OGH 8ObA276/97i

OGH8ObA276/97i16.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Kahler und Mag.Neugebauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1) Dipl.Ing. Franz K*****, Angestellter, ***** 2) Werner H*****, Angestellter, ***** 3) Ing. Rüdiger H*****, Angestellter, ***** 4) Herta H*****, Angestellte, ***** alle vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei S***** AG, ***** vertreten durch Dr.Heinz Kallan, Rechtsanwalt in Graz, und den auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Angestelltenbetriebsrat der S***** AG, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.April 1997, GZ 8 Ra 54/97s-23, womit infolge Berufung des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.Dezember 1996, 25 Cga 14/96g-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, dem Nebenintervenienten die mit S 11.880,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.980,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Sitz der Beklagten, die sich hauptsächlich mit dem Verkauf von Erdgas beschäftigt, ist seit jeher Graz. Dort ist die Hauptverwaltung (86 Dienstnehmer) und die erste Organisationsebene mit je einem Vorstand für den kaufmännischen und den technischen Bereich angesiedelt. Der technische Bereich gliedert sich auf der zweiten, zumindest teilweise in Graz tätigen Organisationsebene in die jeweils einem "Abteilungsleiter" unterstellten Bereiche "Betrieb", "Energie" sowie "Planung und Ausbau". Neben der Hauptverwaltung in Graz gibt es weitere Standorte in Bruck an der Mur (64 Dienstnehmer), Trieben (9 Dienstnehmer), Zeltweg (11 Dienstnehmer), Graz (25 Dienstnehmer) und Kindberg (19 Dienstnehmer). Die Tätigkeiten in Bruck sind wie folgt organisiert:

I. Dem in Graz befindlichen Bereich "Betrieb" sind unterstellt

A) der Bereich "Betrieb" unter dem Erstkläger ("Betriebsleiter" der dritten Organisationsebene), umfassend

a) nur für den Bereich Bruck die Verwaltung, Instandhaltung und den Betrieb des Niederdrucknetzes,

b) für die ganze Steiermark Bau, Wartung Instandhaltung und Betrieb von Druckregelstationen,

c) die Lastverteilung für die gesamte Steiermark

d) den Betrieb eines Funksystems zur Steuerung des Gasnetzes in der gesamten Steiermark;

B) der im In- und Ausland tätige, mit einem Labor, zwei

Massenspektrometern und mehreren Fahrzeugen ausgestattete Bereich "Umweltdiagnostik" unter einem "Betriebsleiter" der 3. Organisationsebene, dessen Tätigkeit in der Überprüfung und Herstellung der Dichtheit von Gas- und Ölleitungen besteht, wobei Anbotslegung, Auftragserteilung, Rechnungslegung und Nachkalkulation zum größten Teil in Bruck erledigt werden, während die Zahlungsbedingungen von Graz vorgegeben werden;

II. dem in Graz befindlichen Bereich "Energie" ist ein "Betriebsleiter" der 3. Organisationsebene unterstellt;

III. der Grazer Abteilung "Planung und Ausbau" ist ein der 4. Organisationsebene angehöriger Bauleiter unterstellt; die Tätigkeit dieses Bereiches besteht im Ausbau des Niederdrucknetzes für den Standort Bruck, das Hochdrucknetz wird von Graz aus repariert und ausgebaut.

IV. Der für den Bereich "Betrieb" zuständige "Abteilungsleiter", dem sämtliche Standorte in der Steiermark unterstehen, hat Büros in Graz und Bruck arbeitet aber vorwiegend im von einer Sekretärin betreuten Büro in Bruck.

V. Nur für den Bereich Bruck erfolgt im vorgegebenen Budgetrahmen die dem Standort obliegende Entscheidung über Anbotslegung, Auftragserteilung und Vertragsabschluß für Anschlüsse von Haushalten und Gewerbebetriebe; der Anschluß ganzer Städte oder Ortschaften sowie von Industriebetrieben wird - ebenso wie die Rechnungslegung - von Graz aus erledigt.

Die in Bruck tätigen Bereichsleiter haben die technischen Abläufe, die Dienst- und Urlaubspläne, die disziplinäre Aufsicht, die Genehmigung von bis zu 10 Überstunden monatlich, die Vereinbarung von Urlauben und die Entgegennahme von Krank- und Urlaubsmeldungen sowie von Ansuchen um Pflegefreistellungen zu besorgen. Die dazu nötigen Aufzeichnungen werden in Graz geführt, wo auch das übliche Ausmaß übersteigende Dienstfreistellungen gewährt werden.

