OGH 10ObS274/97k

OGH10ObS274/97k30.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Gerhard Puschner und MR Dr.Richard Warnung (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 16.4.1996 verstorbenen Friederike P*****, zuletzt Pensionistin, ***** vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeldes, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Juni 1997, GZ 8 Rs 90/97k-20, womit infolge Rekurses des erblasserischen Sohnes Josef P***** der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 19.März 1997, GZ 32 Cgs 35/96w-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Die am 12.4.1905 geborene Versicherte Friederike P***** bezog seit 1994 von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 5. Ein am 28.8.1995 eingebrachter Erhöhungsantrag wurde mittels Bescheid der Beklagten vom 20.9.1995 abgelehnt. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 17.1.1996 wurde ein weiterer Antrag der Klägerin vom 22.12.1995 auf Erhöhung des Pflegegeldes mit der Begründung zurückgewiesen, seit Rechtskraft des zuletzt ergangenen Bescheides sei noch kein Jahr verstrichen und eine wesentliche Änderung der Anspruchsvoraussetzungen sei nicht bescheinigt.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage, die beim Erstgericht am 31.1.1996 einlangte, begehrte die versicherte Friederike P***** die Erhöhung des ihr gebührenden Pflegegeldes ab 1.12.1995 auf ein solches der Stufe 7 in eventu der Stufe 6.

Die Beklagte beantragte diese Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens verstarb die Versicherte Friederike P***** am 16.4.1996. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 29.4.1996 wurde daraufhin die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 76 ASGG ausgesprochen.

Mit Schriftsatz vom 20.1.1997, beim Erstgericht eingelangt am 21.1.1997, beantragte der Sohn der Verstorbenen Josef P***** "für die verstorbene Friederike P*****" die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens. Zur Begründung führte er aus, er sei mit Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 10.4.1996 zum Sachwalter seiner Mutter bestellt worden; seine Aufgabenbefugnis habe sich auf deren Vertretung im anhängigen Pflegegeldverfahren bezogen. Er habe mit der Mutter zur Zeit ihres Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt und sie auch gepflegt, weshalb er berechtigt sei, die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens gemäß § 76 Abs 2 ASGG zu beantragen.

In der daraufhin durchgeführten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 24.2.1997 hielt die Beklagte dem Aufnahmeantrag entgegen, daß er nicht innerhalb von 6 Monaten nach dem Tode der Anspruchsberechtigten gestellt und daher als verspätet zurückzuweisen sei. Daraufhin erwiderte Josef P*****, selbst wenn er als Pflegeperson die 6-monatige Frist versäumt habe, so sei er doch als Erbe nach § 19 Abs 3 BPGG fortsetzungsberechtigt.

Das Erstgericht wies daraufhin den Fortsetzungsantrag als verspätet zurück. Gemäß § 19 Abs 3 ASGG könnten während eines anhängigen Gerichtsverfahrens über die Höhe oder Zuerkennung des Pflegegeldes vorerst jene Personen, die den Pflegebedürftigen in dem Zeitraum, für den die fällige Geldleistung gebühre, überwiegend und ohne angemessenes Entgelt gepflegt hätten, das Verfahren fortsetzen. Überdies könnten auch der Nachlaß bzw die Erben einen Fortsetzungenantrag stellen, wobei dieser Antrag aber binnen 6 Monate nach dem Tod des Anspruchsberechtigten zu stellen sei. Josef P***** habe sowohl als Pflegeperson wie auch als Erbe die 6-monatige Ausschlußfrist, die am 16.10.1996 geendet habe, bei weitem überschritten, weshalb sein Antrag zurückzuweisen sei.

Das Rekursgericht gab dem von Josef P***** erhobenen Rekurs Folge und hob den erstgerichtlichen Beschluß "in dessen Abänderung" auf, weiters trug es dem Erstgericht die Verfahrensfortsetzung auf. Der Rechtsauffassung, daß auch der vom Nachlaß bzw von den Erben zu stellende Fortsetzungsantrag innerhalb von 6 Monaten nach dem Tod des früheren Klägers gestellt werden müsse, könne nicht gefolgt werden. Gegen diese Auslegung spreche der klare Wortlaut des Gesetzes. Nach dem sinngemäß anzuwendenden § 19 Abs 3 BPGG seien die Verlassenschaft bzw die Erben dann, wenn von den bezugsberechtigten Personen nach § 19 Abs 1 Z 1 und 2 BPGG innerhalb von 6 Monaten nach dem Tod des Anspruchswerbers oder Anspruchsberechtigten kein Antrag auf Fortsetzung gestellt worden oder solche fortsetzungsberechtigte Personen nicht vorhanden seien, zur Verfahrensfortsetzung berechtigt. Eine zeitliche Beschränkung der subsidiär fortsetzungsberechtigten Verlassenschaft bzw der Erben könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Die subsidiäre Berechtigung zur Fortsetzung sei erst dann gegeben, wenn die 6-monatige Frist ungenützt abgelaufen sei. Die vom Erstgericht vorgenommene Zurückweisung des Fortsetzungsantrags infolge Verfristung erweise sich daher als nicht berechtigt, weshalb der angefochtene Beschluß "in dessen Abänderung" zu beheben sei.

