OGH 4Ob202/97b

OGH4Ob202/97b23.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** KG, ***** vertreten durch Dr.Peter Jesch und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei D*****GmbH, ***** vertreten durch Frieders, Tassul & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6.März 1997, GZ 15 R 130/96i-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.April 1996, GZ 24 Cg 31/96h-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.375,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.562,50 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat die Nutzungsrechte an der internationalen Marke Nr 624903 "XTC" für die Warenklassen 32 (Biere, Mineralwässer und andere nichtalkoholische Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirups und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken) und 33 (alkoholische Getränke). Diese Marke war am 15.4.1994 für die Schweiz registriert worden. Am 9.9.1994 wurde die Marke aufgrund eines Ansuchens vom Juli 1994 ua für das Gebiet der Republik Österreich international mit der Priorität der schweizerischen Basismarke registriert.

Die Beklagte vertreibt unter dieser Marke seit Mitte 1994 in Österreich einen Energie-Drink mit der Bezeichnung "XTC (eks) (ti:) (si:) Guarana pure energy drink".

Die Klägerin meldete am 10.8.1994 die österreichische Wortmarke "XTC Ecstasy" ua für alkoholfreie Getränke an, verwendete sie bisher aber nicht.

Am 13.9.1994 meldete die Beklagte die österreichische Wortmarke Nr 155552 "XTC eks: ti: si:" an.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, der Klägerin über die seit 19.7.1995 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vertriebenen Einheiten des Produktes "XTC Guarana" Rechnung zu legen, deren Richtigkeit durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen sowie ihr sodann ein erst zu bezifferndes angemessenes Entgelt in der Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr für die Verwendung der klägerischen Marke für das Produkt "XTC Guarana" zu zahlen. Die Beklagte sei die Inhaberin der gegenüber der Wortmarke der Klägerin prioritätsjüngeren österreichischen Wort-Bild-Marke Nr 155552 "XTC eks ti: si:" ua für die Warenklasse 32. Diese Marke sei mit der Marke der Klägerin verwechselbar ähnlich. Die in beiden Marken verwendeten Buchstabenkombinationen würden wie das englische Wort "Ecstasy" ausgesprochen. Durch den Gebrauch der Buchstabenkombination "XTC" greife die Beklagte in das Markenrecht der Klägerin ein. Die Beklagte habe am Tag der Anmeldung der Marke der Klägerin für die von ihr verwendete Buchstabenkombination keine Verkehrsgeltung gehabt. Aus der internationalen Marke Nr 624903 könne die Beklagte in Österreich keine Rechte ableiten, weil bei deren Anmeldung die Priorität der schweizerischen Marke für Österreich nicht in Anspruch genommen worden sei. Die Priorität dieser Marke bestimme sich daher ausschließlich nach dem Tag der Anmeldung im Inland. Außerdem sei die Buchstabenkombination "XTC" allein nicht unterscheidungskräftig.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei nicht die Inhaberin der österreichischen Wort-Bild-Marke Nr 155552 und daher auch nicht passiv zur Klage legitimiert. Die Buchstabenfolge "XTC" sei schon vor der Markenanmeldung der Klägerin in der früheren Firma der Beklagten enthalten gewesen. Schon Ende Juli 1994 sei das Getränk "XTC Guarana pure energy drink" in Österreich eingeführt worden. Erst danach habe die Klägerin ihre Marke "XTC Ecstasy" ua für diverse Getränke angemeldet, obwohl sie ausschließlich in der Werbebranche tätig sei. Der Markenerwerb der Klägerin sei unter Ausnutzung der durch die Werbemaßnahmen der Beklagten gewonnenen Kenntnisse erfolgt und daher sittenwidrig. Die Beklagte habe Nutzungsrechte an der internationalen Marke Nr 624903 erworben, der die Priorität der schweizerischen Basismarke 15.4.1994 zukomme. Dieses Kennzeichen genieße gegenüber der Marke der Klägerin den zeitlichen Vorrang. Der Schutz der schweizerischen Marke sei im Rahmen der internationalen Markenregistrierung