Spruch:
Das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 26.Juni 1997, AZ 7 Bs 236/97, verletzt, soweit aus Anlaß der Berufung das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.April 1997, GZ 23 E Vr 1489/96-29, in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach §§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, 468 Abs 1 Z 4, 489 Abs 1 StPO in seinem freisprechenden Teil sowie demzufolge im Strafausspruch aufgehoben, gegen Murat T***** ein Schuldspruch wegen des Vergehens der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach § 214 StGB gefällt wurde sowie (auch für die unberührt gebliebenen Schuldsprüche des Landesgerichtes) eine neue Strafe bemessen und darauf die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung wegen Strafe verwiesen wurde, §§ 477 Abs 1, 489 Abs 1 StPO.
In diesem Umfang einschließlich der Verweisung der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe auf die Strafneubemessung sowie im Kostenausspruch wird das Urteil des Oberlandesgerichtes aufgehoben.
Gemäß § 292 StPO wird in der Sache selbst erkannt:
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruches über die Strafe wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Der am 14.Juni 1979 geborene Jugendliche Murat T***** wurde auf Grund der (teils identen) Strafanträge der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 29. Juni (ON 7 in ON 21) und 13.November 1996 (ON 4 in ON 20) mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.April 1997, GZ 23 E Vr 1489/96-29, des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1.) und der Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG (2.a und b) sowie nach § 16 Abs 1 und 2 Z 2 SGG (2.c) schuldig erkannt. Er wurde hiefür gemäß § 106 Abs 1 StGB unter Anwendung von § 28 StGB und § 5 (Z 4) JGG zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.
Vom weiteren Anklagevorwurf, im Herbst 1995 im Raum Kufstein drei Frauen slowenischer Staatsangehörigkeit durch Zuweisen eines Standplatzes zum Anwerben von Kunden, Besorgen entsprechender Kleidung und Erteilen praktischer Unterweisungen der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zugeführt zu haben (Strafantrag vom 12.Juli 1996, ON 11) wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft erhob gegen diesen Freispruch wegen (behaupteter) vorliegender Nichtigkeitsgründe und wegen des Ausspruches über die Schuld sowie gegen die Anwendung der bedingten Strafnachsicht Berufung (ON 31 und 39). Sie erachtete im erstgenannten Teil der Berufung den Freispruch (im Sinne der §§ 468 Abs 1 Z 3, 281 Abs 1 Z 5, 489 Abs 1 StPO) für mangelhaft begründet, bekämpfte (mit Schuldberufung) die zur Verneinung der Deliktsmerkmale des Tatbestandes der Zuhälterei führenden beweiswürdigenden Überlegungen des Erstgerichtes und beantragte deswegen die Aufhebung des Freispruchs (und des Strafausspruchs) sowie entweder die Verweisung der Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht oder die Sachentscheidung (Schuldspruch wegen des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 StGB).
Mit Urteil vom 26.Juni 1997, AZ 7 Bs 236/97, gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit und Schuld keine Folge. Es hob jedoch aus deren Anlaß in amtswegiger Wahrnehmung des materiellen Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a (§§ 468 Abs 1 Z 4, 489 Abs 1) StPO das angefochtene Urteil im freisprechenden Teil (sowie im Strafausspruch) auf und erkannte den Angeklagten diesbezüglich des Vergehens der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach § 214 StGB schuldig. Der Angeklagte wurde hiefür sowie für den unberührt gebliebenen Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (zu ergänzen: und für die ebenfalls unberührt gebliebenen Schuldsprüche nach § 16 SGG) unter Anwendung von § 28 StGB und § 5 (Z 4) JGG zu einer abermals gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen jedoch fünfeinhalbmonatigen Freiheitsstrafe, verurteilt. Mit ihrer Strafberufung wurde die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Das Berufungsurteil steht, wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht rügt und auch das Oberlandesgericht in der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung selbst nicht verkennt, im kassatorischen und reformatorischen Teil mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 477 Abs 1 (iVm § 489 Abs 1) StPO hat sich das Berufungsgericht auf die in Beschwerde gezogenen Punkte zu beschränken und darf nur jene Teile des erstrichterlichen Erkenntnisses ändern, gegen die die Berufung gerichtet ist. Nur dann, wenn sich der Gerichtshof aus Anlaß einer (von wem immer ergriffenen) Berufung davon überzeugt, daß das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde (§ 281 Abs 1 Z 9 bis 11 StPO), ist so vorzugehen, als wäre eine solche Berufung eingelegt.
Durch die Aufhebung des freisprechenden Teiles des Erkenntnisses aus dem nach Auffassung des Berufungsgerichtes dem Ersturteil anhaftenden, von der Staatsanwaltschaft jedoch nicht gerügten materiellen Nichtigkeitsgrund (§§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, 468 Abs 1 Z 4, 489 Abs 1 StPO) sowie durch den Schuldspruch des Angeklagten wegen des Vergehens der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach § 214 StGB und die diesen Schuldspruch miteinbeziehende Straf(neu)bemessung wurde das Gesetz zu seinem Nachteil verletzt. Die davon betroffenen Aussprüche des Oberlandesgericht Innsbruck waren deshalb zu kassieren.
Die Rückverweisung zur Entscheidung über die Strafberufung an das Oberlandesgericht ist nicht geboten, vielmehr konnte der Oberste Gerichtshof selbst sogleich in die Entscheidung darüber eintreten, weil sich eine diesbezügliche Erneuerung des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht insoferne wieder nur zum Nachteil des Angeklagten auswirken müßte, als er die dadurch veranlaßten zusätzlichen Kosten zu tragen hätte (EvBl 1980/169) und ein Erfolg der nur auf eine Beseitigung der vom Erstgericht gewährten bedingten Strafnachsicht abzielenden Strafberufung als Nachteil - das Oberlandesgericht hat nämlich wie erwähnt, in seiner (das Gesetz zwar verletzenden) Entscheidung (auch) bedingte Strafnachsicht mit einer Probezeit von 3 Jahren gewährt - gemäß § 292 StPO unzulässig wäre. Über die Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe konnte daher auf Grund der vorliegenden Fallkonstellation ausnahmsweise auch in Abwesenheit des Angeklagten entschieden werden.
Da die (abweisliche) Entscheidung des Oberlandesgerichtes betreffend die Berufung wegen Nichtigkeit und wegen Schuld aufrecht bleibt und (nunmehr auch) die Berufung wegen Strafe der Staatsanwaltschaft erfolglos bleiben muß, war auch die dem Angeklagten vom Oberlandesgericht auferlegte Kostenersatzpflicht für das Rechtsmittelverfahren zu beheben (§ 390 a Abs 1 erster Satz zweiter Halbsatz StPO).
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