansprüche aus den rückwirkend erfaßten Zeiten bei Beendigung nach dem Inkrafttreten die gesonderten - inhaltlich neuen - Berechnungsbestimmungen des § 9 Abs 1 UrlG zur Anwendung gelangen. Dies erstreckt sich aber nicht auf die Berechnung von Beendigungsansprüchen vor dem Inkrafttreten.

Würde man die Geltung der neuen Regelung auch auf die vorliegende Konstellation erstrecken, so wäre nicht ersichtlich, warum nicht überhaupt ein einheitliches Inkrafttreten mit 1.1.1994 vorgesehen wurde.

Die Unterscheidung zwischen dem zeitlichen Bedingungsbereich hinsichtlich des Entstehens des Urlaubsanspruches und der Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Beendigung lassen sich auch nicht nur aus dem unterschiedlichen Charakter des Urlaubsanspruches einerseits und des Surrogates "Urlaubsentschädigung" andererseits ableiten. Auch daraus, daß zwar grundsätzlich eine Zuordnung des Urlaubsanspruches zu einem bestimmten Urlaubsjahr vorgesehen ist (vgl dazu § 4 Abs 1 UrlG - "möglichst bis zum Ende des Urlaubsjahres ..... verbraucht werden ..."), daß im übrigen jedoch - ohne auf die näheren Voraussetzungen der Vereinbarung des Urlaubsverbrauches einzugehen - der Urlaub innerhalb der Verjährungsfrist auch in darauffolgenden Urlaubsjahren konsumiert werden kann, ergibt sich, daß erst bei der tatsächlichen Beendigung sich die Art des Anspruches wandelt und die oben dargestellten Fragen der Berechnung relevant werden. Insoweit ist dieser Zeitpunkt der Auflösung auch als wesentlicher Anknüpfungspunkt anzusehen. Auf die Auflösung hat der Gesetzgeber aber in der Inkrafttretensbestimmung nicht Bezug genommen, sodaß die oben dargestellte Differenzierung vorzunehmen ist.

Daraus ergibt sich aber, daß in dem vorliegenden Fall, in dem die Auflösung noch vor dem Inkrafttreten liegt, die gegenständliche Regelung noch nicht anzuwenden ist. Im Hinblick darauf bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der vielfach relevierten verfassungsrechtlichen Problematik der rückwirkenden Gesetzesänderung (vgl fast alle oben zitierten Beiträge zur Frage der Rückwirkungsbestimmung, teilweise die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit bejahend, teilweise verneinend, jedoch zumeist ohne nähere Differenzierung hinsichtlich der verschiedenen Fallvarianten). Es ist also nicht auf Fallvarianten einzugehen, in denen ein Arbeitgeber im Vertrauen auf die Rechtslage bei einem lang erkrankten Arbeitnehmer, der plötzlich sein Arbeitsverhältnis auflösen will, statt auf einem möglicherweise unberechtigten Austritt zu beharren, etwa schon im Jahre 1994 der einvernehmlichen Auflösung zustimmte. Ob also dieser Arbeitgeber nunmehr in seinem Vertrauen auf die im gegenständlichen Zusammenhang auch weitgehend unstrittige Rechtslage im Hinblick auf die rückwirkende Entstehung von Urlaubsentschädigungsansprüchen beeinträchtigt wäre, ohne daß besondere Umstände diese Rückwirkung rechtfertigen könnten und damit eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrechtes nachgewiesen wäre (vgl in diesem Zusammenhang etwa VfSlg 13.020/92), kann dahingestellt bleiben. Diese Ausführungen wurden bereits vom Obersten Gerichtshof gebilligt (8 ObA 92/97f). Auch der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsmeinung an.

Dem Einwand, bei § 9 Abs 1 UrlG idF der Novelle BGBl 1995/832 handle es sich um eine authentische Interpretation (Vonkilch, Zur "Rückwirkung" der Urlaubsgesetznovelle auf Urlaubsentschädigungen bei Dienstverhältnissen, die vor dem 1.12.1995 aufgelöst wurden, RdW 1997, 406), ist ergänzend entgegenzuhalten:

Einer verfassungskonformen Auslegung (dazu JBl 1995, 319 mwN) gebührt der Vorzug, wenn zwei oder mehrere Auslegungsvarianten denkmöglich sind. Es ist nämlich davon auszugehen, daß der einfache Gesetzgeber bemüht ist, Verfassungswidrigkeiten in einfachen Gesetzen zu vermeiden. Die Rückwirkung von Gesetzen wird weder durch Art 49 Abs 1 B-VG, noch durch § 5 ABGB für unzulässig erklärt. Sie steht aber in einem besonderen Spannungsverhältnis zur Rechtssicherheit und bedarf einer besonderen, den Eingriff in das Vertrauen in die (bestehende) Rechtslage begründenden sachlichen Rechtfertigung, da sie ansonsten gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieße (vgl VfSlg 12.241, 12.639, 12.688). Eine weniger weitreichende Rückwirkung ist daher eher geeignet, verfassungsrechtliche Bedenken zu vermeiden.