auch auf Österreich ausgedehnt worden. Komme dem Kennzeichen "XTC" Kennzeichnungskraft zu, dann müsse die Klage an der Priorität des von der Beklagten benützten Zeichens scheitern. Habe aber die Buchstabenfolge keine Kennzeichnungskraft, dann falle die mangelnde Schutzfähigkeit auch dem Kennzeichen der Klägerin zur Last. Schließlich habe die Beklagte hinsichtlich der Bezeichnungen "XTC" und "XTC Guarana pure energy drink" innerhalb der beteiligten Verkehrskreise zwischenzeitig Verkehrsgeltung erlangt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Wortmarke "XTC" sei innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Eintragung im Ursprungsland (Schweiz) international registriert worden. Damit habe sie Priorität auch für Österreich erlangt. Auf die Eintragungsfähigkeit in Österreich komme es nicht an, weil keiner der in den Art 6 bis 10bis PVÜ angeführten Umstände vorläge. Es könne daher auch dahingestellt bleiben, wieweit im Hinblick auf Art 2 der MarkenRL nicht auch für Österreich die Eintragungsfähigkeit zu bejahen wäre. Da der Beklagten der Beweis eines Nutzungsrechts an der internationalen Marke gelungen sei, sei durch ihre Verwendung zur Kennzeichnung der von der Beklagten vertriebenen Waren das Markenrecht der Klägerin nicht verletzt worden. Die bloß in untergeordneter Form in der Produktbezeichnung angegebene Lautschrift "eks ti: si:" sei nicht geeignet, eine Verwechslung mit dem Markenbestandteil der Klägerin "Ecstasy" auszulösen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach - erkennbar von einer S 50.000,-- übersteigenden Bewertung ausgehend - aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Art 4 PVÜ und Art 4 Abs 1 MMA regelten nicht nur die Frage der Priorität, sondern gäben den Behörden der jeweiligen Vertragsstaaten in gewissem Umfang auch die Möglichkeit, die Übereinstimmung der Marke mit den innerstaatlichen Vorschriften zu überprüfen. Auch § 2 Abs 2 MschG sehe vor, daß das MschG für Markenrechte, die für das Gebiet von Österreich aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen erworben würden, sinngemäß gelte und daß solche Marken außerdem auf Gesetzmäßigkeit zu prüfen seien. Dazu gehöre auch die Prüfung hinreichender Unterscheidungskraft. Eine Schutzverweigerung durch eine nationale Behörde sei nur unter den Bedingungen zulässig, die nach der PVÜ auf eine zur nationalen Eintragung hinterlegte Marke anwendbar wären. Die Behörden, die von dieser Befugnis Gebrauch machen wollten, hätten ihre Schutzverweigerung unter Angabe aller Gründe im Internationalen Büro spätestens vor Ablauf eines Jahres nach der internationalen Registrierung der Marke mitzuteilen. Die internationalen Vorschriften hätten ganz offenbar den Zweck, den nationalen Behörden zwar einerseits Einflußmöglichkeiten zu gewähren, damit eine gewisse Bedachtnahme auf wesentliche Markenrechtsvorschriften des betreffenden Staates (im Rahmen der Bestimmungen der PVÜ) ermöglicht würden. Andererseits solle aber der Anmelder nach Ablauf der Fristen für die Erklärung einer Schutzverweigerung davon ausgehen können, daß ihm in allen von der internationalen Registrierung betroffenen Vertragsstaaten der mit der Markeneintragung verbundene Schutz zukomme. Schon Art 6 quinquies lit A Abs 1 PVÜ sehe vor, daß jede im Ursprungsland vorschriftsmäßig eingetragene Fabrik- oder Handelsmarke, wie sie sei, unter den Vorbehalten dieses Artikels in den anderen Verbandsländern zur Hinterlegung zugelassen und geschützt werden solle. Eine Ausnahme gelte nach lit B Z 2 etwa dann, wenn die Marke jeder Unterscheidungskraft entbehre (in diesem Sinn auch § 1 MSchG). Da im vorliegenden Fall nicht behauptet worden sei, daß das österreichische Patentamt innerhalb der dafür offenstehenden Frist eine Schutzverweigerung im Sinne des Art 5 Abs 1 Satz 1 MMA erklärt habe, sei davon auszugehen, daß die Registrierung auch für den österreichischen Rechtsbereich wirksam erlangt worden sei; nach Art 4 Abs 2 MMA sei auch die in Art 4 lit D PVÜ vorgesehene Abgabe einer Prioritätserklärung nicht erforderlich.

