OGH 10ObS167/97z

OGH10ObS167/97z15.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wilhelm Hackl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Edeltrude F*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Brandstetter, Politzer & Pritz Partnerschaft KEG in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Gleitpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.Februar 1997, GZ 7 Rs 365/96i-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25.Juli 1996, GZ 27 Cgs 124/96i-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 13.2.1996 wurde der Antrag der am 18.6.1938 geborenen Klägerin vom 29.11.1995 auf Gewährung einer Gleitpension gemäß § 270 iVm § 253c ASVG abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien, weil die Klägerin neben der versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine weitere unselbständige Erwerbstätigkeit ausübe.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen rechtzeitigen Klage begehrt die Klägerin die Zuerkennung der Gleitpension ab 1.12.1995.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei vom 1.12.1995 bis zum 16.2.1996 bei der K***** GmbH ***** geringfügig beschäftigt gewesen. Aus diesem Grund bestehe für diesen Zeitraum kein Anspruch auf eine Gleitpension. Aufgrund eines seitens der Klägerin (vorsichtshalber) am 27.2.1996 gestellten Antrages auf Gleitpension werde ihr vorerst vorschußweise eine solche nunmehr ab 1.3.1996 gewährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß die Klägerin bei der Firma B***** GmbH mit einer Arbeitszeit von - ab 1.8.1995 - 20 Stunden pro Woche beschäftigt gewesen sei. Vom 27.11.1995 bis 16.2.1996 sei sie zusätzlich zu dieser Tätigkeit im eigenen Betrieb, der K***** GmbH *****, unselbständig erwerbstätig gewesen. Es stehe außer Streit, daß diese Beschäftigung geringfügig gewesen sei.

Diesen Sachverhalt qualifizierte das Erstgericht rechtlich dahin, daß die weitere Tätigkeit der Klägerin in der Zeit vom 27.11.1995 bis 16.2.1996 nach § 253c Abs 6 ASVG zum Entfall der Gleitpension für die Dauer dieser Tätigkeit führen müsse. Das Gesetz differenziere nicht nach der Geringfügigkeit der Beschäftigung, sondern ausschließlich danach, ob eine weitere versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit vorliege. Eine Gleitpension gebühre daher nicht, wenn am Stichtag mehrere versicherungspflichtige unselbständige Tätigkeiten ausgeübt würden, auch wenn die wöchentliche Arbeitszeit in Summe entsprechend reduziert worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Gehe man vom Wortlaut des § 253 c Abs 6 ASVG aus, dann sei dem Erstgericht beizupflichten, daß die Tätigkeit der Klägerin in der Zeit vom 27.11.1995 bis 16.2.1996 zum Entfall der Gleitpension für die Dauer dieser Tätigkeit führen müsse, weil diese dann nicht gebühre, wenn am Stichtag mehrere versicherungspflichtige unselbständige Tätigkeiten ausgeübt werden, auch wenn die wöchentliche Arbeitszeit in Summe entsprechend reduziert worden sei. Im übrigen sei der Beklagten zuzustimmen, daß es hier nicht um den Wegfall einer Gleitpension, sondern darum gehe, daß ein Anspruch auf eine solche gar nicht entstanden sei. Daß das Entgelt für die weitere Beschäftigung den Geringfügigkeitsbetrag nach § 5 Abs 2 lit c ASVG nicht überstiegen habe, sei irrelevant, weil die Klägerin im Rahmen dieser geringfügigen Beschäftigung eine weitere Arbeitstätigkeit verrichtet und dadurch zusammen mit ihrer Berufstätigkeit bei der B***** GmbH das Höchstmaß der wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 253 c Abs 1 Z 2 lit b ASVG überschritten habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Gleitpension (§ 253 c ASVG) wurde durch die 51.ASVG-Novelle BGBl 1993/335 (SRÄG 1993) eingeführt. Nach den Gesetzesmaterialien sollte bei Erreichen der Altersgrenze und Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253 b ASVG) in Hinkunft eine Wahlmöglichkeit geschaffen werden, anstelle der "Frühpension", neben der keine Erwerbstätigkeit (ausgenommen eine geringfügige) ausgeübt werden darf (Wegfallbestimmungen), eine Teilpension in Anspruch zu nehmen, neben der eine weitere Erwerbstätigkeit möglich ist. Diese Teilpension kann nach freier Wahl in der Höhe von 70 % oder 50 % einer zu diesem Zeitpunkt gebührenden Vollpension bei gleichzeitiger Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit in Anspruch genommen werden (EB zur RV 932 BlgNR 18.GP, 47). Dies wurde noch dahin verdeutlicht, daß die Gleitpension von jenen Versicherten in Anspruch genommen werden können soll, die die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253 b ASVG - mit Ausnahme der Stichtagsregelung - erfüllen (AB zur RV, 968 BlgNR 18.GP 4). Nach dem Wortlaut des § 253 c Abs 1 Z 1 ASVG hat demnach der Versicherte nach Vollendung des 60.Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres Anspruch auf Gleitpension, wenn die Voraussetzungen der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer - mit Ausnahme der Voraussetzung des Fehlens einer versicherungspflichtigen unselbständigen Erwerbstätigkeit am Stichtag - erfüllt sind (zu den weiteren Voraussetzungen nach Z 2 braucht vorerst nicht Stellung genommen zu werden). Eine der Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 253 b Abs 1 ist, daß der oder die Versicherte am Stichtag weder der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG, dem GSVG, dem BSVG und/oder dem FSVG unterliegt noch aus sonstigen selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeiten ein Erwerbseinkommen bezieht, welches das gemäß § 5 Abs 2 lit c ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt (Z 4). Damit wird klargestellt, daß eine sonstige selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit das Entstehen des Anspruchs auf vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer nicht hindert, wenn das Erwerbseinkommen die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 lit c ASVG nicht übersteigt. Als Zwischenergebnis läßt sich daher festhalten, daß die Beschäftigung der Klägerin vom 27.11.1995 bis 16.2.1996 mit einem die genannte Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigenden Entgelt ihren Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer nicht ausgeschlossen hätte.

