OGH 15Os134/97

OGH15Os134/9725.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.September 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 3.April 1997, GZ 13 Vr 105/96-16, nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (Punkt I des Urteilssatzes) sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im übrigen wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die auf den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Johann H***** der Vergehen (I) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und (II) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) am 19.März 1996 in Retz Bedienstete der Raiffeisenkasse R***** regGenmbH durch die Vorspiegelung, er sei über das Sparkonto 40009979 verfügungsberechtigt, zu Handlungen verleitet, und zwar zur Auszahlung von Bargeld in der Höhe von 377.617,31 S, die die Verlassenschaft nach Helene H***** am Vermögen schädigte;

(II) im Zeitraum zwischen 25.Juli 1995 (erste Abhebung) bis 24.April 1996 (Anzeigeerstattung) eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich das Sparbuch des zu I näher bezeichneten Sparkontos aus dem Nachlaß der Helene H***** dadurch unterdrückt, daß er es eigenmächtig an sich nahm und dem Gerichtskommissar Notar Dr.L***** vorenthielt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß es im Rechtsverkehr zum Beweis der darin beurkundeten Rechte, Rechtsverhältnisse und Tatsachen gebraucht werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich in Ansehung des Schuldspruches zu Punkt I als berechtigt.

Bei dem in Rede stehenden Vergehen muß der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters darauf gerichtet sein, durch Täuschung über Tatsachen bei einem anderen einen Irrtum hervorzurufen oder zu bestärken (Täuschungsvorsatz); durch die Erregung oder Bestärkung des Irrtums eine Vermögensverfügung des Getäuschten und dadurch eine unmittelbare Schädigung des Vermögens des Getäuschten oder eines Dritten zu bewirken (Schädigungsvorsatz) und durch das bewirkte Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern (Bereicherungsvorsatz). Unrechtmäßig bereichert sich, wer keinen Anspruch auf die angestrebte Vermögensvermehrung hat oder zu haben glaubt (Leukauf/Steininger Komm3 § 146 RN 51, 57, 58 mwN). Besteht demnach ein fälliger Anspruch oder glaubt der Täter, wenn auch irrig, einen solchen zu haben, so fehlt es in der Regel am Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung, sodaß, obgleich die Leistung durch Täuschung erwirkt wird, Betrug ausscheidet.

Nach den den Schuldspruch tragenden erstge- richtlichen Feststellungen erfuhr Johann H***** am 25.Juli 1995 anläßlich einer Vorsprache beim Notar Dr.L*****, daß er "enterbt" sei, weil seine (am 20. Juli 1995) verstorbene Ehefrau ihr gesamtes Vermögen einschließlich eines Sparbuches über 500.000 S (von dem der Angeklagte bereits in Unkenntnis des letzten Willens seiner Gattin - zuvor war er auf Grund eines wechselseitigen Testaments zum Erben eingesetzt gewesen - nach deren Tod einen Betrag von 234.849,37 S behoben und das Losungswort geändert hatte) ihren Kindern Gabriele, Christine und Johann vermacht hatte. "Ab diesem Zeitpunkt wußte er, daß er nicht berechtigt ist, über dieses Sparbuch zu verfügen. Er behielt jedoch dieses Sparbuch und führt es nicht der Verlassenschaft zu. In weiterer Folge versuchte der Gerichtskommissär das gegenständliche Sparbuch ausfindig zu machen, was ihm nicht gelang, weshalb dann auch am 9.Februar 1996 Strafanzeige erstattet wurde. Der Angeklagte benötigte ein neues Auto und bestellte dieses, wobei er wußte, daß er noch über 300.000 S Geld verfügte, welches auf dem gegenständlichen Sparbuch lag". Bei seiner Einvernahme am 12.März 1996 vor der Kriminalstelle Korneuburg leugnete er, vom Sparbuch etwas zu wissen; am 19.März 1996 ersuchte er seinen Schwiegersohn Emmerich Sch*****, von dem genannten Sparbuch den (Rest-)Betrag von 377.617,31 S zu beheben und mit diesem Betrag das Auto zu bezahlen und ihm zu bringen (US 6 und 7). Zur subjektiven Tatseite stellte das Schöffengericht fest, daß dem Angeklagten hinsichtlich der Behebung am 19.März 1996 "einerseits durch die Testamentseröffnung und andererseits durch die Erhebungen der Gendarmerie bekannt war, daß er nicht Erbe ist, und daß dieses Sparbuch mit einem Einlagestand von 500.000 S von der Verlassenschaft gesucht wird und sogar gerichtliche Erhebungen im Gange sind und er somit wußte, daß er nicht berechtigt ist, über dieses Sparbuch zu verfügen. Trotz dieses Wissens hat er eine Behebung von 377.617,31 S durch das "Werkzeug" Emmerich Sch***** ausführen lassen (US 14)".

