OGH 15Os146/97

OGH15Os146/979.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Oktober 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dietmar W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 5.Juni 1997, GZ 13 Vr 485/97-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch III und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dietmar W***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (V) sowie der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (I), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II), der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (III) und der gefährliche Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (IV) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach hat er in Villach

I. am 24.Jänner 1997 Erna W***** durch die Äußerung, wenn sie die Scheidung nicht zurückziehe, dann passiere etwas, mithin durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von dem gegen ihn geführten Scheidungsverfahren, zu nötigen versucht;

II. am 24.Jänner 1997 Erna W***** durch Verdrehen ihres rechten Handgelenkes, was dessen Zerrung zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt;

III. am 24.Jänner 1997 Jacqueline K***** dadurch, daß er sie am rechten Oberarm erfaßte und zur Seite stieß, mißhandelt und hiedurch fahrlässig durch Zufügung einer Prellung des rechten Schultergelenkes am Körper verletzt;

IV. in der Zeit zwischen Anfang Februar und 16.April 1997 Erna W***** wiederholt durch die Äußerung, er werde sie umbringen, er werde sie mit einer Pistole erschießen, wenn sie sich mit einem anderen Mann einlasse, gefährlich mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

V. am 16.April 1997 außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Erna W***** durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Gewalt, indem er die Wohnungstür von innen absperrte, sie um die Mitte erfaßte, auf eine Couch warf, ihr die Jeans und die Unterhose gewaltsam herunterriß, sie mit den Knien fixierte, während er seinen Unterkörper entblößte, und sich anschließend auf sie legte, zur Duldung des Beischlafes genötigt.

Gegen dieses Urteil richtet sich eine auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; der Strafausspruch wird von ihm und der Staatsanwaltschaft mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Obwohl die Nichtigkeitsbeschwerde inhaltlich nur Ausführungen gegen die Schuldsprüche III (§ 83 Abs 2 StGB) und V (§ 201 Abs 2 StGB) enthält, erstrecken sich die Rechtsmittelanträge ("... das angefochtene Urteil aufzuheben ...") jeweils auf den gesamten Umfang der Schuldsprüche. Soweit die Beschwerde damit über die Bekämpfung der Schuldsprüche III und V hinausgeht, ist sie unzulässig, weil es ihr an der vom Gesetz vorausgesetzten deutlichen und bestimmten Bezeichnung von gesetzlichen Nichtigkeits- gründen mangelt und sie auch ausdrückliche oder doch durch deutliche Hinweisung angeführte Tatumstände vermissen läßt, die Nichtigkeitsgründe bilden sollen (§ 285 Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

In seiner Verfahrensrüge (Z 4) behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung von Verfahrensgesetzen und seiner Verteidigerrechte, weil der von ihm in der Hauptverhandlung vom 5.Juni 1997 gestellte Antrag auf Vernehmung des Zeugen Dr.Klaus U***** abgewiesen worden sei.

Inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolles wurde der angeführte Zeuge zum Beweis dafür geführt, "daß eine Untersuchung am 17.April 1997 ergeben hat, daß keine Verletzungen der Erna W***** vorlagen" (271).

Das Schöffengericht hat keine Feststellungen dahin getroffen, daß Erna W***** bei der Vergewaltigung am 16.April 1997 am Körper verletzt wurde; aus den Ausführungen zur Beweiswürdigung (US 9) ergibt sich sogar, daß es ohnedies im Sinne des verlesenen Befundes des Landeskrankenhauses Villach, der vom beantragten Zeugen verfaßt worden war (107 iVm 271), davon ausgegangen ist, daß Erna W***** an diesem Tag keine Verletzungen erlitten hat.

Soweit der Beschwerdeführer erst in der Rechtsmittelschrift das Beweisthema erweitert, kann dies keine Berücksichtigung finden, weil bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung dieses Antrages und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 40, 41).

Das Erstgericht hat daher bei Abweisung des Beweisantrages weder Gesetze noch Verfahrensgrundsätze verletzt oder Verteidigungsrechte beeinträchtigt.

Auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) betreffend den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB versagt.

