Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 1.6.1950 geborene Klägerin, die sich seit 1973 in Österreich aufhält, hat hier als Industriearbeiterin, Stubenmädchen und Reinigungskraft gearbeitet, zuletzt (vier Jahre lang) nur in 5-stündiger Teilzeitbeschäftigung. Aufgrund verschiedener leidensbedingter Zustände kann sie nur noch leichte und für die Hälfte der Arbeitszeit mittelschwere Arbeiten verrichten. Die Tätigkeiten müssen von geistig einfacher, leicht überschaubarer Natur sein. Arbeiten in ständiger Bückstellung oder mit häufigem Bücken scheiden aus, ebenso Fließbandarbeiten mit ständig vorgeneigter Körperhaltung. Eine durchgehend stehende Tätigkeit soll 1 1/2 Stunden nicht überschreiten, dann muß die Klägerin für etwa 20-30 Minuten sitzen können. Eine Arbeitszeit von maximal 6 Stunden täglich ist ihr zumutbar. Nach einer durchgehenden Arbeitszeit von 3 Stunden soll sie die Möglichkeit haben, etwa 15-20 Minuten lang eine entspannende Tätigkeit durchzuführen. Das Heben und Tragen von Lasten ist bis 6 kg, fallweise auch bis 12 kg möglich. Arbeiten unter Zeitdruck und mit erhöhter Lärmbelastung sind nicht mehr zumutbar.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab 1.7.1995 ab. Es führte aus, die gemäß § 255 Abs 3 ASVG auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Klägerin könne mit dem verbleibenden Leistungskalkül noch auf die Teilzeitbeschäftigungen einer Abwäscherin oder einer Bürodienerin verwiesen werden, sodaß Invalidität nicht vorliege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.
Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Klägerin nur, daß keine Feststellungen über den konkreten Inhalt ihrer verschiedenen Berufstätigkeiten getroffen worden seien, weshalb nicht beurteilt werden könne, ob Berufsschutz vorliege. Damit werden aber keine Verfahrensmängel, sondern der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Feststellungsmängel geltend gemacht, sodaß insgesamt nur eine Rechtsrüge vorliegt.
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache führt die Klägerin zunächst aus, es könne nicht beurteilt werden, ob sie Berufsschutz genieße, weil ihre Berufstätigkeit inhaltlich nicht überprüft worden sei. Die Feststellung, sie sei als Industriearbeiterin, Stubenmädchen und Reinigungskraft tätig gewesen, sage nämlich über Art, Umfang und Dauer ihres Aufgabenbereiches zuwenig aus.
Der Revisionswerberin ist insoweit beizupflichten, daß die Klärung der Frage, ob ein Versicherter Berufsschutz genießt, in allen Fällen, in denen - ausgehend vom Bestehen eines Berufsschutzes - die Verweisbarkeit in Frage gestellt ist, eine unabdingbare Entscheidungsvoraussetzung darstellt. Wenn nach dem Inhalt des Prozeßvorbringens hierüber keine Klarheit besteht und nach der Aktenlage nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden kann, daß die Klägerin als einfache Hilfsarbeiterin tätig war, hat das Gericht aufgrund der Bestimmung des § 87 Abs 1 ASGG diese Frage von amtswegen zu prüfen und hierüber Feststellungen zu treffen (SSV-NF 4/119, 3/136 ua). Insoweit wäre für die Klägerin nicht nachteilig, daß sie bisher weder in erster Instanz noch in der Berufung ausdrücklich Berufsschutz geltend gemacht hat, sondern sich erstmals in der Revision auf die Ausübung angelernter Berufe bezog.
Ein angelernter Beruf im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG liegt vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Berufe gleichzuhalten sind. Es bedarf keiner näheren Begründung, daß die von der Klägerin ausgeübten Berufe eines Zimmermädchens und einer Reinigungskraft nicht als angelernte Berufe in diesem Sinne gesehen werden können. Unklar ist lediglich der Aufgabenbereich einer Industriearbeiterin, weil damit nichts über die Qualifizierung dieser Arbeiten ausgesagt ist. Dennoch bedarf es aber darüber keiner ergänzenden Feststellungen, weil nach § 255 Abs 1 ASVG erfordert wird, daß der Versicherte überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig sein muß, um Berufsschutz beanspruchen zu können und weil nach § 255 Abs 2 ASVG als überwiegend im vorgenannten Sinn nur solche erlernte oder angelernte Berufstätigkeiten gelten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden. Aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin ergibt sich, daß sie in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag, also seit 1.7.1980 längstens vier Jahre Industriearbeiterin war, während sie die übrige Zeit als Stubenmädchen und Reinigungskraft in Beschäftigung stand. Selbst wenn daher ihre Tätigkeit als Industriearbeiterin qualifiziert im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG gewesen wäre, könnte sie deshalb nicht zu einem Berufsschutz führen, weil sie nicht überwiegend im definierten Sinn ausgeübt worden wäre. Aus diesem Grund ist ein Berufsschutz der Klägerin von vornherein zu verneinen.
Der weiteren Rüge, die Anforderungen in den Verweisungsberufen und die Zahl der Arbeitsstellen seien nicht ausreichend festgestellt worden, ist entgegenzuhalten, daß mit Rücksicht auf die weitgehend unter den Augen der Öffentlichkeit ausgeübten Berufe diese Umstände offenkundig sind und daher nicht gesondert festgestellt werden mußten. Abgesehen davon, daß die Klägerin in den letzten vier Jahren als Reinigungskraft in einer 5-stündigen Teilzeitbeschäftigung gearbeitet hat, steht auch der Umstand, daß ihr eine längere Arbeitszeit als täglich 6 Stunden nicht zumutbar ist, einer Verweisung nicht entgegen (SSV-NF 7/126 = SZ 66/184 = JBl 1994, 425 = ZAS 1995, 199 = DRdA 1994, 516 ua).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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