Eine authentische Auslegung (dazu Schwimann/Posch, ABGB I2, Rz 2 f zu § 8) des Urlaubsgesetzes durch das SRÄG 1995 ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil der Gesetzgeber eine ausdrückliche Stellungnahme zur geänderten Rechtsprechung und ihrer Richtigkeit vermieden hat. In der Entscheidung vom 14.3.1996, 8 ObA 215/96 (DRdA 1997/21, 204 [krit. B. Trost]) wird die kritisierte Rechtsprechung überwiegend bestätigt, dies unter der Voraussetzung, daß auch zu Beginn des letzten Urlaubsjahres kein Entgeltanspruch mehr bestand (anders 8 ObA 268/94).

Das Urlaubsjahr (= Kalenderjahr) des Klägers begann jeweils am 1.1. eines jeden Jahres. Der Kläger befand sich seit 16.10.1989 ununterbrochen im Krankenstand. Er hatte nach den Feststellungen zu Beginn des Urlaubsjahres 1.1.1994 bis zu seinem Ausscheiden keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sodaß auch kein Anspruch auf Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung besteht.

Hätte das SRÄG 1995 wirklich (nur) eine authentische Interpretation bzw Richtigstellung des schon stets als richtig angesehenen Rechts bewirken wollen, dann müßte eine Rückwirkung ohne zeitliche Schranke eintreten und wäre eine Übergangsregelung schlechthin entbehrlich, denn die Anwendung des als richtig verstandenen Rechts darf nicht von zeitlichen Zufälligkeiten abhängig gemacht werden. Es wäre auch vorstellbar, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SRÄG 1995 am 1.12.1995 noch Urlaubsansprüche, die im Urlaubsjahr, das im Jahr 1993 (und davor) begonnen hat, offen sein könnten (zB bei lang anhängigen Verfahren infolge Unterbrechung dieser Verfahren gemäß den §§ 155 Abs 1, 159 und 190 ZPO; § 7 KO ua). In diesen Fällen ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb bei Ansprüchen aus einem Urlaubsjahr, das im Jahr 1993 (und davor) begonnen hat, die als richtig angesehene Rechtsfolge (noch) nicht eintreten sollte. Gegen die weitergehende Rückwirkung des SRÄG 1995 spricht auch das Argument der Sachgerechtigkeit im Sinne einer leicht zu handhabenden, praktikablen Regelung. Eine solche Regelung, die für Kollektivverträge postuliert wird (Arb 10.480; Arb 11.231; DRdA 1994/18, 244), muß auch vom Gesetz erwartet werden. Es ist nicht ohne zwingenden Grund anzunehmen, daß sämtliche vor dem Inkrafttreten des SRÄG 1995 am 1.12.1995 beendeten Arbeitsverhältnisse einer neuerlichen "Endabrechnung" unterzogen werden sollten, wodurch die als abschließend angesehenen Zahlungen nachträglich den Charakter von Abschlagszahlungen (im Sinne eines auf den neuen gesetzlichen Anspruch bloß anzurechnenden Vorschusses) erhielten.

Ohne Bedeutung für den Anspruch des Klägers sind die Bestimmungen der freiwilligen Betriebsvereinbarung über den hier nicht vorliegenden Krankenurlaub oder die ohnehin im Urlaubsgesetz schon längst rezipierte Regelung der angeführten Richtlinie 93/104 EG , daß jedem Arbeitnehmer ein bezahlter Mindestjahresurlaub zusteht (Klein, Die Arbeitszeitrichtlinie der EU, DRdA 1994, 190 f) oder die Art der Lösung des Dienstverhältnisses.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da nach § 41 ZPO nur notwendige Kosten zu ersetzen sind, ist die Frage, ob ein Zuschlag nach § 21 Abs 1 RATG im Rahmen des Prozeßkostenersatzes zuzusprechen ist, nicht allein nach Art oder Umfang der 29 Seiten umfassenden Revisionsbeantwortung zu beurteilen, sondern auch inwieweit dieser Aufwand im Sinne des § 41 ZPO der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente (vgl AnwBl 1981, 369). Da der umfänglichste und aufwendigste Teil des Schriftsatzes der Frage der Verfassungswidrigkeit des Art III Z 4 SRÄG 1995 gewidmet ist, die sich aber im vorliegenden Fall nicht stellt, liegt der notwendige Aufwand der Beklagten nicht erheblich über dem Durchschnitt.

Stichworte