OGH 11Os88/97

OGH11Os88/9714.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Oktober 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert V***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 11.März 1997, GZ 24 Vr 1470/95-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Herbert V***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB (Punkt I des Urteilssatzes) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (V) sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (II), des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 erster Fall StGB (III) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 3 StGB (IV) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Feldkirch-Gisingen und in der Steiermark

(zu I) in mehreren Angriffen unmündige Personen, nämlich

1) von 1982 bis 1986 seine am 29.August 1975 geborene leibliche Tochter Eva V***** sowie

2) von 1982 bis zum 17.Juli 1985 seine am 17.Juli 1971 geborene Adoptivtochter Elke V*****

auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er sie jeweils an der Scheide und an den Brüsten betastete sowie einen Finger in ihre Scheide steckte,

(zu II) außer den Fällen des § 201 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sich im Zeitraum 1982 bis 1986 mehrfach zu seinen Töchtern Eva und Elke V***** ins Bett begab, sich auf sie legte und ihnen gewaltsam den Mund zuhielt, damit sie nicht schreien konnten, und nach Beugung des Widerstandswillens die zu I angeführten Unzuchtshandlungen vornahm;

(zu III) durch die unter I geschilderten Verhaltensweisen sein minderjähriges Kind und Wahlkind zur Unzucht mißbraucht;

(zu IV) andere am Körper verletzt, wobei er mindestens drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlaß und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat, nämlich

1) vom 1.März 1988 bis zum 7.November 1995 in zahlreichen Angriffen seine Ehegattin Katharina V***** und seine Schwiegermutter Erna K***** durch Versetzen von Schlägen und Fußtritten, sodaß sie Hämatome und Prellungen erlitten,

2) am 16.April 1994 seine Tochter Eva V***** durch Versetzen von Schlägen, sodaß sie mehrere Hämatome erlitt,

3) im Jahre 1989 oder 1990 seine Adoptivtochter Elke V***** durch Versetzen von Schlägen, sodaß sie Hämatome erlitt;

(zu V) anläßlich der zu I 1 und II geschilderten Taten seine Tochter Eva V***** durch Drohung mit dem Tode zu einer Unterlassung, nämlich davon Abstand zu nehmen, anderen über die Taten zu berichten, genötigt, indem er ihr erklärte, daß er alle umbringe, wenn sie jemandem davon erzähle.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Ausgehend davon, daß, wie der Beschwerde zuzugeben ist, die den Gegenstand der Urteilsfakten I bis III und V bildenden Straftaten allesamt verjährt wären, wäre die Verjährungsfrist nicht durch das Vergehen der schweren Körperverletzung (IV) in ihrem Fortlauf gehemmt worden (§ 58 Abs 2 StGB), richtet sich die Mängelrüge (Z 5) des Beschwerdeführers nur gegen den letztgenannten Schuld- spruch; indes ohne Erfolg.

Der Beschwerde zuwider sind die diesem Schuldspruch zugrundeliegenden Konstatierungen keineswegs undeutlich geblieben, hat das Schöffengericht doch mit mängelfreier Begründung die Feststellung getroffen, daß, wenngleich aufgrund der Vielzahl der Übergriffe des Angeklagten gegenüber seinen Familienangehörigen die einzelnen Tatzeitpunkte - mit Ausnahme des Schuldspruchfaktums IV 2 - nicht näher geklärt werden könnten, die ohne triftigen Grund mit äußerster Brutalität begangenen Gewaltakte sich während des mit 1.März 1988 bis 7. November 1995 festgelegten Tatzeitraumes jedenfalls "in kurzen Monatsabständen wiederholten, wobei als Hauptopfer die Ehegattin anzusehen ist" (US 17). Damit hat aber das Erstgericht die für die Annahme der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 3 StGB erforderliche Mindestanzahl von drei selbständigen, ohne begreiflichen Anlaß und unter Anwendung erheblicher Gewalt ausgeführten Taten auch in bezug auf den hier interessierenden Zeitraum (vom 1.März 1988 bis einschließlich 1991) unzweideutig festgestellt.

Der Einwand, im Zuge voller Berauschung begangene Taten (§ 287 StGB) seien zur Begründung des Tatbestandes nach § 84 Abs 3 StGB ebensowenig heranzuziehen wie Körperverletzungen, die zugleich mit der Begehung eines anderen Deliktes verübt werden und zufolge Konsumtion der nach der genannten Bestimmung erforderlichen Selbständigkeit entbehrten, negiert, daß derartige Fallkonstellationen nach den Urteilsfeststellungen nicht angenommen wurden und durch die Verfahrensergebnisse auch nicht indiziert sind.

Im Hinblick darauf erweist sich die weitere Beschwerdeargumentation zur Mängelrüge als unerheblich, weshalb auf sie nicht weiter einzugehen war.

Dem Beschwerdeeinwand der Verjährung (Z 9 lit b), den der Beschwerdeführer selbst zutreffend vom Entfall des Schuldpruches zu IV abhängig macht, ist damit der Boden entzogen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung folgt.

Der (auch in vereinzelten Entscheidungen vertretenen) Auffassung der Generalprokuratur, zwischen den Deliktsfällen des § 212 StGB, in denen das Opfer zur Unzucht mißbraucht wird, und Sexualdelikten, welche unter Brechung des dem sexuellen Mißbrauch entgegenstehenden Willens des Opfers begangen werden, komme echte Konkurrenz nicht in Betracht, (weshalb in bezug auf Punkt III des Schuldspruches die Ausübung der dem Obersten Gerichtshof nach § 290 Abs 1 StPO zustehenden Befugnis angeregt wurde), vermag sich der Senat nicht anzuschließen, stellt doch der Mißbrauch des durch besonderes Vertrauen und Verantwortung gekennzeichneten natürlichen oder rechtsgeschäftlichen Autoritätsverhältnisses ein zusätzliches Unrechtselement dar, das durch einen Schuldspruch allein wegen des Gewaltdeliktes nicht zur Gänze erfaßt werden kann (vgl RZ 1993/53, 11 Os 19/97).

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

Stichworte