Für den Anspruch auf Gleitpension ist hingegen das Fehlen einer versicherungspflichtigen unselbständigen Erwerbstätigkeit am Stichtag keine Voraussetzung, das heißt daß eine solche Tätigkeit mit gewissen Einschränkungen weiter ausgeübt werden kann: Nach § 253 c Abs 2 lit b ASVG muß bei der Antragstellung eine Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und einem künftigen Arbeitgeber nachgewiesen werden, durch die eine Teilzeitvereinbarung im Ausmaß von höchstens 28 Wochenstunden oder - im Fall einer Teilzeitbeschäftigung im letzten Jahr vor der Antragstellung - von höchstens 70 vH der zuletzt geleisteten Arbeitszeit während des Bezuges der Gleitpension ohne Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Mehrarbeit über die jeweiligen Höchstgrenzen hinaus festgelegt wird. Sonstige selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeiten mit einem die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden oder nicht übersteigenden Einkommen sind im § 253 c ASVG nicht genannt; einer solchen Nennung bedurfte es auch deshalb nicht, weil die Gleitpension alle Voraussetzungen der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer voraussetzt, lediglich mit Ausnahme jener des Fehlens einer versicherungspflichtigen unselbständigen Erwerbstätigkeit am Stichtag. Der Gesetzgeber räumt dem Versicherten die Wahlmöglichkeit ein, entweder nach vollständiger Aufgabe der die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründenden Erwerbstätigkeit - selbst bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer geringfügigen Beschäftigung - die vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer oder nach entsprechender Teilzeitvereinbarung eine Gleitpension in Anspruch zu nehmen; eine allfällige, die vorzeitige Alterspension nicht ausschließende geringfügige Beschäftigung braucht auch im Fall der Gleitpension nicht aufgegeben zu werden. Ob eine Gleitpension dann nicht gebührt, wenn am Stichtag mehrere versicherungspflichtige unselbständige Erwerbstätigkeiten ausgeübt werden, auch wenn die wöchentliche Arbeitszeit in Summe entsprechend reduziert wurde (so die Empfehlung des Hauptverbandes zur 51.Novelle vom 1.7.1993, MGA-ASVG 61.ErgLfg Anm 4 zu § 253 c), braucht hier nicht erörtert zu werden, weil die Klägerin keine weitere "versicherungspflichtige" unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt: Die Klägerin ist nämlich gemäß § 5 Abs 1 Z 2 ASVG hinsichtlich ihrer geringfügigen Beschäftigung von der Pensionsversicherung ausgeschlossen, so daß es sich insoweit nicht um eine versicherungspflichtige unselbständige Erwerbstätigkeit handelt.

