Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Walter R***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 6.April 1996 in Judenburg seinen Schwiegervater Erwin S***** durch vier Revolverschüsse tötete.
Die Geschworenen hatten die Hauptfrage nach Mord stimmenmehrheitlich bejaht und demgemäß die Eventualfragen nach absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB) und nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB) unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Unrecht wendet der Angeklagte in seiner dagegen allein aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ein, nach seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung wäre auch eine Eventualfrage nach § 76 StGB in das Fragenschema aufzunehmen gewesen.
§ 314 Abs 1 StPO verpflichtet den Schwurgerichtshof nur dann zur Stellung einer Eventualfrage, wenn die in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen geeignet sind, dem Sachverhalt, der den Gegenstand der Hauptfrage bildet, eine andere - nicht mit strengerer Strafe bedrohte - juristische Gestaltung zu geben (Mayerhofer StPO4 § 314 E 36,37).
Diese Voraussetzung trifft im konkreten Fall nicht zu.
Der gegenüber Mord privilegierte Tatbestand des Totschlages ist dadurch charakterisiert, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt.
Wesentliche Tatbestandsvoraussetzung bildet somit nicht nur das Handeln in einer Spontanreaktion während eines hochgradigen, verstandesmäßige Erwägungen ausschaltenden Erregungszustandes (Leukauf/Steininger Komm3 RN 7 f; Mayerhofer/Rieder StGB4 E 3 f; Kienapfel BT I3 RN 17 f, jeweils zu § 76), sondern darüber hinaus dessen allgemeine Begreiflichkeit. Dieses Kriterium ist nur dann erfüllt, wenn unter Anlegung eines objektiv-normativen Maßstabes der für den Tatentschluß kausale tiefgreifende Affekt auf Ursachen zurückgeht, die es für einen durchschnittlich rechtstreuen Menschen vorstellbar machen, in der betreffenden Situation ebenfalls in einen derartigen psychischen Zustand zu geraten. Das Verhältnis von Anlaß und Gemütsreaktion unterliegt dabei insofern einer rechtsethischen Bewertung, als die seelische Ausnahmesituation sittlich verständlich sein muß. Allgemeine Begreiflichkeit kommt demnach nur in Betracht, wenn dem Täter kein sittlicher Vorwurf gemacht werden kann, in diese Gemütsverfassung geraten zu sein. Sie darf daher nicht in seinem abnormen Charakter, in Stimmungslabilität, leichter Erregbarkeit, mangelnder Beherrschung oder sonstigen verwerflichen Neigungen begründet sein (Leukauf/Steininger aaO RN 11 f, Kienapfel aaO RN 26 f, Moos im WK § 76 Rz 29 f).
Nach der Verantwortung des Beschwerdeführers ist schon die von § 76 StGB primär vorausgesetzte heftige Gemütsbewegung nicht indiziert.
Zwar befand er sich zur Tatzeit zufolge der mit dem (jedenfalls auch auf seine eingestandenen - 233, 253/III - Alkoholprobleme zurückzuführenden) Scheitern seiner Ehe verbundenen Umstände (Auszug seiner Gattin aus der ehelichen Wohnung in das Haus ihrer Eltern; Einbringung wechselseitiger Scheidungsklagen; ungeklärte Unterhaltsan- sprüche) in einer familiären Krisensituation.
Dessen ungeachtet lag jedoch - auch nach der der Angeklagtenverantwortung folgenden psychiatrischen Expertise des gerichtlichen Sachverständigen Dr.N***** (121 f, 325/III) - kein akut durchbrechendes hochgradiges Affektgeschehen im Sinne eines unsteuerbaren Erregungszustandes vor. Mag dieser auch ein planvolles Handeln in Ausnahmefällen nicht ausschließen (Leukauf/Steininger aaO RN 9), sprechen die Umstände des Einzelfalles gegen einen tatauslösenden massiven Affekt im Sinne des § 76 StGB: Dazu zählt nicht nur das wochenlange Führen von zwei geladenen Faustfeuerwaffen zum "Selbstschutz" seit einer angeblichen wörtlichen Bedrohung durch Erwin S***** im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung, sondern auch das wiederholte Aufsuchen des Tatortes in nicht unbeträchtlichem Zeitintervall; vor allem aber deuten die vom Beschwerdeführer unternommenen Versuche, in das Haus seines Schwiegervaters zunächst durch Deponieren von persönlichen Gegenständen seiner Gattin und schließlich durch die Ankündigung zu gelangen, lediglich seinen dort befindlichen Hund abzuholen, deutlich mehr auf listiges als affektgesteuertes Verhalten hin (253 f/III iVm 37 f, 215 f/I; ON 17/II).
