OGH 4Ob320/97f

OGH4Ob320/97f28.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Peter H*****, wider die beklagte Partei Heiner R*****, vertreten durch Dr.Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 7. August 1997, GZ 53 R 204/97z-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 3.April 1997, GZ 18 C 364/96-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.065,22 (darin S 372,42 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Rechtsanwalt in Salzburg. Der Beklagte ist Geschäftsführer und Gesellschafter der K***** GmbH, welche ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin der K***** GmbH & Co KG ist. Die KG betreibt das in Gerichtsnähe situierte Restaurant K*****. Über Auftrag des Beklagten sandte seine Freundin Faxmitteilungen an eine große Zahl von Rechtsanwälten in S*****, darunter auch an den Kläger. Darin wurde auf die Öffnungszeiten des Lokals, die angebotene warme Küche, die täglich wechselnde Speisekarte, das täglich angebotene Mittagsgericht um S 78 und den Menüplan der Woche vom 26.2. bis 31.3.1996 hingewiesen. Davor hatte die Freundin des Beklagten die Faxnummer des Klägers, die im Telefonbuch nicht eingetragen war, in seiner Kanzlei telefonisch erfragt. Die Kanzleikraft des Klägers hatte sie ihr ohne Vorbehalt bekanntgegeben.

Nach Erhalt der Faxmitteilung forderte der Kläger den Beklagten auf, einen gerichtlichen Unterlassungsvergleich abzuschließen oder eine vom Kläger formulierte Unterlassungserklärung anzuerkennen und dem Kläger Kosten in Höhe von 17.063,80 S zu ersetzen. Der Beklagte erklärte, sich dem willkürlichen Begehren des Klägers nicht unterwerfen zu wollen, im übrigen seien die begehrten Kosten ungerechtfertigt.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, dem Kläger ohne sein vorheriges Einverständnis Werbung im Wege der Fernablichtung zu übersenden.

Er habe Anspruch darauf, daß seine Fernmeldeanlage vor dem Zugriff Unbefugter geschützt und für dienstliche Belange freigehalten werde. Durch den Eingang diverser Werbeschreiben zu beliebigen Bürozeiten würden seine Mitarbeiter aus der Arbeit gerissen und die Kosten der Werbung durch Inanspruchnahme der Büroausstattung des Beworbenen auf diesen verlagert. Werbung per Telefax führe so zu einer untragbaren Belästigung der Allgemeinheit und habe nach § 39 Abs 2 FernsprechO zu unterbleiben. Sie verstoße überdies - gleich ungebetener Telefonwerbung - gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Wiederholungsgefahr sei gegeben, weil sich der Beklagte geweigert habe, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben und das Begehren des Klägers als rechtswidrig bezeichnet habe.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Er wendet - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ein, die Information über ein in Gerichtsnähe neu eröffnetes Lokal habe sich gezielt an Rechtsanwälte gerichtet und könne schon deshalb nicht als untragbare Belastung der Allgemeinheit im Sinn des § 39 Abs 2 FernsprechO gewertet werden. Es liege daher weder ein Verstoß gegen die Fernsprechordnung noch gegen das UWG vor. Abgesehen davon habe der Kläger einer Übermittlung dieser Information durch vorbehaltlose Bekanntgabe der Telefaxnummer auf telefonische Anfrage zugestimmt.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren Folge.

Der Grad der Belästigung durch unerwünschte Telekopien entspreche jenem unerwünschter Anrufe. Das Gerät werde für andere Sendungen blockiert und die Maschine abgenutzt. Das Verbrauchsmaterial wie auch der Aufwand zur Bedienung des Gerätes gingen auf Kosten des Betreibers. Telefaxwerbung verstoße somit dann gegen § 1 UWG, wenn der Anschlußwerber die Werbesendung weder gewünscht habe noch der Werbende nach den Umständen ein solches Einverständnis habe voraussetzen können. In der vorbehaltlosen Bekanntgabe der Telefaxnummer durch eine Anwaltssekretärin könne eine konkludente Zustimmung des Klägers zur Übermittlung von Werbung nicht erblickt werden.

Wiederholungsgefahr sei zu bejahen; der Beklagte habe seine wettbewerbswidrige Handlung im Prozeß verteidigt und damit zu erkennen gegeben, daß es ihm um die Vermeidung künftiger Wettbewerbsverstöße nicht ernstlich zu tun sei.

Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht verjährt. Überdies lasse er sich aus dem Eigentumsrecht und der alleinigen Verfügungsgewalt des Klägers an seinem Gerät herleiten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über S 50.000 und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage, ob unerwünschte, im Wege eines Telefax übermittelte Werbung unzulässig sei und die Rechtssphäre des Empfängers verletze, bestehe noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Ein Anspruch nach § 1 UWG scheide aus, weil der Kläger weder Mitbewerber des Beklagten noch eine der im § 14 UWG genannten klagslegitimierten Personen sei. Der Kläger habe aber sein Unterlassungsbegehren erkennbar auch auf den bürgerlich-rechtlichen Anspruch des Eigentümers auf Unterlassung jedweder Eingriffe in dieses Eigentumsrecht durch andere gestützt. Rechtsprechung in Österreich und Deutschland zu unzulässiger Telefonwerbung wie auch Lehrmeinungen zur Unzulässigkeit der Telefaxwerbung seien auch auf den aus dem Eigentum und der alleinigen Verfügungsmacht über Telefaxgeräte und deren Betriebsmittel abgeleiteten Anspruch anwendbar. Der Kläger habe auch im Fall gezielter Informationen ein berechtigtes Interesse daran, seine Telefaxanlage von jeder Inanspruchnahme freizuhalten, die ihre bestimmungsgemäße Funktion, nämlich Rationalisierung des anfallenden Schriftverkehrs und schnelle Erreichbarkeit für an ihn gerichtete Mitteilungen, beeinträchtigt. Ein Einverständnis des Klägers zur Übermittlung jedweder Art von Werbeschreiben über Telefax liege auch dann nicht vor, wenn die Anwaltssekretärin der Freundin des Beklagten vorbehaltlos die Telefaxnummer bekanntgegeben hat, zumal auch im Abdruck der Telefaxnummer im Amtlichen Telefonbuch eine solche Zustimmung nicht erblickt werden könne.

Wiederholungsgefahr liege vor. Der Beklagte habe das Unterlassungsbegehren bestritten und keine Umstände dargetan, die eine Wiederholung seiner Handlungen als ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich bisher zur Frage, ob unerwünschte, im Wege eines Telefaxanschlusses übermittelte Werbung unzulässig ist und die Rechtssphäre des Empfängers verletzt, noch nicht geäußert.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 25.10.1995, I ZR 255/93 (GRUR 1996, 208) Telefaxwerbung im Hinblick auf die für den Empfänger damit verbundenen belästigenden Auswirkungen, wie die Beeinträchtigung seines Betriebsablaufes und die Verlagerung von Kosten für Papier, Toner und Strom auf den Empfänger, als wettbewerbswidrig und damit unzulässig beurteilt, sofern der Empfänger damit aufgrund besonderer Gegebenheiten nicht einverstanden sei oder sein Einverständnis im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung auch nicht vermutet werden könne (vgl dazu auch WRP 1992, 652; NWJ-RR 1990, 1324; NJW-RR 1991, 160; Ebnet, Rechtsprobleme bei Versendung von Telefax NJW 1992, 2985 ff [2991] mwN).

Lehrmeinungen in Österreich teilen diese Auffassung (Pfersmann, Werbung mittels Telefax ist unzulässig, zu den Urteilen des OLG Graz und des LGZ Wien EvBl 1995/27 und 28 in ÖJZ 1995, 136; vgl dazu RdW 1994, 338; Kucsko, Unerbetene Telefax-Werbung, ecolex 1990, 39).

In Übereinstimmung mit deutscher Lehre und Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof schon bisher Werbung durch ungebetene telefonische Anrufe bei Privatpersonen, um Waren oder Dienstleistungen anzubieten und Geschäftsabschlüsse anzubahnen, dann als wettbewerbswidrig beurteilt, wenn der Angerufene ihm nicht zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis erklärt hatte, zu Werbezwecken angerufen zu werden. Er hat dazu ausgeführt, Telefonwerbung überschreite das mit jeder Werbung mehr oder weniger verbundene, noch tragbare Maß der Belästigung und greife unzulässig in die Individualsphäre des Anschlußinhabers ein (ÖBl 1984, 13 - Telefonwerbung; ÖBl 1995, 12 - Computerkurse; zuletzt 4 Ob 2149/96y = MuR 1996, 165; vgl Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht2 71; Koppensteiner, Österreichisches und Europäisches Wettbewerbsrecht3 680 f; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht19 § 1 dUWG Rz 57 und 69b).

