OGH 2Ob266/97z

OGH2Ob266/97z23.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerda H*****, vertreten durch Dr.Friedrich Hohenauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 238.650,80 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12.Juni 1997, GZ 2 R 124/97w-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.März 1997, GZ 18 Cg 106/96d-16, zum Teil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.382,40 (darin enthalten keine Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 24.8.1984 wurde die damals 20jährige Klägerin bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Mit Versäumungsurteil vom 28.5.1986 wurde festgestellt, daß ihr die beklagte Partei für alle künftigen Schäden voll zu haften hat, die sie aus dem genannten Unfall erleidet. Am 16.4.1987 brachte die Klägerin eine Klage auf Zahlung von S 985.957,60 (darin enthalten S 250.000,-- an Verunstaltungsentschädigung) ein. Sie brachte dazu vor, durch die mit dem Unfall verbundene Entstellung jegliche Aussicht auf eine Versorgung durch Eheschließung verloren zu haben; weiters sei es zu einer weitestgehenden Zerstörung jeglicher möglichen beruflichen Entwicklung gekommen. Am 14.9.1988 schlossen die Parteien in diesem Verfahren einen Vergleich, in dem sich die beklagte Partei verpflichtete, der Klägerin S 835.000,-- sA zu bezahlen. Im Vergleich wurde festgehalten, daß "mit Erfüllung des Vergleiches alle Ansprüche der Klägerin bis zum 14.9.1988 ausgeglichen sind".

Die Klägerin leidet an einem Defektsyndrom nach einer schweren Schädel-Hirn-Verletzung mit einem akuten Mittelhirnsyndrom der Phase 3, an einer Abduzensparese beidseits, einer Occulomotoriusparese rechts, einer Opticusatrophie mit Erblindung rechts, einer offenen Schädelfraktur, der Entwicklung eines kommunizierenden Hydrocephalus, der mit Ventil korrigiert wurde, der Entstehung einer Sinus cavernosus Fistel mit Remission, der Entwicklung eines posttraumatisch apallischen Durchgangssyndroms und dem Übergang in ein mäßiggradiges organisches Psychosyndrom. Am linken Auge besteht bei der Klägerin eine komplexe Augenmotilitätsstörung, die ebenfalls ein sehr eingeschränktes Sehvermögen zur Folge hat. Sie ist auf das Tragen einer Brille angewiesen.

Seit dem Vergleichsabschluß hat sich der neurologische Befund nicht verändert. Zugenommen hat seit dem Unfall insbesonders die durchgehend bestehende spastische Hemiparese im Bereich der Hand und des Arms. Damit sind häufig Schmerzen im Bereich der linken Hand, des linken Armes und des linken Beines zu verspüren. Es kommt dann häufig zu einem überfalls- und krampfartigen Zusammenziehen dieser Gliedmaßen, die die Klägerin momentan faktisch hilflos macht.

Weiters hat sich der psychische Status der Klägerin dramatisch verändert. 1994 stellte sich eine mittelschwere Depression ein, die einer intensiven psychiatrischen Intervention bedurfte. Die Klägerin fürchtet sich vor der Dunkelheit und leidet unter Alpträumen und Schlafstörungen, verbunden mit Atemnot und Schweißausbrüchen. Durch Psychotherapie mit Unterstützung von Psychopharmaka und Antidepressiva verbesserte sich ihr Zustand. Die Depressionen waren insbesonders 1995 und 1996 ein tragendes Problem. Das auf die Verletzungen zurückzuführende Psychosyndrom kann schwere depressive Manifestationen und Färbungen annehmen und auch zum Suizid führen.