Selbst wenn man jedoch davon ausginge, daß eine heftige Gemütsbewegung des Angeklagten nach seiner Verantwortung dennoch im Bereich des konkret Möglichen gelegen wäre, hätte der Schwurgerichtshof die reklamierte Frage deshalb nicht in den Fragenkatalog einbeziehen dürfen, weil die Affektursachen nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung eine rechtliche Beurteilung als allgemein begreiflich nicht erlaubt hätten: Die vom Angeklagten angegebenen tatauslösenden Faktoren (teilweise Schuldzuweisung hinsichtlich des Fehlschlagens seiner Ehe an seinen Schwiegervater; Erkenntnis, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht Vater des während der Ehe geborenen Kindes zu sein; Erhalt der Scheidungsklage seiner Gattin am Tattag; angebliche fernmündliche Beschimpfungen durch diese; Aufhetzung gegen den Schwiegervater seitens seines Zechkumpanen Peter T*****; Alkohol- und Medikamentenbeeinträchtigung; behauptetes "totales Ausrasten" nach Erhalt eines Schlages ins Gesicht - 231 f, insbesondere 257 f, 263, 265, 341/III) lassen seine psychische Ausnahmesituation zunächst deshalb in sittlicher Hinsicht unverständlich erscheinen, weil die von ihm dabei ins Zentrum gerückte Untreue seiner Gattin im Hinblick darauf, daß er eigenen Angaben zufolge gemeinsam mit dieser des öfteren an Gruppensexveranstaltungen teilgenommen hatte und ihm die ungeklärte Vaterschaft zudem bereits seit längerem bekannt war, für die ethische Bewertung des Affekts bedeutungslos ist. Dazu kommt, daß er einige Zeit vor der Tat mit der Einbringung einer Scheidungsklage gegen seine Gattin selbst initiativ geworden war (227/I, 93, 247, 249/III).
Auch in den (in der Hauptverhandlung verlesenen - 337 f/III) Tatschilderungen im Rahmen seiner mehrfachen Einvernahmen im Vorverfahren, vor allem seiner Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter, wonach er die Schüsse gegen seinen (unbewaffneten) Schwiegervater "aus Angst" abgefeuert habe (ON 6, insbesondere 219 f/I), beschreibt der Beschwerdeführer keine Situation, die seine Gemütsbewegung allgemein begreiflich erscheinen ließe.
Im Falle des Handelns zur Abwehr eines - vermeintlichen oder tatsächlichen - Angriffes käme eine Tatbeurteilung nach § 76 StGB nur bei einem (Putativ-)Notwehrexzeß aus sthenischem Affekt in Betracht, weil dieser andernfalls (Handeln aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken) nach der gegenüber § 76 StGB spezielleren und weiterreichenden Bestimmung des § 3 Abs 2 StGB privilegiert wäre (Leukauf/Steininger Komm3 § 3 RN 95; Moos aaO Rz 11).
Auf eine Notwehrreaktion aus sthenischem Affekt (Wut, Rache, Streitlust) hat sich der Angeklagte niemals berufen; die Unterlassung von Zusatzfragen nach Notwehr oder Putativnotwehr wurde nicht geltend gemacht (Z 6).
Der behauptete Affekt könnte unter den vom Beschwerdeführer behaupteten Prämissen vielmehr nur auf die mit einer Ehescheidung üblicherweise verbundenen psychischen Belastungen zurückgeführt werden, auf Grund derer der Angeklagte die tatauslösende angebliche Mißhandlung durch seinen Schwiegervater - anders als ein Mensch durchschnittlicher Normtreue in seiner Situation - als einen besonders gravierenden Angriff empfunden und darauf mit überschießender Aggression reagiert hat. Er ist damit mangels eines adäquaten Anlasses bei wertender Betrachtung sittlich vorwerfbar (Mayerhofer/Rieder aaO E 10).
Der relevierte Alkohol- und Drogenkonsum hinwieder ist in der Regel nur Beschleuniger für ohnehin vorhandene Beweggründe; § 76 StGB könnte in diesem Zusammenhang nur dann angenommen werden, wenn der Affekt unabhängig davon allgemein begreiflich wäre (Moos aaO Rz 39).
Da für die Tatbestandsverwirklichung des Mordes kein vorgefaßter Tötungsvorsatz vorausgesetzt wird, sondern ein impulsiv entstandener Tatentschluß (im Affekt) ausreicht (Leukauf/Steininger aaO § 5 RN 22, § 75 RN 16), rechtfertigen die auf das Vorliegen einer Spontanhandlung abzielenden Beschwerdeargumente die reklamierte Fragestellung gleichfalls nicht.