Dieses Ergebnis entspricht auch der Bestimmung des § 253 c Abs 6 ASVG, wonach die Gleitpension mit dem Tag wegfällt, an dem der oder die Versicherte eine die Versichungspflicht begründende selbständige Erwerbstätigkeit oder eine weitere die Versicherungspflicht begründende unselbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, die das Entstehen eines Anspruchs nach § 253 b Abs 1 Z 4 ausschließen würde. Da nach den obigen Darlegungen eine bloß geringfügige Erwerbstätigkeit (§ 5 Abs 2 lit c ASVG) das Entstehen eines Anspruchs nach § 253 b Abs 1 Z 4 ASVG nicht ausschließen würde, kann auch die Aufnahme einer solchen geringfügigen Beschäftigung nicht zum Wegfall der Gleitpension führen. Nur dann, wenn eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen wird, die das Entstehen eines Anspruchs nach § 253 b Abs 1 Z 4 ASVG ausschließen würde (die also über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 lit c liegen müßte), würde dies zu einem Wegfall der Gleitpension nach § 253 c Abs 6 ASVG führen.

Die gleichzeitige Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung ist nach dem bisher Gesagten für den Anspruch auf Gleitpension irrelevant. Da die Geringfügigkeit einer Beschäftigung nach § 5 Abs 2 ASVG ausschließlich nach dem daraus erzielten Entgelt definiert wird, kommt es auf die im Rahmen dieser geringfügigen Beschäftigung verrichtete Arbeitszeit nicht an. Es schadet daher nicht, daß die Vorinstanzen nicht festgestellt haben, wieviele Wochenstunden die geringfügige Beschäftigung der Klägerin in Anspruch nimmt. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß durch diese geringfügige Beschäftigung zusammen mit der übrigen Berufstätigkeit das Höchstausmaß der wöchentlichen Arbeitszeit überschritten werde, kann sich jedenfalls auf keine diesbezüglichen Feststellungen stützen. Darüber liegen auch weder Parteibehauptungen noch Beweisergebnisse vor.

Dem Argument der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung, jede Überschreitung der Höchstgrenzen des § 253 c Abs 2 ASVG würde den Anspruch auf Gleitpension ausschließen, dies müsse auch dann gelten, wenn die zur Überschreitung dieser Höchstgrenze führende, weitere Arbeitsleistung bei einem anderen Dienstgeber erbracht werde, weil andererseits der Gesetzeszweck umgangen werden könnte, ist entgegenzuhalten, daß die weitere bloß geringfügige Beschäftigung dem Anspruch auf Gleitpension schon deshalb nicht entgegensteht, weil sie auch dem Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nicht entgegensteht und hier nur verlangt wird, daß die die Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung begründende Erwerbstätigkeit entsprechend reduziert wird.

Aus all diesen Gründen folgt, daß der von den Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund nicht tragfähig ist. Die Sache ist aber nicht spruchreif, weil die übrigen in § 253 c ASVG normierten Voraussetzungen für den Anspruch der Klägerin auf Gleitpension nicht erörtert wurden. Dazu finden sich in den Entscheidungen der Vorinstanzen auch keine entsprechenden Feststellungen. Mangels Spruchreife waren daher die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG. Im Berufungsverfahren wurden von der Klägerin keine Kosten verzeichnet; diese unterlassene Kostenverzeichnung konnte auch im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden (§ 54 Abs 1 JN).

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