Die Tatrichter gründen diesen Schuldspruch auf die ihnen glaubwürdig erscheinenden Angaben des Tatopfers; sie haben mit umfassender, logisch einwandfreier und den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechender Begründung (§ 258 Abs 2 StPO) dargetan, warum sie dieser Aussage gefolgt sind und die leugnende Verantwortung des Angeklagten abgelehnt haben (US 9 ff).

Die Beschwerde behauptet lediglich unter Hinweis auf einzelne Teile der Aussage der Zeugin W***** (ohne den Gesamtzusammenhang zu beachten), daß deren Angaben nicht nachvollziehbar seien und daß sich daher daraus erhebliche Bedenken gegen die vom Schöffengericht getroffenen Feststellungen ergeben würden.

Damit unternimmt der Rechtsmittelwerber aber nur den unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach Art einer Schuldberufung in Frage zu stellen. Daß aus den Beweisergebnissen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse möglich gewesen wären, ist für sich nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Feststellungen über entscheidende Tatsachen darzulegen (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 a E 16 und 17).

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die (kontradiktorische) Vernehmung der Erna W***** sei zu wenig "eingehend" ausgefallen, ist ihm zu erwidern, daß es ihm und seinem Verteidiger freigestanden wäre, weitere für erforderlich gehaltene Fragen zu stellen oder Vorhalte zu machen.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetze gemäß ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO zurückzuweisen.

Berechtigung kommt allerdings der Tatsachenrüge insoweit zu, als sie den Schuldspruch III wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB unter Hinweis auf mangelhafte Beweisergebnisse und der Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung bekämpft.

Hiezu stellte das Erstgericht fest, daß der Angeklagte am 24.Jänner 1997 die zufällig in der Wohnung seiner Gattin anwesende fünfjährige Jacqueline K*****, die ihm "offensichtlich" im Weg war, so fest am Oberarm erfaßte bzw zur Seite stieß, daß sie eine Prellung des rechten Schultergelenkes erlitt (US 5).

In der Beweiswürdigung führte es hiezu an, daß die verletzte Jacqueline K***** ihrer Großmutter Anna Luise K***** und Erna W***** erklärt habe, "der Mann" habe ihr wehgetan. Zu diesem Zeitpunkt sei nur der Angeklagte in der Wohnung gewesen. Die Prellung des rechten Schultergelenkes sei im LKH Villach festgestellt worden (US 8/9). Daher erachteten die Tatrichter die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt.

Wie die Beschwerde richtig aufzeigt, wurde der Vorfall anläßlich der Vernehmung von Erna W***** vor der Polizei bekannt (16). Dabei hat die Zeugin zwar angegeben, Jacqueline K***** habe ihr und ihrer Großmutter erzählt, daß ihr "der Mann" wehgetan habe, aber gleichzeitig deponiert, ihr sei nicht aufgefallen, daß Jacqueline K***** im Vorzimmer (also in der Nähe des Angeklagten) gewesen sei. Sie könne daher nicht mit Sicherheit angeben, daß das Kind von ihrem Mann verletzt worden sei. Dazu kommt, daß nach dieser Aussage im Tatzeitpunkt auch der 17jährige Dietmar W***** in der Wohnung anwesend war.

In der Hauptverhandlung hat lediglich Michael W***** hiezu berichtet, daß (am Tattag) die kleine Jacqueline auf dem Schoß seiner Schwester gesessen sei und geweint habe. Angeblich solle sie sein Vater gestoßen haben. Gesehen habe dies niemand (269).

Weitere Beweisergebnisse liegen zu diesem Vergehen bisher nicht vor.

Auf Grund der zitierten Aussagen bestehen tatsächlich erhebliche Bedenken gegen die Feststellung, der Angeklagte habe Jacqueline K***** am rechten Oberarm erfaßt, sie zur Seite gestoßen und ihr dadurch fahrlässig eine Prellung des rechten Schultergelenkes zugefügt, da dieses Tatverhalten im Beweisverfahren keine ausreichende Deckung findet und das Erstgericht unter Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung weitere Beweisaufnahmen zur Klärung dieses Tatvorwurfes unterlassen hat.

In diesem Umfang liegt daher der aufgezeigte Nichtigkeitsgrund vor. Da sich hiezu eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden läßt, war der Schuldspruch III und damit auch der Strafausspruch gemäß § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen demgemäß auf diese Entscheidung zu verweisen.

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