OGH 7Ob304/97z

OGH7Ob304/97z29.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kriemhild S*****, vertreten durch Dr.Johannes Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Roland M*****, und 2. Fritz M*****, beide vertreten durch Dr.Peter Armstark, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 2,340.000,-- (Erstbeklagter) und S 4,210.000,-- (Zweitbeklagter), infolge Rekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26.Mai 1997, GZ 14 R 11/97h-30, womit das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Oktober 1996, GZ 7 Cg 291/95f-14, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Hilda M***** verstarb 85jährig am 2.7.1994. Die Klägerin ist ihre Tochter, der Erstbeklagte ihr Sohn, der Zweitbeklagte ist der Sohn des Erstbeklagten, demnach das Enkelkind der Hilda M*****. Ihre Verlassenschaft wurde unter Zugrundelegung eines Reinnachlasses von 500.343,56 S aufgrund eines Erbenübereinkommens zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten beiden je zur Hälfte aufgrund des Gesetzes zu 3 A 172/94k des Bezirksgerichtes Döbling eingeantwortet. Hilda M***** hat mit Übergabsvertrag vom 5.3.1993 ihre Liegenschaftshälfte an der EZ ***** Grundbuch ***** G***** Grundstücksadresse ***** dem Erstbeklagten übergeben; sie hat mit Schenkungsvertrag vom 20.10.1992 dem Zweitbeklagten ihren 1/3-Anteil an der Liegenschaft ***** des Grundbuches ***** mit dem Grundstück ***** übertragen. Der Zweitbeklagte hat dieses Liegenschaftsdrittel um einen Kaufpreis von 18 Mill.S verkauft.

Das Erstgericht stellte fest:

Hilda M***** zog den Zweitbeklagten seit seiner Kindheit in ihrem Haus in Grinzing auf. Sie hatte zu ihm ein intensives und positives Verhältnis, das dem Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern entsprach. Er war auch ihre Vertrauensperson, mit der sie ihre Probleme besprechen konnte. Er war zentraler Punkt ihres Denkens. In den letzten Jahren zog sie ihn ihren eigenen Kindern (Klägerin und Erstbeklagten) vor. Umgekehrt kümmerte sich der Zweitbeklagte sehr um seine Großmutter. Auch nach Gründung seines eigenen Hausstandes in P***** übernachtete er mehrmals wöchentlich bei ihr.

Hilda M***** litt während der letzten Jahre ihres Lebens an Osteoporose. Sie wurde Mitte der 70iger Jahre an beiden Hüften operiert. Von da an litt sie an zunehmenden Schmerzen im Hüftbereich. In den letzten 5 bis 7 Jahren vor ihrem Tod begannen aufgrund ihrer Erkrankung Wirbel einzubrechen. Dadurch wurden Nerven verletzt. Ihre Beweglichkeit wurde dadurch eingeschränkt. Ende 1993 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand dramatisch. Nach einem mehrwöchigen Spitalsaufenthalt mußte sie den Großteil des Tages liegend im Bett verbringen. Haushaltstätigkeit konnte sie in zunehmendem Maß nicht mehr selbst verrichten. Die Körperpflege konnte sie fast bis zu ihrem Tod noch selbständig verrichten. Soweit sie Hilfe benötigte, wurde sie in all diesen Jahren vor allem vom Zweitbeklagten unterstützt. Er kaufte für sie ein, besorgte Medikamente und betreute sie auch nächtens, wenn sie etwas brauchte. Aufgrund dieses intensiven und sehr positiven Verhältnisses sah sich Hilda M***** am 20.10.1992 veranlaßt, dem Zweitbeklagten den ihr gehörenden 1/3-Anteil am Haus ***** zu schenken. Damit wollte sie ihren Enkel auch für die Zukunft finanziell absichern, weil sie sich für ihn verantwortlich fühlte. Der Zweitbeklagte nahm diese Schenkung zum Anlaß, seine Unterstützung für die Großmutter noch zu intensivieren. Er übernahm die Kosten ihrer täglichen Einkäufe, die Anschaffung der Medikamente, von Sanitäreinrichtungen (Badelift), die es der Großmutter ermöglichen sollten, in die Badewanne zu gelangen. Er organisierte ab Beginn des Jahres 1994 eine private Heimhilfskraft, die der Großmutter täglich beim Haushalt zur Hand ging. Er trug die Kosten dafür. Er finanzierte ein- bis zweimal in der Woche die Besuche der ehemaligen Bedienerin. Er trug auch die Kosten dafür in der Höhe von S 3.000,-- bis S 4.000,-- monatlich. Der erwähnte Spitalsaufenthalt Ende 1993 erfolgte in einer Privatklinik. Die Kosten von ca. S 135.000,-- beglich der Zweitbeklagte.

