OGH 15Os136/97

OGH15Os136/9725.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.September 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Szilard M***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11.Juli 1997, GZ 5 b Vr 4288/97-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Szilard Ma***** - abweichend von der auch wegen Einbruchs in ein Geschäftslokal mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel erhobenen Anklageschrift (1.b der ON 10), was jedoch von der Staatsanwaltschaft unbeanstandet hingenommen wurde, nur - des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2 StGB (1.a und b) sowie des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt und zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, von der gemäß § 43 a Abs 3 StGB ein Strafteil von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Danach hat er in Wien

1. dem Jürgen L***** fremde bewegliche Sachen in einem 500.000 S übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder (nach den Urteilsfeststellungen gemeint: und) einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

a) im Dezember 1996 eine schwarze Nappalederhose der Marke Dakota, Größe 26, in nicht mehr festzustellendem Wert, und

b) in der Nacht vom 16. auf den 17.April 1997 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten Mittätern Attila St*****, Robert Me***** sowie einem weiteren unbekannt gebliebenen Täter mehr als 550 Lederbekleidungsstücke im Wert von 958.030,08 S, eine Mini-Stereoanlage mit CD-Player der Marke Dual VVH 101 A im Wert von 6.000 S sowie Wechselgeld in der Höhe von 500 S;

2. im Juli 1996 (zu ergänzen: ein Gut, nämlich) ein Paar Stiefel der Marke Sendra Boots der Größe 46 in nicht mehr festzustellendem Wert, das ihm von Jürgen L***** anvertraut worden war, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Nach dem Inhalt der Beschwerdeschrift bekämpft der Angeklagte nur einen Teil des Schuldspruchs laut 1.b des Urteilssatzes mit einer auf Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; die Strafhöhe sowie die verweigerte gänzlich bedingte Nachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB ficht er mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO und mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Voranzustellen ist, daß die Rechtsmittelanträge primär dahin gehen, "das angefochtene Urteil aufzuheben", sich somit uneingeschränkt auf alle Schuldspruchsfakten beziehen; zum Diebstahlsfaktum laut 1.a des Urteilssatzes und zum Schuldspruch wegen des Vergehens der Veruntreuung (2.) wurde aber weder bei Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde (189) noch in ihrer Ausführung einer der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet, weshalb die Beschwerde schon deshalb gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war.

Der allein gegen das Schuldspruchsfaktum 1.b wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls von mehr als 550 Lederbekleidungsstücken im Gesamtwert von 958.030,08 S erhobenen Mängelrüge (Z 5) zuwider findet diese Wertangabe, die als Summe der - bei Diebstahl von Handelsware richtigerweise zugrundezulegenden (Leukauf/Steininger Komm3 § 128 RN 21) - Verkaufspreise anzusehen ist, im Polizeibericht (49) und in der damit korrespondierenden gerichtlichen Zeugenaussage des Geschädigten Jürgen L***** (177 und 179) ihre zureichende beweismäßige Deckung (vgl US 4 vierter Absatz iVm US 7 Mitte). Der nach den gesamten Erhebungsergebnissen ohnehin zweifelsfrei erkennbare Umstand, daß die Angestellte Rita S***** lediglich die Einkaufspreise der gestohlenen Lederartikel in ihre Aufstellung aufnahm (37 ff), ist demnach rechtlich unerheblich.

Der behauptete "erhebliche Widerspruch" haftet daher dem bekämpften Schuldspruch nicht an.

Die Subsumtionsrüge (Z 10), in welcher dem Erstgericht einerseits vorgeworfen wird, es habe die Feststellung unterlassen, ob der von ihm angenommene Schaden, nämlich der Verkaufspreis von ca 958.000 S, vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt war, andererseits behauptet wird, daß angesichts einzelner, in der Beschwerdeschrift isoliert zitierte Verantwortungspassagen die angewendete Strafnorm des § 128 Abs 2 StGB daher im Urteilssachverhalt nicht begründet sei, entbehrt einer gesetzmäßigen Darstellung des angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrundes. Diese verlangt nämlich ein striktes Festhalten an den gesamten Urteilsfeststellungen, den Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den Nachweis, daß dem Gericht bei Beurteilung dieses Sachverhaltes ein Rechtsfehler oder ein beweismäßig indizierter Feststellungsmangel zur verläßlichen Beurteilung des Tatsachensubstrats unterlaufen ist. Dabei dürfen festgestellte Tatsachen weder bestritten noch übergangen werden, noch darf sich die Beschwerde auf einen nicht konstatierten Umstand stützen.

Gegen diese prozessualen Gebote verstößt der Nichtigkeitswerber aber, indem er einerseits außer acht läßt, daß Spruch und Gründe eine (zu beachtende) Einheit bilden, andererseits die entscheidende Passage im Urteilsspruch (US 2 f) übergeht, derzufolge der Vorsatz des Angeklagten auf die vom unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatz getragene Wegnahme von Lederbekleidungsstücken im Wert von rund 958.000 S gerichtet war, und zudem die im Kontext zu betrachtenden Urteilskonstatierungen in den Entscheidungsgründen verschweigt (US 6). Dort wird nämlich dazu ausgeführt, der - bis Ende Jänner 1997 bei der geschädigten Firma als Verkäufer beschäftigt gewesene (US 5 oben) und demnach sowohl mit dem Verkaufssortiment als auch mit den Verkaufspreisen bestens vertraute - Angeklagte sei mit seinen Komplizen in das Lager eingedrungen, habe den Freunden die wertvollen (d.h teuren) Sachen bezeichnet, die sie dann gemeinsam stahlen, insbesondere mehr als 550 Stück Lederwaren im Verkaufswert von 958.030,08 S, diese in 15 großen Mistsäcken und in zwei Autos verluden.