Der Beschwerdeführer rügt - gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO - mit Recht, daß die Urteilsannahmen zu den subjektiven Tatbestandserfordernissen unzureichend seien, weil das angefochtene Urteil jegliche Feststellung zur Frage des unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatzes vermissen läßt. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Angeklagte als Ehemann pflichtteilsberechtigt ist und ihm gegen die als Legatare eingesetzten Kinder allenfalls ein (in Geld bestehender Ausgleichs-)Anspruch zustünde (vgl die Aufstellung des Notars Dr.S***** vom 13.Oktober 1995 über allfällige Ausgleichsansprüche des Angeklagten 247 ff), vermag die erstgerichtliche Feststellung, daß er nicht berechtigt war, "über das Sparbuch zu verfügen", nicht eo ipso die Annahme eines - mit der Verfügung einhergehenden - unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatzes zu tragen, zumal dem Urteil keine Feststellungen zu entnehmen sind, daß dem Tatplan des Angeklagten zufolge der Erhalt des in Rede stehenden Betrages auch (noch) bei der erbrechtlichen Abrechnung mit den Erben hätte verschwiegen werden sollen. Dem Urteilsfaktum I haften somit in Ansehung der subjektiven Tatseite zutreffend gerügte Feststellungsmängel an, die eine Verfahrenserneuerung im bezeichneten Umfang in erster Instanz unumgänglich machen, weshalb schon bei einer nichtöffentlichen Beratung das (im Strafausspruch nicht bekämpfte) Urteil spruchgemäß zu beheben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen war (§ 285 e StPO).

Ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeaus- führungen - zum Schuldspruchfaktum I ist daher entbehrlich.

Unbegründet ist die Beschwerde jedoch bezüglich des Schuldspruchfaktums II.

In der Mängelrüge (Z 5) moniert der Beschwerdeführer unzureichende Begründung hinsichtlich der Urteilsfeststellungen zur Verfügungsberechtigung über das Sparbuch Nr. 40009979. Keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung liegt dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe (Scheingründe) angegeben sind, aus denen sich nach Denkgesetzen oder allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluß auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen läßt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 114).

Entgegen der Beschwerdebehauptung hat das Schöffengericht die Frage der Verfügungsberechtigung über das genannte Sparbuch in zeitlicher Abfolge detailliert dargelegt und auch logisch begründet, auf Grund welcher Umstände davon auszugehen ist, daß es sich bei dem genannten Nummernsparbuch um dasjenige handelt, das im Testamentszusatz der verstorbenen Ehefrau des Angeklagten genannt ist (US 4, 5 und 6). Diese Feststellung hat es nicht nur auf die Erhebungen vor der Gendarmerie, sondern auch auf die Angaben der als Zeugen vernommenen fünf Kinder der Verstorbenen und die Reaktion des Angeklagten vor dem Notar Dr.L***** gestützt. Damit hat das Erstgericht seine Urteilsfeststellungen über die Verfügungsberechtigung das Sparbuch 40009979 hinreichend deutlich und formal mängelfrei begründet. Mit ihrer Kritik an den betreffenden Urteilausführungen bekämpft die Beschwerde bloß unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz nach Art einer Schuldberufung, was sich auch insbesondere darin manifestiert, daß sich der Beschwerdeführer auf den Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten", also eine Beweiswürdigungsmaxime, beruft (Mayerhofer aaO § 258 E 42).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Schuldspruch zu Punkt II richtet, schon bei der nichtöffentlichen Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO).

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