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob auch im Fall einer internationalen Registrierung einer Marke - und nach Ablauf der für die Erklärung einer Schutzverweigerung eröffneten Frist - die Marke unter Anwendung innerstaatlicher Vorschriften (zB § 33 MSchG) gelöscht werden könne, weil sie nach österreichischem Markenrecht gar nicht registriert hätte werden dürfen, oder ob dies mit dem Zweck der internationalen Regelung unvereinbar wäre, müsse nicht abschließend beantwortet werden. Angesichts der MarkenRL seien nämlich auch Buchstabenkombinationen, die nicht als Wort ausgesprochen werden könnten, einer Markenregistrierung zugänglich. Die gegenteilige Auffassung könne nicht mehr aufrechterhalten werden. Art 2 MarkenRL bestimme nämlich ohne Einschränkung, daß alle Zeichen, die sich graphisch darstellen ließen, Marken sein könnten, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen...., soweit solche Zeichen geeignet seien, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Damit sei klargestellt, daß auch Buchstaben oder Buchstabenkombinationen grundsätzlich als Markenzeichen in Betracht kämen, wobei deren grundsätzliche Unterscheidungskraft im Einzelfall zu prüfen sei.

Auch wenn die zur Umsetzung der MarkenRL erlassene MSchG-Nov 1992 die Frage der Zulässigkeit von nicht als Wort aussprechbaren Buchstabenkombinationen nicht eigens aufgegriffen habe, erklärten doch die Gesetzesmaterialien die Anpassung des österreichischen MarkenschutzG an die MarkenRL zum ausdrücklichen Ziel der Novelle und sprächen aus, daß der Entwurf den Erfordernissen dieser Richtlinie vollinhaltlich Rechnung trage. Um im genannten Bereich eine Angleichung an die Vorstellungen der Richtlinie herbeizuführen, sei ein Eingriff durch den Gesetzgeber in Österreich nicht erforderlich gewesen, weil die Generalklausel des § 1 MSchG so weit gefaßt sei, daß sie nicht nur die sich ständig ändernden Auffassungen der beteiligten Verkehrskreise in ihrer jeweiligen Ausprägung berücksichtige, sondern es auch ermögliche, im Wege richtlinienkonformer Interpretation auf internationale Vorstellungen über die Unterscheidungskraft von Warenzeichen Bedacht zu nehmen. Hätten aber die Verfasser der MarkenRL zum Ausdruck gebracht, daß grundsätzlich keine Bedenken gegen die Verwendung von Buchstaben (-Gruppen) als Marken bestünden und habe der österreichische Gesetzgeber ausdrücklich erklärt, das MSchG an diese Richtlinie anpassen zu wollen, so könne bei richtlinienkonformer Interpretation eben nur mehr danach gefragt werden, ob ein betreffendes Zeichen nach Ansicht der beteiligten (die EU-Staaten umfassenden) Verkehrskreise geeignet sei, bestimmte Waren (oder Dienstleistungen) eines Unternehmens von gleichartigen Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden, was von der Klägerin gar nicht in Zweifel gezogen worden sei.

Die Buchstabengruppe "XTC" sei unterscheidungskräftig, weil die diesen Buchstaben angefügte Darstellung in Lautschrift (eks ti: si:) auf dem Produkt der Beklagten erkennbar den Zweck habe, die interessierten Verkehrskreise dahin zu bringen, die Buchstaben wie das englische Wort "Ecstasy" auszusprechen, was die Unterscheidungskraft gegenüber anderen Buchstabenkombinationen zweifellos noch erhöhe. Von der Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH gemäß Art 177 EGV habe abgesehen werden können, weil nicht erkennbar sei, welche unklare Auslegungsfrage in einem solchen Fall beantwortet werden solle. Ob Unterscheidungskraft im Einzelfall gegeben sei, sei aber nicht primär eine Frage des Gemeinschaftsrechts. Die Klägerin habe dazu bloß ausgeführt, daß die Buchstabenfolge "nach inländischer Rechtsauffassung" keine Kennzeichnungskraft besitze. Darüberhinaus zwinge der Umstand, daß die Buchstabenkombination "XTC" im Rahmen der internationalen Registrierung auch von den österreichischen Behörden für den innerstaatlichen Rechtsbereich nicht beeinsprucht worden sei, daß auch sie dem betreffenden Zeichen Unterscheidungskraft nicht absprächen.

