OGH 15Os116/97

OGH15Os116/9725.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.September 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roland P***** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 29.April 1997, GZ 38 Vr 598/97-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kirchbacher, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Kasseroler zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und unter Ausschaltung des erstgerichtlichen Ausspruches einer Freiheitsstrafe über den Angeklagten unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 500 S bestimmt wird.

Von dieser Geldstrafe werden gemäß § 43 a Abs 1 StGB 300 Tagessätze unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roland P***** des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er in Hall und an anderen Orten in der Zeit zwischen 5.Dezember 1996 und 11.Jänner 1997 als Gendarmeriebamter des Gendarmeriepostens Hall in Tirol wiederholt in insgesamt 31 Fällen mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Einnahmen aus den in Vollziehung der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrzeuggesetzes eingehenden Strafgeldern aus erlassenen Organstrafmandanten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte durch Ausstellung von Organstrafmandaten vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht hat, daß er zur Deckung seines eigenen Geldbedarfes Organmandate verhängte, Strafgelder in Höhe von insgesamt 5.100 S einhob und diesen Betrag für sich selbst verwendete.

Dem Urteilssachverhalt zufolge war der Angeklagte als Gendarmeriebeamter des Gendarmeriepostens Hall in Tirol befugt, Organstrafverfügungen wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Kraftfahrgesetz und der Straßenverkehrsordnung zu erlassen und Geldstrafbeträge einzuheben. Die vom Schuldspruch erfaßten Organstrafmandate verhängte der Angeklagte wegen tatsächlich begangener Verwaltungsübertretungen; schon zu Beginn der jeweiligen Amtshandlung hatte er aber den Vorsatz, sich die eingenommenen Strafgelder zuzueignen und damit seinen privaten Lebensunterhalt zu bestreiten. Diesem vorgefaßten Plan entsprechend vermerkte der Angeklagte die Organstrafmandate unter Anführung des Strafbetrages zwar vorschriftsgemäß in der sogenannten Dienstvorschreibung, unterließ es aber entgegen der ihm bekannten Dienstvorschrift, die Geldeingänge auch EDV-mäßig zu erfassen und die kassierten Gelder samt Durchschriften der Organmandate in den dafür vorgesehenen Kasten des Gendarmeriepostens einzuwerfen. Der Angeklagte mißbrauchte nach Überzeugung der Tatrichter nicht nur wissentlich seine ihm "als besonders geschultes Organ der öffentlichen Aufsicht" eingeräumte Befugnis, sondern handelte auch mit (zumindest bedingtem) Schädigungsvorsatz, weil er angesichts seiner bedrängten finanziellen Situation vorhersehbarerweise zum unverzüglichen und vollständigen Ersatz der privat verwendeten Gelder nicht imstande war. Nach Entdeckung der Malversationen im Zuge einer routinemäßigen Kontrolle durch den Gendarmeriepostenkommandanten am 21.Jänner 1997 war dem Angeklagten die Rückerstattung des Geldes nur möglich, weil er eine Ausweitung des ihm eingeräumten, zu diesem Zeitpunkt wiederum zur Gänze in Anspruch genommenen Überziehungsrahmens seines Gehaltskontos erwirken konnte.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Beredchtigung zukommt.

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) stützte das Erstgericht die Konstatierung des schon zum Zeitpunkt der jeweiligen Ausstellung der Organstrafmandate gefaßten Entschlusses auf Aneignung der inkassierten Beträge nicht auf ein (in dieser Richtung tatsächlich nicht vorliegendes) Eingeständnis des Angeklagten, sondern auf andere, diese Feststellung schlüssig untermauernde Erwägungen (siehe US 10); ebenso nachvollziehbar ist den Entscheidungsgründen zu entnehmen, aufgrund welcher Beweisergebnisse der Schöffensenat ungeachtet des dem Angeklagten zugebilligten Bemühens um eine alsbaldige Rückerstattung des an sich genommenen Geldes zur Überzeugung des (zumindest bedingten) Schädigungsvorsatzes gelangt ist. Die in der Beschwerde ins Treffen geführten, der bekämpften Annahme angeblich entgegenstehenden Umstände (wie das teilweise vorschriftsgemäße manipulative Vorgehen, das relativ gute Einkommen und die Abstandnahme von besonderen Verschleierungsmaßnahmen) fanden hinreichend Berücksichtigung (US 9 bis 13). Die Mängelrüge erweist sich sohin insgesamt nur als unzulässige und demzufolge unbeachtliche Bekämpfung der formell einwandfreien tatrichterlichen Beweiswürdigung.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit b, richtig Z 9 lit a) macht der Beschwerdeführer geltend, daß er die vom Schuldspruch erfaßten Amtshandlungen jeweils ordnungsgemäß zum Abschluß gebracht und insbesondere "die Organmandate und die eingehobenen Strafbeträge nicht verschwiegen habe". Ihm falle lediglich die nicht rechtzeitige Abrechnung der von ihm nach Beendigung des Amtsgeschäftes nur mehr verwahrten Geldbeträge, sohin eine bloße Dienstpflichtverletzung zur Last, zumal Veruntreuung mangels Bereicherungsvorsatzes und im Hinblick auf einen präsenten Deckungsfonds nicht in Frage komme.