Die Klägerin begehrt vom Zweitbelagten (den das Teilurteil alleine betrifft) die Bezahlung von S 4,210.000,--. Durch die Schenkung des Drittelanteils am Hause ***** weniger als zwei Jahre vor dem Ableben Hilda M***** sei ihr Pflichtteil geschmälert worden. Der Zweitbeklagte habe diesen Liegenschaftsanteil um S 18 Mio. verkauft. Dieser Kaufpreis sei daher der Verlassenschaft - der Reinnachlaß habe S 500.343,56 betragen - gemäß § 785 ABGB hinzuzurechnen. Sie habe einen Anspruch von S 4,500.000,-- abzüglich des aus der Verlassenschaft Zugekommenen in der Höhe von S 290.000,--, somit in der eingeklagten Höhe.

Vom Erstbeklagten begehrt sie die Bezahlung von S 2,340.000,-- mit dem zusätzlichen V orbringen, Hilda M***** hätte ihm am 5.3.1993 den Hälfteanteil der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch G***** im Wert von S 10 Mio. unentgeltlich übergeben.

Der Zweitbeklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens mit dem Vorbringen, die Klägerin sei erbunwürdig, habe Vorausempfänge erhalten und im Zusammenhang damit auf ihr Erbe verzichtet. Die Schenkung sei in Befolgung einer sittlichen Pflicht Hilda M*****s erfolgt. Er sei von ihr wie ein Kind aufgezogen worden, habe mit ihr im gemeinsamen Haushalt gelebt, sie aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes ständig betreut, habe für laufende ärztliche Betreuung gesorgt und die Kosten ihrer Pflege und Versorgung übernommen. Dafür habe er S 1,3 bis S 1,4 Mio. aufgewendet.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das gegen den Zweitbeklagten gerichtete Klagebegehren ab. Es hob die zunächst vorgenommene Einschränkung des Beweisverfahrens auf die behauptete Erbunwürdigkeit der Klägerin bzw auf einen von ihr gegenüber der Verstorbenen abgegebenen Erbverzicht (vgl AS 29 f in ON 7) erst unmittelbar vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung auf (vgl AS 105 in ON 13) und vertrat die Ansicht, daß die Schenkung des Hausanteiles durch Hilda M***** an den Zweitbeklagten in Entsprechung einer sittlichen Pflicht im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB erfolgt sei und deshalb unberücksichtigt zu bleiben habe.