Am 18.11.1994 schloß die Klägerin mit einem Partnervermittlungsinstitut einen "Dienstleistungsvertrag", um auf diesem Weg einen Partner zu finden; dafür zahlte sie S 27.000. Dies war noch zu einer Zeit, als das depressive Erscheinungsbild noch nicht zum Tragen gekommen war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie auch noch genügend Kontakte zu Freunden und sonstigen Bekannten. Durch dieses Vermittlungsinstitut lernte sie auch einen Partner kennen, zu dem sie allerdings wegen ihrer depressiven Verstimmungen nur noch eingeschränkt Kontakt hat.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von S 238.650,80 sA, darin enthalten die Zahlung von S 27.000,-- an den Partnerring. Die Anknüpfung partnerschaftlicher Kontakte sei ihr aufgrund ihrer Verunstaltungen, ihrer Beschwerden und des defekten Erscheinungsbildes sehr schwer, weshalb sie die Leistungen des Partnerringes in Anspruch genommen habe. Dies habe ausschließlich dazu gedient, einen Ausgleich für die negativen Wirkungen des äußeren Erscheinungsbildes zu schaffen. Es handle sich um Kosten eines Versuches zur Beseitigung unfallsbedingter Nachteile und daher um einen zu ersetzenden positiven Schaden.

Die beklagte Partei wendete ein, es seien alle Ansprüche der Klägerin durch den Vergleich endgültig bereinigt worden, der Betrag von S 27.000 für Leistungen des Partnervermittlungsinstitutes sei durch die im Vergleichsbetrag enthaltene Verunstaltungsentschädigung von S 200.000 abgegolten worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich des Betrages von S 211.361,30 sA statt, das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 27.289,50 (darin enthalten die Kosten für den Partnerring) wurde abgewiesen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht zur Abweisung des Begehrens auf Ersatz der Kosten des Partnerringes die Ansicht, es könne nicht ohne weiteres gesagt werden, daß die Klägerin ohne verletzungsbedingte Folgen jedenfalls einen Partner gefunden hätte, weshalb sie entsprechende Dienstleistungen andernfalls nicht in Anspruch hätte nehmen müssen. Um sich aber einen Ausgleich für einen nicht mehr vorhandenen Freundes- und Bekanntenkreis zu schaffen, sei die Aufwendung eines Betrages von S 27.000 nicht notwendig gewesen.

Die klagende Partei bekämpfte dieses Urteil im Umfang der Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 27.000 sA, die beklagte Partei im Umfang des Zuspruches eines Betrages von S 200.000 sA.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Umfang der Abweisung des auf Zahlung von S 27.000 sA gerichteten Begehrens als Teilurteil und sprach aus, die Revision sei jedenfalls unzulässig. In seinem klagsstattgebenden Teil wurde das Ersturteil im Umfang der Anfechtung aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Zur Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 27.000 führte das Berufungsgericht aus, die Notwendigkeit einer Inanspruchnahme eines Partnervermittlungsinstitutes ergebe sich nicht zwingend aus einer unfallsbedingten Vermehrung der Bedürfnisse, weil mangels konkreter Anhaltspunkte nicht ohne weiteres gesagt werden könne, daß die Klägerin ohne die verletzungsbedingten Folgen jedenfalls einen Partner gefunden hätte. Um sich einen Ausgleich für einen nicht mehr vorhandenen Freundes- und Bekanntenkreis zu schaffen, sei die Aufwendung des Betrages von S 27.000 nicht notwendig.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Begehren auf Zahlung von S 27.000 sA stattgegeben werde.

Die beklagte Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels vertritt die Klägerin die Ansicht, daß die von ihr erhobenen mehreren Forderungen gemäß § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen seien. Es seien auch die Revisionsvoraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO gegeben, weil die Lösung der Frage, ob eine physisch und psychisch schwer verletzte und verunstaltete Frau aus dieser Beeinträchtigung heraus die Kosten einer Partnerschaftsvermittlung als Schadenersatz geltend machen könne, von erheblicher Bedeutung sei.

Rechtliche Beurteilung

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend:

Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie dann einen einheitlichen Streitgegenstand - und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes -, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 502). Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision sind demnach mehrere Ansprüche dann zusammenzurechnen, wenn sie in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang im Sinne des § 55 Abs 1 Z 1 JN stehen, weil diese Bestimmung gemäß § 55 Abs 5 JN auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgeblich ist (EvBl 1997/111; 4 Ob 421/95; SZ 63/188 uva).