Dienstvertragsabschlüsse und -lösungen erfolgen ebenfalls in Graz, wobei jedoch bei der Vorauswahl die in Bruck tätigen Bereichsleiter mitwirken. Deren finanzieller Verfügungsrahmen beträgt S 50.000,- pro Geschäftsfall; die Zahlungen erfolgen von Graz aus. Der Erstkläger verwaltet eine mit S 30.000,- dotierte Handkassa für kleinere Anschaffungen. Jeder Standort hat einen eigenen Briefkopf. Die von Bruck aus getätigten Dienstleistungen werden nach Kosten und Erträgnissen gesondert ermittelt. Die Bilanzen der Beklagten trennen Einnahmen und Kosten der einzelnen Standorte nicht. Zumindest der Bereich Umweltdiagnostik hat kein mit den anderen am Standort Bruck vertretenen Abteilungen gemeinsames Betriebsergebnis. Gemeinsam sind sämtlichen Betriebsbereichen in Bruck nur die Toilette, die Parkplätze und die Werkstatt.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß mangels Einheit der Organisation und eines einheitlichen Betriebszweckes der Standort Bruck als solcher weder als Betrieb iS § 34 Abs 1 ArbVG anzusehen, noch iS § 35 ArbVG einem selbständigen Betrieb gleichzustellen sei; da sowohl das Hauptbegehren als auch das Eventualbegehren nur den ganzen Standort zum Gegenstand hätten, sei die Frage ob die einzelnen in Bruck angesiedelten Bereiche in bezug auf Arbeitsverfahren und -ergebnis eine genügende Ge- schlossenheit, Einheitlichkeit und technische Unabhängigkeit von der Zentrale aufweisen, nicht zu prüfen. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es genügt, insofern auf die Richtigkeit der ausführlichen Begründung der Berufungsentscheidung zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht3 II 253; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht6 195; Cerny in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht II 146; Arb 10.016; 10.525; DRdA 1996/22 [Runggaldier] und 1995/7 [Gahleitner aaO, 18 ff] sowie ZfVB 1990/456 und 1992/1333) ist wesentliches Merkmal des Betriebsbegriffes die organisatorische Einheit, die in der Einheit des Betriebsinhabers, des Betriebszwecks und der Organisation zum Ausdruck kommen muß. Um von einem Betrieb als Bestandteil eines Unternehmens sprechen zu können, muß also einer organisatorischen Einheit ein gewisses Maß an Selbständigkeit, insbesondere in technischer Hinsicht, eingeräumt sein und ebenso muß das Ergebnis ihres Arbeitsvorganges eine, wenn auch beschränkte, Abgeschlossenheit oder Unabhängigkeit von anderen Betriebsvorgängen aufweisen (SZ 59/89; Arb 9453).

Im Hinblick auf die nur den gesamten Standort als solchen umfassenden Klagebegehren ist hier nicht zu beurteilen, ob einzelne der in Bruck angesiedelten Abteilungen der Beklagten ein ausreichendes Maß an Selbständigkeit und ein einheitliches, abgeschlossenes und von anderen Betriebsvorgängen unabhängiges Arbeitsergebnis aufweisen. Für den Standort Bruck in seiner Gesamtheit trifft dies jedenfalls nicht zu, weil an diesem Standort eine Fülle der verschiedenartigsten Funktionen angesiedelt sind, die mit jeweils völlig unterschiedlicher Selbständigkeit ausgestattet sind und keinen einheitlichen und abgeschlossenen Betriebszweck verfolgen, sondern - in unterschiedlicher Abhängigkeit von der Zentrale - unterschiedlichste Aufgabenstellungen verfolgen. Demgemäß kann für den Standort in seiner Gesamtheit weder von einer einheitlichen Organisation noch von einem einheitlichen Betriebszweck gesprochen werden. Die von den Revisionswerbern in zweiter Instanz begehrten Feststellungen stellen dieses Ergebnis - abgesehen davon, daß die in diesem Zusammenhang nur pauschal auf den Inhalt der Berufungsbeantwortung verweisende Revision insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist - nicht in Frage. Auch auf den optischen Eindruck des Standortes Bruck, auf dessen frühere ("historische") Funktionen und auf die Stellung des Erstklägers als "gewerberechtlicher Geschäftsführer des Standortes Bruck für die Gasverteilung von Erdgas und Flüssiggas" kommt es nicht an. Ebensowenig kann der Umstand, daß der für den Unternehmensbereich "Betrieb" zuständige "Abteilungsleiter" der 2. Organisationsebene vorwiegend in Bruck arbeitet, das Fehlen einer einheitlichen Organisation und eines einheitlichen Betriebszweckes des gesamten Standortes nicht ersetzen. Auch die Frage, ob - was niemand behauptet hat - der Standort Graz als eigener Betrieb anzusehen ist, ist für dieses Verfahren nicht entscheidend.

Die Meinung der Revisionswerber, der Entscheidung DRdA 1996/22 sei zu entnehmen, daß es für die Annahme der Betriebseigenschaft ausreiche, daß am Standort wenigstens ein Fachbereich unter einheitlicher Leitung einen selbständigen Betriebszweck verfolge, beruht auf einer Fehlinterpretation der genannten Entscheidung: Im Gegensatz zum hier zu beurteilenden Fall, in dem die Feststellung der Betriebseigenschaft des gesamten Standortes bzw. dessen Gleichstellung mit einem Betriebe begehrt wird, war Gegenstand der zitierten Entscheidung eine Klage auf Feststellung, daß an den betroffenen Standorten der damaligen Klägerin (überhaupt) keine weiteren Betriebe bestehen. Die Berechtigung dieses Begehrens hat der Oberste Gerichtshof mit der Begründung verneint, daß im Hinblick auf bestimmte an den einzelnen Standorten erbrachte selbständige Dienstleistungen jedenfalls in gewissen Bereichen an den betroffenen Standorten eigene Betrieb bestünden. Die damals nicht entscheidungswesentliche Frage, ob an den einzelnen Standorten jeweils nur ein oder mehrere Betriebe bestünden, wurde jedoch ausdrücklich offengelassen.

Ob die Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes über eine mögliche Konkurrenz zwischen den einzelnen in Bruck tätigen Bereichen zutreffen, braucht nicht geprüft zu werden; auch wenn dies nicht der Fall ist, ändert sich nichts daran, daß mangels einer einheitlichen Organisation und eines einheitlichen Betriebszweckes der Standort Bruck weder ein eigener Betrieb ist, noch einem solchen gleichgestellt werden kann.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG. Streitgenossenzuschlag steht dem Nebenintervenienten nur im Umfang von 20 % zu, weil ihm nur die Kläger, nicht aber die Beklagte gegenüberstehen (§ 15 RATG).

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