Alle diese Feststellungen, welche den auf Diebstahl von Sachen im Wert von über 500.000 S gerichteten Vorsatz des Angeklagten deutlich genug zum Ausdruck bringen und diesen zu tragen vermögen, verschweigt die Beschwerde aber geflissentlich und argumentiert prozeßordnungswidrig lediglich auf der Basis einzelner selektiver Verantwortungsstellen des Beschwerdeführers (so etwa: 15 halbvolle Mistsäcke; Verladung in einen PKW), denen das Schöffengericht jedoch nicht gefolgt ist. Für eine Verurteilung des Rechtsmittelwerbers bloß wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB, wie die Beschwerde es verlangt, bietet der festgestellte Urteilssachverhalt demnach keine Grundlage.

Die Strafzumessungsrüge geht fehl, weil sie nicht darzutun vermag, daß den Erkenntnisrichtern ein im § 281 Abs 1 Z 11 StPO bezeichneter Fehler unterlaufen ist.

Soweit sie nämlich dagegen remonstriert, daß das Erstgericht die "besondere Dreistigkeit" der Vorgangsweise des Angeklagten (Eindringen des Angeklagten mit einem bereits lange behaltenen Schlüssel mit drei Komplizen in seine (ehemalige) Dienstgeberfirma, Wegbringen der Beutestücke in 15 großen Mistsäcken mit zwei Autos) als erschwerend berücksichtigt hat (US 9), hat es keine für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO), sondern Umstände herangezogen, die über die Tatbestandserfordernisse des inkriminierten Verbrechens hinausgehen und keineswegs von vorneherein als nicht schulderhöhend im Sinne der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB angesehen werden können. Die Prüfung der Frage, ob dieser Erschwerungsgrund in der vom Schöffengericht gewählten Umschreibung im aktuellen Fall wirklich zu Recht angenommen wurde, obliegt allein der Beurteilung des zur Entscheidung über die - auch in diese Richtung argumentierende - Berufung zuständigen Gerichtshofes zweiter Instanz. Der Beschwerdeführer scheint offensichtlich die zur Erfüllung der inkriminierten Straftat verlangte Vorsatzschuld mit der Strafzumessungsschuld gemäß § 32 StGB zu verknüpfen und zu verkennen, daß deren Ausmaß je nach Lage der Dinge innerhalb des vorgegebenen Strafrahmens straferhöhend oder strafmindernd sein kann. Zudem ist der Einwand gegen die Annahme einer Komplizenschaft als Erschwerungsgrund schon deshalb falsch, weil der Gesetzgeber anläßlich der - aus Erwägungen der Zustän- digkeitsökonomie erfolgten - Eliminierung der seinerzeitigen Diebstahlsqualifikation der Begehung in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligter (§ 127 Abs 2 Z 1 StGB in der ursprünglichen Fassung) ausdrücklich erklärte, daß diesem Umstand wegen des höheren Unrechts- bzw Schuldgehaltes im Rahmen der Strafzumessung weiterhin Rechnung zu tragen sein wird (JA 359 BlgNR 17.GP S 18; so auch 15 Os 146/96). Eine Nichtigkeit begründende rechtsfehlerhafte Bewertung von Strafzumessungstatsachen liegt somit nicht vor.

Mit dem weiteren Einwand, der Gerichtshof habe unter Hinweis auf die "Schadenshöhe" die Anwendung des § 43 [Abs 1] StGB auf die gesamte Strafe abgelehnt, wohingegen nach dem Gesetz die Schadenshöhe für die Frage der Anwendung oder Nichtanwendung der zitierten Norm keine Rolle spiele, wird die Rüge nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Denn das Schöffengericht hat vorliegend die gänzliche bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern neben dem hohen Schaden auch die - was die Beschwerde jedoch übergeht - "besondere Dreistigkeit des Diebstahls" in seine Erwägungen miteinbezogen und solcherart der Sache nach auf die Art der Tat, die Person des Angeklagten und den Grad seiner Schuld Bedacht genommen.

Davon abgesehen wäre der hohe Schaden, in dem sich der Unrechtsgehalt einer Vermögensstraftat augenfällig manifestiert, sehr wohl als ein Element bei Prüfung generalpräventiver Gesichtspunkte von Bedeutung (vgl hiezu Mayerhofer/Rieder StGB4 E 42 a und 42 c zu § 43).

Das sonstige Beschwerdevorbringen setzt sich ausschließlich mit Umständen auseinander, die beinahe wortgleich in den Ausführungen zur Berufung wiederholt werden und deren Beurteilung gleichfalls in die Entscheidungskompetenz des Oberlandesgerichtes fällt.

Soweit der Beschwerdeführer prozessual ver- spätet erst in seiner gemäß § 35 Abs 2 StPO zur Stellungnahme der Generalprokuratur erstatteten Äußerung ("Replik") vorbringt, das Erstgericht habe gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen, weil es den festge- stellten Schadensbetrag nicht nur als strafsatzbestimmend, sondern auch im Rahmen der Strafbemessung als Erschwerungsgrund herangezogen habe, geht er unzulässig - und demnach unbeachtlich - über das Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde hinaus (NRsp 1994/115 uam). Im übrigen kann fallbezogen der nahezu doppelte Schadensbetrag von fast 1 Million S der Qualifikationsgrenze von 500.000 S durchaus als erschwerend berücksichtigt werden, ohne dadurch gegen das Doppelverwertungsverbot zu verstoßen.

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß über die zudem erhobene Berufung das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285 i StPO).

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