Durch die Verwendung dieser Buchstabenfolge habe die Beklagte in die prioritätsjüngeren Kennzeichenrechte der Klägerin nicht eingreifen können. Wenn aber die Buchstabenfolge mangels Unterscheidungskraft als Marke nicht geeignet wäre, könnte auch dem in derselben Buchstabenfolge bestehenden Teil der Marke der Klägerin keine andere Qualifikation zukommen. Der Gebrauch von Markenbestandteilen, die für sich allein mangels Kennzeichnungskraft nicht registrierungsfähig wären, bedeute keinen Eingriff in das geschützte Markenrecht.

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision wendet sich in erster Linie gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß einer nicht als Wort lesbaren Buchstabenkombination Unterscheidungskraft zukomme, und verweist auf die bisherige Judikatur des Obersten Gerichtshofes.

Gemäß § 1 Abs 1 MSchG 1970 werden unter Marken in diesem Bundesgesetz die besonderen Zeichen verstanden, die dazu dienen, zum Handelsverkehr bestimmte Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von gleichartigen Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden; bei Beurteilung, ob ein Zeichen hiezu geeignet ist, sind alle Tatumstände, insbesondere die Dauer des Gebrauches des Zeichens, nach Maßgabe der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise zu berücksichtigen (Abs 2). Nach der zu § 9 UWG ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kommt reinen Buchstabenzusammensetzungen, die lautlich nicht aussprechbar sind, also kein zusammenhängend lesbares Wort mit ausreichendem Fantasiecharakter ergeben, sondern erkennbar ihren Einzelcharakter behalten, ebenso wie bloßen Gattungsbezeichnungen Namensfunktion in der Regel, insbesondere ohne Verkehrsgeltung, nicht zu, so insbesondere auch dann, wenn ihre Bedeutung ohne Kenntnis einer vollständigen Bezeichnung unverständlich bleibt (ÖBl 1979, 47 - DVO/DVW; ÖBl 1988, 23 - Hogat/Hogast; MR 1992, 37 - CTC; ÖBl 1995, 172 - Entec; ÖBl 1996, 280 - DIY ua).

Art 2 der ersten Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken, 89/104/EWG (MarkenRL), bestimmt ausdrücklich, daß Marken alle Zeichen sein können, die sich graphisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nach dieser Richtlinie sind Buchstaben nicht generell als Marken ausgeschlossen. Durch die MSchG-Nov 1992 BGBl 1992/773 wurde das geltende MSchG der Richtlinie angepaßt, ohne daß § 1 MSchG eine Änderung erfahren hat. Nach herrschender Auffassung haben sich die Gerichte bei Auslegung einer nationalen Vorschrift, die der Umsetzung einer Richtlinie der EG dient (Art 189 Abs 3 EWG), soweit wie möglich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie zu orientieren und Rechtsbegriffe, die in der Richtlinie und im innerstaatlichen Recht übereinstimmen, entsprechend den gemeinschaftlichen Begriffen auszulegen (Gamerith, Das Vorabenscheidungsverfahren nach Art 177 EGV in Wettbewerbssachen, ÖBl 1995, 51 ff [54]; Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht2, 179; EuGH EuZW 1993, 544 - Nissan; ÖBl 1996, 28 - Teure Schilling 185; ÖBl 1996, 231 - Chargen-Nummer).