Auch Telefaxwerbung ist in diesem Sinn sittenwidrig und verstößt gegen § 39 Abs 2 FernsprechO und gegen § 354 ABGB, wenn der Anschlußinhaber die Werbsendung weder gewünscht hat, noch der Werbende nach den Umständen ein solches Einverständnis voraussetzen konnte. Sie blockiert das Gerät für andere Sendungen, veranlaßt den Empfänger zu weiterem manipulativen Aufwand auf seine Kosten und überwälzt einen Teil der mit dieser Werbemaßnahme zwangsläufig verbundenen Kosten (Papier, Toner, sonstige Betriebsmittel) auf den Empfänger (vgl Kucsko aaO 39). Sie verstößt damit unabhängig von ihrem tatsächlichen Umfang und unabhängig davon, ob die Werbemitteilung an die Allgemeinheit oder an bestimmte Personengruppen gerichtet ist, nicht nur gegen die guten Sitten im Sinn des § 1 UWG, sondern auch gegen § 39 Abs 2 FernsprechO, wonach der Fernsprechteilnehmer dafür zu sorgen hat, daß ein Mißbrauch der Teilnehmereinrichtung durch ihn oder andere unterbleibt. Als Mißbrauch wird "jede Benützung zu Mitteilungen, die ... gegen die Gesetze, die öffentliche Ordnung oder die Sittlichkeit verstoßen, sowie die Belästigung anderer Fernsprechteilnehmer durch wiederholt anonyme Anrufe" definiert.

Die den Empfänger der Faxmitteilung in seinen Rechten unmittelbar beeinträchtigende und mit einer Überwälzung der Kosten auf ihn verbundene Werbemaßnahme ist dem vom Gesetz definierten Mißbrauch der Teilnehmereinrichtung gleichzusetzen.

Sie verstößt überdies aus den angeführten Gründen auch gegen § 354 ABGB. Die durch den "Belästigten" auf § 354 ABGB gestützte Unterlassungsklage ist somit gerechtfertigt (Spielbüchler in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 354).

Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kommt es nicht darauf an, daß die mit Fax übermittelte Information nur für eine bestimmte Personengruppe und nicht für die Allgemeinheit gedacht war. Hiezu hat schon das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, daß der Anschlußinhaber auch in diesem Fall ein berechtigtes Interesse daran hat, seine Anlage von jeder Inanspruchnahme freizuhalten, die ihrer bestimmungsgemäßen Funktion, nämlich der Rationalisierung des anfallenden Schriftverkehrs und der schnelleren Erreichbarkeit der an ihn gerichteten Mitteilungen, beeinträchtigt. Die "Belästigung" des Anschlußinhabers ist keine geringere, wenn die entsprechende Werbebotschaft nicht an die Allgemeinheit, sondern nur an eine bestimmte Berufsgruppe, der er angehört, gerichtet wurde.

Das Berufungsgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, daß von einem Einverständnis des Klägers nicht ausgegangen werden kann. In der Mitteilung der Telefaxnummer durch eine Anwaltssekretärin über telefonische Anfrage kann keine Einverständniserklärung des Anwaltes selbst zur Entgegennahme nicht gewünschter Werbung erblickt werden.

Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers trifft es auch nicht zu, daß der Kläger sein Recht, Unterlassung zu fordern, ausschließlich zum Zweck der Schädigung des Beklagten ausübt, oder auch die vom Kläger verfolgten eigenen Interessen zu jenen des Beklagten in einem krassen Mißverhältnis stehen.

Das Berufungsgericht hat auch den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu Recht verneint. Wiederholungsgefahr - als materiellrechtliche Voraussetzung jedes Unterlassungsanspruches (so auch des vom Kläger auf § 354 ABGB gestützten Begehrens, vgl Fitz/Gamerith aaO 82) - ist nur dann zu verneinen, wenn der Verletzer besondere Umstände dartun kann, die eine Wiederholung seiner Handlung als ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (Fitz/Gamerith aaO 82; Koppensteiner aaO 737 ff, ÖBl 1996, 35 - Rolls Royce uva). Die Wiederholungsgefahr wird nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig durch das Angebot des Beklagten beseitigt, sich in einem vollstreckbaren Vergleich zu der vom Beklagten begehrten Unterlassung zu verpflichten und ihm all das zu bieten, was er durch ein seinem Unterlassungsbegehren stattgebendes Urteil erlangen könnte (SZ 51/87; ÖBl 1990, 32; MR 1988, 125; ecolex 1994, 627). Im gegenständlichen Fall hat der Beklagte lediglich erklärt, dem Kläger keine Nachrichten mehr übermitteln zu wollen. Diese Erklärung reicht nicht, auch nicht im Zusammenhang mit dem Umstand, daß die gegenständliche Werbemitteilung dem Kläger nur ein einziges Mal übersendet wurde, nicht aus, um die mit jedem Verstoß verbundene Vermutung, der Beklagte werde einen bestimmten Verstoß abermals begehen, zu entkräften. Die bloße Erklärung des Beklagten, nicht mehr zuwiderhandeln zu wollen, kann schon angesichts des Umstandes, daß er seine Berechtigung, Werbung über Telefax zu betreiben, nach wie vor auch im Prozeß behauptet, die bereits eingetretene Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht beseitigen.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 2 ZPO.

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