Der gegen diesen Beschluß von der Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß das vorliegende Rechtsmittel ungeachtet seiner Bezeichnung als "außerordentlicher Rekurs" in Wahrheit einen ordentlichen Revisionsrekurs darstellt: Da es sich beim Pflegegeld um wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen im Sinn des § 46 Abs 3 Z 3 ASGG handelt, ist ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof grundsätzlich auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig. Die angefochtene Entscheidung der zweiten Instanz ist auch kein aufhebender und zurückverweisender Beschluß im Sinne des § 527 Abs 2 ZPO, gegen den ein Rekurs nur zulässig wäre, wenn das Rekursgericht dies ausgesprochen hätte. Wie sich aus dem Spruch selbst ergibt ("..... wird in dessen Abänderung behoben...") handelt es sich vielmehr um eine abändernde Entscheidung, durch die nicht etwa dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen, sondern über die Frage der Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens gleich abschließend entschieden und dem Erstgericht diese Fortsetzung aufgetragen wird. Da ein unterbrochenes Verfahren durch einen Gerichtsbeschluß fortzusetzen ist, ist die Entscheidung der zweiten Instanz inhaltlich dahin zu verstehen, daß dem Rekurs Folge gegeben und der erstgerichtliche Beschluß dahin abgeändert wurde, daß das durch den Tod der ursprünglichen Klägerin unterbrochene Verfahren infolge Antrages des erblasserischen Sohnes aufgenommen wurde.

Der vorliegende Rekurs ist auch rechtzeitig. Zwar beträgt die Rekursfrist auch in Sozialrechtssachen nach § 521 Abs 1 ZPO 14 Tage, außer das Rekursverfahren ist zweiseitig, dann beträgt die Rekursfrist 4 Wochen. Im vorliegenden Fall ist die Zweiseitigkeit des Rekurses in Analogie zu § 521 a Abs 1 Z 3 ZPO zu bejahen, weil der Fortsetzungsantrag ähnlich wie eine Klage und die Entscheidung des Rekursgerichtes wie ein Beschluß, mit dem ein Antrag auf Zurückweisung der Klage verworfen worden ist, behandelt werden muß. Verstirbt der (vermeintlich) Pflegebedürftige während eines bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens, ergibt sich die Fortsetzungsberechtigung nicht unmittelbar aus dem BPGG, sondern aus § 46 ASGG. Nach Abs 1 dieser Bestimmung unterbricht der Tod des Klägers das Verfahren in jeder Lage. Die Aufnahmeberechtigung richtet sich im vorliegenden Fall nicht nach Abs 2 dieser Bestimmung, sondern nach deren Abs 4, der wiederum auf § 19 Abs 3 BPGG verweist. Damit sind auch im gerichtlichen Pflegegeldverfahren primär die ehemaligen Pflegepersonen, dann die Träger der seinerzeitigen Pflegekosten (jeweils "Überwiegen") vorausgesetzt und erst danach der Nachlaß bzw die Erben antragsberechtigt (vgl Pfeil, Bundespflegegeldgesetz 191; 10 ObS 56/97a).

Ist im Zeitpunkt des Todes des Anspruchswerbers oder Anspruchsberechtigten ein Verfahren auf Gewährung oder Neubemessung des Pflegegeldes noch nicht abgeschlossen, so sind nach § 19 Abs 3 BPGG die im Abs 1 genannten Personen in der dort festgelegten Rangordnung auf Antrag zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt. Wird von diesen Personen innerhalb von 6 Monaten nach dem Tod des Anspruchswerbers oder Anspruchsberechtigten kein Antrag auf Fortsetzung gestellt oder sind keine zur Fortsetzung berechtigten Personen vorhanden, sind hiezu die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen bzw dessen Erben berechtigt. Die Fortsetzungsberechtigung des Nachlasses bzw der Erben ist daher subsidiär und tritt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur ein, wenn primär bezugsberechtigte Personen im Sinn des § 19 Abs 1 BPGG innerhalb von 6 Monaten keinen Antrag auf Auszahlung gestellt haben oder wenn solche Personen nicht vorhanden sind (vgl Fink, Die verfahrensrechtlichen Bestimmung des BPGG, SozSi 1993, 352, bes 360 f; aA ohne Begründung Pfeil aaO). Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, auch der ruhende Nachlaß bzw die Erben könnten den Fortsetzungsantrag nur innerhalb von 6 Monaten nach dem Tod des früheren Klägers stellen, ist daher, wie das Rekursgericht an sich zutreffend dargelegt hat, verfehlt und nicht nur mit dem Wortlaut des § 19 Abs 3 BPGG unvereinbar, sondern auch unpraktikabel: Entsteht nämlich die subsidiäre Fortsetzungsberechtigung der Verlassenschaft bzw der Erben erst nach ergebnislosem Ablauf der Frist von 6 Monaten, dann kann nicht verlangt werden, daß von ihnen bereits vor Ablauf dieser Frist ein Fortsetzungsantrag gestellt wird. Insoweit ist der Auffassung des Rekursgerichtes voll beizutreten.