Mehrere Ansprüche stehen in tatsächlichem Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können; wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne daß noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 55 JN mwN; EvBl 1997/111; 4 Ob 521/95 ua). Nach einhelliger Lehre (Mayr, aaO, Rz 2 zu § 55 JN; Fasching I 344) und Rechtsprechung (EFSlg 36.774; SVSlg

33.442) stehen mehrere Schadenersatzansprüche aus demselben Unfall in einem derartigen Zusammenhang, weshalb sie zusammenzurechnen sind. Der Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz übersteigt sohin den Betrag von S 50.000. Daß über diesen Streitgegenstand zum Teil mit Aufhebungsbeschluß entschieden wurde, ändert daran nichts, weil die Revisionszulässigkeit von dem gesamten Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes abhängt, wozu auch der Wert des Gegenstandes gehört, über den das Berufungsgericht mit Aufhebungsbeschluß entschieden hat (4 Ob 9/97w; 5 Ob 511/93 jeweils mwN).

Der Ausspruch des Berufungsgerichtes, die Revision gegen das Teilurteil sei jedenfalls unzulässig, ist daher unrichtig. Vielmehr liegt aus den von der klagenden Partei dargelegten Gründen eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor, weshalb das Rechtsmittel der Klägerin zulässig ist.

Es ist jedoch nicht berechtigt. Die Klägerin vertritt die Ansicht, es könne nicht darauf ankommen, ob sie die Dienstleistungen des Partnervermittlungsinstitutes zu einem Zeitpunkt in Anspruch nahm, als sie noch nicht an Depressionen litt und ausreichend Kontakt zu Freunden und sonstigen Bekannten hatte. Es sei ihr ja mehr als um den Kontakt zu Freunden und sonstigen Bekannten gegangen; ein solcher Kontakt sei etwas anderes als ein Partner, den sie durch das Institut auch gefunden habe. Daß sie derzeit aufgrund ihrer Depressionen häufig nicht fähig sei, diesen Partner zu treffen, sei unbeachtlich. Durch die schrecklichen Unfallsfolgen habe sich eine subjektive und objektive Minderung (der Fähigkeit), einen Partner zu finden, ergeben. Sie sei im Rahmen ihrer schadenersatzrechtlichen Ansprüche berechtigt, Auslagen für Maßnahmen, die der Heilung oder Linderung ihres nachteiligen Zustandes dienen könnten, vom Schädiger zu verlangen.

Hiezu wurde erwogen:

Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch handelt es sich um einen solchen auf Verunstaltungsentschädigung im Sinne des § 1326 ABGB. Nach dieser Bestimmung ist auf den Umstand, daß eine Person infolge einer Verletzung verunstaltet worden ist, insofern "Rücksicht" zu nehmen, als ihr besseres Fortkommen dadurch verhindert werden kann. Insbesonders besteht ein Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung bei einer Verminderung der Heiratsaussichten. Wenn nun die Klägerin im vorliegenden Fall die Kosten für die Inanspruchnahme eines Partnervermittlungsinstitutes begehrt, macht sie eine konkret berechnete Verunstaltungsentschädigung geltend. Sie hat aber bereits in ihrer früheren Klage eine - abstrakt berechnete - Verunstaltungsentschädigung begehrt und wurde darüber ein Vergleich mit der beklagten Partei abgeschlossen, dessen Erfüllung nicht zu bezweifeln ist. Sie kann nun nicht neben und zusätzlich zu der bereits abstrakt zugesprochenen Verunstaltungsentschädigung auch noch einen konkret berechneten Schaden wegen Verhinderung des besseren Fortkommens erfolge der verminderten Fähigkeit, über Partner zu finden, ersetzt verlangen.

Die Vorinstanzen haben deshalb zu Recht das Begehren der Klägerin auf Ersatz der Kosten des Partnervermittlungsinstitutes abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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