Das Berufungsgericht hob mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu fällende neuerliche Entscheidung auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Das erstinstanzliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht die Klägerin im Rahmen ihrer Parteieneinvernahme nicht zum Verhältnis des Zweitbeklagten zu seiner Großmutter und zu seinen Leistungen für diese befragt habe. Das Erstgericht habe sich auch nicht mit der Aussage des Zweitbeklagten auseinandergesetzt, wonach seine Großmutter es abgelehnt habe, daß die Klägerin noch irgend etwas aus der Verlassenschaft bekomme und daß sie ihm auch deshalb ihren Liegenschaftsanteil am Haus ***** geschenkt habe. Letztlich ließen die Feststellungen auch nicht erkennen, welche Pflegeleistungen der Zweitbeklagte seiner Großmutter vor der Schenkung erbracht habe. Im fortgesetzten Verfahren werde insbesondere die Tatsache zu berücksichtigen sein, daß eine dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustandes Hilda M***** erst Ende 1993 eingetreten, die Schenkung aber bereits im Oktober 1992 erfolgt sei und daher nicht beurteilt werden könne, welche Pflegeleistungen des Klägers die Schenkung als Abstattung einer sichtlichen Verpflichtung gerechtfertigt haben. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die vom Berufungsgericht vermißten Feststellungen nachzutragen haben. Bei der Feststellung einer allfälligen Leistungsverpflichtung des Zweitbeklagten werde allerdings § 951 ABGB nicht unbeachtet bleiben dürfen. Danach sei zur Deckung des durch Schenkungen verkürzten Pflichtteils zunächst die Verlassenschaft heranzuziehen und gemäß § 951 Abs 3 ABGB unter mehreren Beschenkten der früher Beschenkte nur insoweit, als der später Beschenkte zur Herausgabe nicht verpflichtet oder nicht imstande sei. Da zur Frage der sittlichen Rechtfertigung einer Schenkung an ein wie ein Kind aufgezogenes Enkelkind keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorgefunden worden sei, ebensowenig zur Frage, ob eine Schenkung dadurch sittlich gerechtfertigt sei, daß der Schenkende für die Zukunft infolge einer zu erwartenden Pflegebedürftigkeit (die hier schon im Zeitpunkt der Schenkung zu erwarten gewesen sei) davon ausgegangen sei, daß der wie ein Kind aufgezogene Beschenkte umfangreiche Pflegeleistungen erbringen werde, werde der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Berufungsentscheidung vom Zweitbeklagten erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Zweitbeklagte zählt zum Kreis der nicht pflichtteilsberechtigten Personen nach Hilda M*****. Die an ihn gemachte Schenkung fällt jedoch in die Zweijahresfrist vor ihrem Tod und kann von einem verkürzten Pflichtteilsberechtigten dann in Anspruch genommen werden, wenn sie nicht in Entsprechung einer sittlichen Pflicht gemacht worden ist. Unter Erfüllung einer sittlichen Pflicht ist sicher nicht jede Betätigung der allgemeinen Nächstenliebe zu verstehen, wohl aber wird durch eine Schenkung dann einer sittlichen Pflicht entsprochen, wenn hiezu eine besondere, aus den konkreten Umständen des Falles erwachsene, in den Geboten der Sittlichkeit wurzelnde Verpflichtung des Geschenkgebers bestand. Dies läßt sich nur von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der persönlichen Beziehungen zwischen Geschenkgeber und Beschenktem, ihres Vermögens und ihrer Lebensstellung entscheiden (3 Ob 583/82 = RZ 1983/65 ua). Dabei kommt es auf das Herkommen und die Verkehrsanschauung im gesellschaftlichen Kreis der Verfügenden an. Daß dem Beschenkten für seine Leistungen geradezu ein Lohn als Pfleger zustand, ist nicht Voraussetzung für das Bestehen einer sittlichen Pflicht im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB. Eine allenfalls von der Erblasserin beabsichtigte Gleichstellung des Beschenkten mit den Pflichtteilsberechtigten wäre für die Beurteilung der sittlichen Rechtfertigung ohne Belang, ist es doch Aufgabe der zitierten Bestimmung, den durch die Schenkung geschmälerten Pflichtteil den Berechtigten wieder zu verschaffen. Nach dem bisherigen Feststellungsstand käme dem Umstand, daß die Erblasserin die Schenkung an den Zweitbeklagten schon vor 1993, also vor jenem Zeitpunkt machte, ab dem sie der intensiven Pflege bedurfte, ebenfalls keine Bedeutung zu, hatte sie doch der Zweitbeklagte schon vor der Schenkung jahrelang betreut und kann der Erblasserin auch nicht die Berechtigung abgesprochen werden, sich durch die Schenkung die zu erwartende weitere intensive Pflege zu sichern. Der erkennende Senat schließt sich jedoch der von Weiß in Klang2 III, 914 ff, Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht3, 303, Eccher in Schwimann, ABGB2, Rz 15 zu § 785, Zankl in NZ 1989, 5 ff und Raber in JBl 1988, 145, vertretenen Lehrmeinung an, daß eine Schenkung in sittlicher Verpflichtung auch nur einen angemessenen Teil der Zuwendung erfassen kann. Mangels eines entsprechenden Vorbringens der dafür beweispflichtigen Klägerin konnte darauf aber nicht eingegangen werden. Die Umstände des vorliegenden Einzelfalles müssen im fortgesetzten Verfahren durch die vom Berufungsgericht zutreffend angeordnete, dem Gesetz entsprechende Erweiterung des Beweisverfahrens und den daraus zu ziehenden ergänzenden Feststellungen erhoben werden. In dieser Hinsicht ausgesprochene rechtliche Beurteilungen durch den Obersten Gerichtshof gingen nicht von einer gesicherten Feststellungsgrundlage aus und könnten unter Umständen die beteiligten Parteien zu nur auf diese Beurteilungen abzielende Aussagen veranlassen und könnte dadurch ein nachteiliger Einfluß auf die Wahrheitsfindung entstehen. Die vom Rekursgegner herangezogene Entscheidung SZ 61/110 erging zu einem insolvenzrechtlichen Problem und kann daher beim vorliegenden unvollständigen Feststellungsstand nicht zur Lösung dieses Falles herangezogen werden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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