Wegen des Grundsatzes, daß nationales Recht richtlinienkonform auszulegen ist, wird in der österreichischen Literatur zur Registrierbarkeit von Buchstabenkombinationen die Auffassung vertreten, daß die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Lichte der Richtlinie zu streng sei (Koppensteiner, Österreichisches und Europäisches Wettbewerbsrecht3, 820); die Rechtsprechung werde diese bisherige Judikatur zur Eintragungsfähigkeit derartiger Buchstaben einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und die Eintragungsfähigkeit von Buchstabenkombinationen unter dem Gesichtspunkt der Unterscheidungskraft in richtlinienkonformer Interpretation großzügiger zu bejahen haben (Pöchhacker in Koppensteiner, Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsprivatrecht Teil 2, 72, 74).

§ 1 MSchG iVm § 20 Abs 3 MSchG entspricht der MarkenRL, wenngleich das österreichische Gesetz eine (beispielhafte) Aufzählung der möglichen Gestaltungsformen von Marken nicht enthält. Die Vorschrift enthält auch - wie die Richtlinie - kein generelles Eintragungsverbot für bestimmte Formen. Nur die Kennzeichnungskraft - ausgenommen die weiteren, hier nicht in Frage kommenden Eintragungshindernisse oder -modalitäten in Art 3 MarkenRL bzw in den §§ 4 bis 7 MSchG oder bei Kollision mit älteren Rechten in Art 4 MarkenRL bzw § 21 MSchG - der als Marke in Anspruch genommenen Formen ist ausschlaggebend. Aus Art 2 MarkenRL ergibt sich, daß Buchstaben (-Gruppen), die nicht zugleich Wörter sind, welche ebenfalls in der beispielhaften Aufzählung vorkommen, bei Kennzeichnungskraft als Marke eingetragen werden können. Auch das MSchG bringt zum Ausdruck, daß solche Buchstaben (-Gruppen) Marken sein können, enthielten doch die §§ 16 Abs 2 und 17 Abs 2 MSchG schon immer ua Bestimmungen über die Registrierung von Marken, die bloß aus Buchstaben bestehen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die bisherige Rechtsprechung im Lichte der MarkenRL als zu streng zu beurteilen ist, kann im vorliegenden Fall unterbleiben, weil die Marke XTC auch nach den Grundsätzen der bisher ergangenen Rechtsprechung als unterscheidungskräftig anzusehen ist. Wenngleich die Buchstabenkombination XTC keine lautliche Einheit bildet, handelt es sich dabei um eine nicht regelmäßig verwendete, einprägsame und damit originelle Zusammenstellung von Buchstaben, die geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Der Klägerin ist aber auch § 3 MSchG entgegenzuhalten. Demnach kann das Markenrecht nur insoweit erworben werden, als die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis enthaltenen Waren und Dienstleistungen aus den Unternehmen des Anmelders oder des Erwerbers hervorgehen können; es erlischt, soweit diese Voraussetzung, wegfällt. Daß Inhaber einer Marke nur ein einschlägiges Unternehmen sein darf, gilt demnach sowohl für den (originären und derivativen) Erwerb der Marke als auch für deren Fortbestehen. Gerade die Einführung der freien Übertragbarkeit der Marke (§ 11 MSchG) ließ es dem Gesetzgeber angezeigt erscheinen, das Erfordernis des Bestehens eines Unternehmens ausdrücklich zu normieren, um den unerwünschten "Handel" mit Marken zu verhindern (RV z MSchG-Nov 1977, 489 BlgNR 14. GP zu § 3 MSchG). Die Löschung einer solchen Marke hat nach § 29 Abs 1 Z 3 MSchG nur deklarative Bedeutung (ÖBl 1992, 102 - Tiroler Spatzen). Die MarkenRL verlangt ein Abgehen vom Erfordernis eines Geschäftsbetriebes des Markeninhabers nicht ausdrücklich; eine richtlinienkonforme Auslegung des § 3 MSchG iS des Entfallens eines solchen Geschäftsbetriebes wäre mangels eines entsprechenden Auslegungsspielraumes nicht möglich (ÖBl 1997, 83 - Football Acco ciation). Betreibt die Klägerin aber ein Werbeunternehmen, konnte sie eine Marke für die diversen Getränke der Warenklassen 32 und 33 nicht erwerben.

Der Revision war sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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