OGH 11Os149/97 (11Os150/97, 11Os151/97)

OGH11Os149/97 (11Os150/97, 11Os151/97)14.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Oktober 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter H***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 5.Juni 1996, GZ 15 Vr 1656/95-35, sowie die Beschlüsse des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.April 1997, GZ 37 BE 84/97-3 und des Oberlandesgerichtes Graz vom 15.Mai 1997, AZ 9 Bs 173/97, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Plöchl, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5.Juni 1996, GZ 15 Vr 1656/95-35, und die Beschlüsse des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.April 1997, GZ 37 BE 84/97-3, und des Oberlandesgerichtes Graz vom 15.Mai 1997, AZ 9 Bs 173/97, wurde das Gesetz in der Bestimmung des § 1 Abs 4 TilgG verletzt.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO werden das - im übrigen unberührt bleibende - Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt in den auf § 12 Abs 3 und Abs 5 SGG gestützten Strafaussprüchen sowie die Beschlüsse des Landesgerichtes Klagenfurt und des Oberlandesgerichtes Graz zur Gänze aufgehoben, und es wird dem Landesgericht Klagenfurt aufgetragen, die Strafe ohne Berücksichtigung der (getilgten) Verurteilung des Walter H***** durch das Tribunal de Grande Instance Paris vom 8.Oktober 1979, AZ 75056, neu zu bemessen und gemäß § 265 StPO über die bedingte Entlassung neu zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5.Juni 1996, GZ 15 Vr 1656/95-35, wurde Walter H***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG schuldig erkannt und ua gemäß § 12 Abs 3 SGG zu einer Freiheitsstrafe von 27 Monaten sowie nach § 12 Abs 5 SGG zu einer Geldstrafe von 2 Mio S, im Fall der Uneinbringlichkeit 10 Monate Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht ua eine einschlägige Vorverurteilung als erschwerend. Dabei ging es von der Strafregisterauskunft vom 9. Oktober 1995 aus, nach der Walter H***** mit Urteil des Tribunal de Grande Instance Paris vom 8.Oktober 1979, AZ 75056, wegen Vergehens nach dem Betäubungsmittelgesetz zu drei Jahren Haft verurteilt und am 9. Jänner 1980 aus dieser Strafe bedingt entlassen worden war (S 21/II). Die Strafe war jedoch mittlerweile am 22.November 1995 im österreichischen Strafregister getilgt worden. Eine neue Strafregisterauskunft, aus der die Tilgung hervorgegangen wäre, holte der Vorsitzende nicht ein.

Mit Beschluß vom 21.April 1997, GZ 37 BE 84/97-3, lehnte das Landesgericht Klagenfurt als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Walter H***** gemäß § 46 Abs 1 StGB ua aus spezialpräventiven Erwägungen ab, die es auch auf die erwähnte Vorverurteilung stützte. Es ging dabei offensichtlich von der im Akt befindlichen Strafregisterauskunft vom 16.Oktober 1995 aus, wogegen es die neu eingeholte Strafregisterauskunft vom 7.April 1997 - in der die genannte Verurteilung nicht mehr aufschien - außer acht ließ.

Der gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde des Verurteilten gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 15.Mai 1997, AZ 9 Bs 173/97 (GZ 37 BE 84/97-6 des Landesgerichtes Klagenfurt), nicht Folge, wobei es bei seinen spezialpräventiven Bedenken gleichfalls die erwähnte Vorverurteilung berücksichtigte.

Diese Entscheidungen stehen, wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Ist eine Verurteilung getilgt, so gilt der Verurteilte fortan als gerichtlich unbescholten, soweit dem nicht eine andere noch ungetilgte Verurteilung entgegensteht (§ 1 Abs 4 TilgG). Tritt die Tilgung zwar nach Begehung einer neuerlichen Straftat, aber vor deren rechtskräftigen Aburteilung ein, so ist die wiedergewonnene Unbescholtenheit des Täters zufolge des eben erwähnten Gesetzesbefehls in jeder Lage des Verfahrens über die neue Tat zu beachten. Eine Tilgung vor Urteilsfällung in erster Instanz ist demgemäß vom erkennenden Gericht zu berücksichtigen. Aus der getilgten Verurteilung dürfen keine dem Täter nachteiligen rechtlichen Konsequenzen mehr abgeleitet werden (15 Os 204,205/96 = EvBl 1997/91).

Vorliegend hätte daher der Vorsitzende des Schöffengerichtes vor der Urteilsfällung eine neue Strafregisterauskunft einholen müssen, um die Frage der Tilgung der in der früheren Strafregisterauskunft aufscheinenden ausländischen Verurteilung verläßlich beurteilen zu können. Keinesfalls hätte die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung bereits getilgte Verurteilung bei der Strafbemessung Berücksichtigung finden dürfen. Die (im gesetzlichen Höchstmaß verhängte) kumulative Geldstrafe nach § 12 Abs 5 SGG ist grundsätzlich auch nach allgemeinen Strafzumessungskriterien zu bemessen (Foregger/Litzka SGG § 12 Erl X). Da angesichts der Strafzumessungserwägungen des Schöffensenates und derjenigen anläßlich der Entscheidungen über die bedingte Entlassung durch das Erst- und Beschwerdegericht eine Benachteiligung des Verurteilten durch die gesetzwidrig verwertete Vorstrafe nicht auszuschließen ist, waren das Ersturteil in den auf § 12 Abs 3 und Abs 5 SGG gestützten Strafaussprüchen und die Entscheidungen über die bedingte Entlassung aufzuheben und dem Erstgericht die Neubemessung der Strafe sowie die neuerliche Entscheidung über die bedingte Entlassung ohne Berücksichtigung der getilgten Verurteilung aufzutragen.

Stichworte