Die weitgehend aus der Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers resultierenden Ursachen seiner Erregung sind mangels ethischer Verständlichkeit sohin rechtlich unbeachtlich. Damit war dem Schwurgerichtshof die Stellung einer Schuldfrage nach Totschlag verwehrt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte Walter R***** nach § 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das durch eine Vorstrafe wegen § 164 StGB sowie durch Alkohol- und Drogenmißbrauch belastete Vorleben des Angeklagten, die brutale und heimtückische, eine Gegenwehr des Opfers von vornherein ausschaltende Tatausführung sowie den Umstand als erschwerend, daß der Beschwerdeführer nach der Tat mehrere Personen durch die Abgabe von zwei weiteren Schüssen in das Wohnungsinnere extrem gefährdete; als mildernd berücksichtigte das Erstgericht demgegenüber keinen Umstand.
Der auf Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe gerichteten Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Die Strafzumessungsgründe bedürfen lediglich insoweit einer Korrektur, als weder eine nicht einschlägige Vorstrafe noch ein durch Alkohol- und Drogensucht belastetes Vorleben einen Erschwerungsgrund bildet. Derartige Umstände haben vielmehr bei Gewichtung der personalen Täterschuld im Rahmen der allgemeinen Strafbemessungsregel des § 32 Abs 2 StGB Berücksichtigung zu finden (Leukauf/Steininger Komm3 § 32 RN 8).
Daß sich Walter R***** unter dem Vorwand, seinen Hund abzuholen, Eingang in die Wohnung seines Schwiegervaters verschaffte, um diesen ohne die geringste Chance auf Verteidigung durch mehrere angesetzte Schüsse regelrecht zu liquidieren, er somit heimtückisch handelte (§ 33 Z 6 StGB), entspricht - ungeachtet seiner gegenteiligen, von den Geschworenen allerdings abgelehnten (siehe die Niederschrift, 399/III) Verantwortung - der Aktenlage (177 f, 179 f/I, ON 36/III).
Gleichfalls zu Recht wertete das Erstgericht den Umstand als erschwerend, daß sich der Angeklagte nach Tötung des Erwin S***** dazu hinreißen ließ, durch die Glasscheibe der bereits geschlossenen Wohnungseingangstür zwei Schüsse in Richtung des letzten Standortes seiner - zuvor auch mit dem Umbringen bedrohten - Gattin und deren Mutter abzufeuern (179, 183, 341 f, 355 f/I), kommt dieses Verhalten doch einem Mordversuch an diesen Personen bedenklich nahe.
Im Sinne der erstgerichtlichen Argumentation trifft es aber auch zu, daß der gegen den Beschwerdeführer gerichtete Vorwurf, sich vor der Tat in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt zu haben, angesichts seiner aktenkundigen, für das Scheitern seiner Ehe jedenfalls mitursächlichen Neigung zu Gewalttätigkeiten in alkoholisiertem Zustand (333 f/I, ON 18/II) schwerer wiegt als die dadurch bedingte verminderte Zurechnungsfähigkeit. Daß der Angeklagte insoweit vornehmlich von Barbara R***** belastet wird und die Gewaltakte bisher nicht öffentlich bekannt wurden, vermag daran nichts zu ändern.
Für die überdies als mildernd reklamierte Tatbegehung im Zustand einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung bleibt fallspezifisch - wie dargelegt - kein Raum.
Abgesehen davon, daß die weitere Behauptung, Walter R***** habe nach der Tat Andreas R***** ersucht, die Gendarmerie zu rufen, im Akt keine Deckung findet (S 389/I, ON 21/II), kommt dem Berufungswerber der Milderungsgrund der Selbststellung (§ 34 Z 16 StGB) schon deshalb nicht zugute, weil seine Festnahme zur damaligen Zeit bereits unmittelbar bevorstand.
Inwieweit das - im übrigen als solches gar nicht zu wertende - "Tatsachengeständnis" des Angeklagten im konkreten Fall wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen haben soll, läßt sich weder dem Berufungsvorbringen noch dem Akteninhalt entnehmen.
Mag sich Walter R***** in seinem schon Wochen vor der Tat latent vorhandenen (379/I) Plan, seinen Schwiegervater umzubringen, durch die negativen Äußerungen des Peter T***** möglicherweise auch bestärkt gefühlt haben (287 f/III), kann von einer Tatbegehung unter der Einwirkung eines Dritten (§ 34 Z 4 StGB) keine Rede sein. Dieser Milderungsgrund ist im Sinne der insoweit gebotenen teleologischen Reduktion nämlich nur dann anzunehmen, wenn die Art der Einwirkung auch einen maßgerechten Charakter zur Tat gedrängt hätte (Kunst im WK § 34 Rz 20). Dies kann hier wohl nicht mit Fug behauptet werden.
Da somit keine Milderungsgründe vorliegen, ist die begehrte Strafreduktion angesichts des außergewöhnlichen Gewichts der personalen Täterschuld nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.
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