Auch diese Ausführungen sind unbegründet.

Amtsgeschäfte im Sinn des § 302 StGB sind alle Verrichtungen, die zur unmittelbaren Erfüllung der amtsspezifischen Vollziehungsaufgaben eines Rechtsträgers dienen, also zum eigentlichen Gegenstand des jeweiligen Amtsbetriebes gehören und damit für die Erreichung der amtsspezifischen Vollziehungsziele sachbezogen relevant sind (Leukauf/Steininger Komm3 § 302 RN 8). Vorliegend war der Beschwerdeführer befugt, in unmittelbarer Erfüllung sicherheitsbehördlicher Vollziehungsaufgaben (im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze) mit Organstrafverfügung Geldstrafen einzuheben. Die diesem Aufgabenbereich entsprechende amtliche Tätigkeit beginnt mit der jeweiligen Entschlußfassung zur Ausstellung des Organstrafmandates und endet mit der die Effektuierung des Vollziehungszieles erst sicherstellenden vorschriftsgemäßen Abführung der eingenommenen Strafgelder.

Davon ausgehend steht fest, daß der dem Schuldspruch zugrundeliegende (in der Rechtsrüge schlechthin negierte) Vorwurf der vom Beschwerdeführer schon zu Beginn der Amtshandlungen ins Auge gefaßten Aneignung der eingenommenen Strafgelder im Zusammenhang mit der späteren Umsetzung dieses Vorhabens insgesamt ein pflichtwidriges Verhalten im Rahmen der hoheitlichen Tätigkeit betrifft; der in Frage gestellten Annahme des (wissentlichen Befugnismißbrauchs im Zuge eines) Amtsgeschäftes im Sinn des § 302 StGB haftet sohin ein rechtlicher Fehler nicht an.

Die in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage des sogenannten präsenten Deckungsfonds bedarf mangels Entscheidungsrelevanz keiner näheren Erörterung; es genügt der Hinweis, daß die eingangs beschriebenen Umstände der Gutmachung des Vermögensschadens, nämlich die Notwendigkeit, eine Erweiterung eines ausgeschöpften Kredites zu erwirken, die Behauptung widerlegen, der Beschwerdeführer hätte zur Tatzeit uneingeschränkt über Mittel verfügt, die eine sofortige oder doch unverzügliche Schadensdeckung gewährleistet hätten.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war demnach ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 302 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 500 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten.

Dabei wertete es als erschwerend die oftmalige Wiederholung der Tat, als mildernd die bisherige "Unbescholtenheit" (gemeint den ordentlichen Wandel), die erfolgte Schadensgutmachung sowie ein "teilweises Tatsachengeständnis, welches allerdings nicht allzu sehr ins Gewicht fällt, weil es weder reumütig noch umfassend war".

Dagegen richtet sich die Berufung des Angeklagten, der sowohl eine Herabsetzung der über ihn verhängten Strafe in Form der Ausschaltung der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe als auch die gänzliche bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Geldstrafe begehrt.

Die Berufung ist zum Teil berechtigt.

Unter richtiger Gewichtung der vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend und vollständig angenommenen Strafzumessungsgründe, insbesondere unter Berücksichtigung des - in der Gesamtsumme - geringen Schadens, der alsbaldigen Schadensgutmachung und des Umstandes, daß der Angeklagte keine Verschleierungshandlungen vornahm, was die sofortige Aufklärung ermöglichte, sowie unter Bedachtnahme auf die im zukünftigen Leben in der Gesellschaft zu erwartenden Folgen im Sinn des § 32 Abs 2 StGB ist die Verhängung der vom Gesetz vorgeschriebenen Mindeststrafe unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB ausreichend, um der Täterschuld und dem Tatunwert ausreichend Rechnung zu tragen. Eine (zusätzliche) Freiheitsstrafe ist hiefür nicht erforderlich.

Die gesamte Geldstrafe bedingt nachzusehen (§ 43 Abs 1 StGB) verbietet zum einen die Art der Taten, die ein nicht unerhebliches Maß an Pflichtverletzung zeigen (§ 32 Abs 3 StGB), zum anderen die Wichtigkeit einer generalpräventiven Effizienz der Strafe in bezug auf die im Sicherheitswesen tätigen Beamten, durch deren unbedingt rechtstreues Verhalten auch das Vertrauen der Gesamtbevölkerung in die Integrität gerade dieses Zweiges der staatlichen Verwaltung (als wesentliche Voraussetzung für ein reibungsloses Zusammenwirken bei der Sicherung der öffentlichen Ordnung) gestärkt werden soll. Vielmehr bedarf es des Vollzuges eines Teiles der Geldstrafe, um - in Verbindung mit deren bedingt nachgesehenen Teil - ausreichende Motivationskraft auf zukünftiges Wohlverhalten des Angeklagten zu entfalten und den oben erörterten Gründen der Generalprävention gerecht zu werden.

Mit seiner Berufung im übrigen war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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