Dennoch ergibt sich daraus noch nicht die Zulässigkeit des vom erblasserischen Sohn Josef P***** gestellten Fortsetzungsantrages. Soweit er sich darauf stützt, daß er die seinerzeitige Klägerin überwiegend und ohne angemessens Entgelt gepflegt habe, ist sein Antrag verspätet, weil er nicht innerhalb von 6 Monaten nach dem Tod der ursprünglichen Klägerin gestellt wurde. Auch andere primär fortsetzungsberechtigte Personen im Sinne des § 19 Abs 1 BPGG haben keinen solchen Antrag gestellt. Damit wäre die Verlassenschaft nach der Verstorbenen bzw deren Erben fortsetzungsberechtigt. Erbe in diesem Sinn ist aber nur, wem die Verlassenschaft eingeantwortet wurde.

Mit der Einantwortung tritt die Universalsukzession des Erben nach dem Erblasser ein. Der Zustand des ruhenden Nachlasses hört auf; Besitz, Eigentum, Forderungen und sonstige Rechte gehen über, der Erbe erlangt die volle Herrschaft über den Nachlaß; er wird Schuldner der Erbschaftsgläubiger (Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts10 II 403). Entfällt die Einantwortung gemäß § 72 Abs 1 oder Abs 2 AußStrG, so besteht nach herrschender Auffassung der ruhende Nachlaß weiter (Welser in Rummel ABGB2 Rz 14 zu §§ 797, 798; Eccher in Schwimann, ABGB Praxiskommentar2 Rz 4 zu § 798 und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung).

Aus dem Verlassenschaftsakt der Friederike P*****, 2 A 173/96w des Bezirksgerichtes Klagenfurt geht hervor, daß mangels eines Nachlaßvermögens eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattgefunden hat. Aus der Todfallsaufnahme geht hervor, daß die Verstorbene insgesamt vier volljährige Kinder hinterlassen hat, darunter den Antragsteller Josef P*****. Dieser stellte beim Verlassenschaftsgericht am 25.2.1997 den Antrag, ihn zum Nachlaßkurator zu bestellen, wobei seine Aufgabe insbesondere die Fortführung der vorliegenden auf Pflegegelderhöhung gerichteten Klage sein werde. Über diesen Antrag wurde nach der Aktenlage bisher nicht entschieden.

Das Vorbringen des Antragstellers, er sei bereits als Nachlaßkurator eingesetzt worden, steht daher mit der Aktenlage nicht im Einklang. Die Verlassenschaft (der ruhende Nachlaß) selbst hat bisher die Aufnahme des unterbrochenes Verfahrens nicht beantragt (vgl dazu auch SSV-NF 2/100 und 7/105).

Aus dem bisher Gesagten folgt, daß die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens im vorliegenden Fall nur von der Verlassenschaft nach der ursprünglichen Klägerin selbst, nicht aber von einem der ehelichen Kinder beantragt werden kann. Sollte der ruhende Nachlaß, vertreten durch einen zu bestellenden Kurator, die Verfahrensfortsetzung beantragen und sollte sich später ein weiteres Nachlaßvermögen herausstellen, dann wird nach § 179 Abs 2 AußStrG die Verlassenschaftsabhandlung einzuleiten sein. Daß eine solche bisher unterblieb, ändert nichts daran, daß die Verlassenschaft parteifähig ist (vgl dazu EvBl 1961/311).

Im Ergebnis bleibt es bei der Zurückweisung des vorliegenden Fortsetzungsantrages. Soweit sich dieser auf die Bezugsberechtigung nach § 19 Abs 1 BPGG stützt, ist er verspätet, im übrigen mangelt es an der Antragslegitimation.

Dem Revisionsrekurs der Beklagten war daher im Ergebnis Folge zu geben und die zurückweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

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