OGH 6Ob173/97b

OGH6Ob173/97b11.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Jörg Hans S*****, vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Edith S*****, vertreten durch Dr.Elisabeth Constanze Schaller, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 15.April 1997, GZ 2 R 124/97b-7, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Rottenmann vom 24.Februar 1997, GZ 1 C 27/97g-4, ersatzlos behoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird als nichtig aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs der klagenden Partei nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Seit 30.11.1993 ist beim Bezirksgericht Hernals eine auf § 55 Abs 1 EheG gestützte Scheidungsklage des Mannes anhängig. Die Frau hatte dem Scheidungsbegehren (gestützt offensichtlich auch auf § 55 Abs 2 EheG) widersprochen. Dieses Verfahren ruht.

Mit der am 17.1.1997 beim (nach den Klageangaben) für den letzten gemeinsamen Wohnsitz der Eheleute zuständigen Bezirksgericht Rottenmann eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Scheidung der Ehe aus dem Grund des § 55 Abs 3 EheG. Die eheliche Gemeinschaft sei seit mehr als 6 Jahren aufgelöst.

Die Beklagte beantragte, die Klage gemäß § 233 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Das beim Bezirksgericht Hernals anhängige Scheidungsverfahren habe die Streitanhängigkeit im Sinne des § 233 Abs 1 ZPO begründet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes ersatzlos auf und trug diesem die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Beim Scheidungsgrund nach § 55 Abs 3 EheG handle es sich um einen von den Voraussetzungen der vorangehenden Absätze dieser Gesetzesstelle unabhängigen, absolut wirkenden Scheidungsgrund, bei dem allein auf die sechsjährige Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft abzustellen sei. Es liege keine Identität zwischen den Bestimmungen des § 55 Abs 1 EheG einerseits und § 55 Abs 3 EheG andererseits vor, wenngleich beiden Bestimmungen eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Eheleute zugrundeliege. Der Fall sei vergleichbar mit denjenigen, in welchen jeweils die Scheidung aus Verschulden begehrt werde und eine Identität des Anspruchs dann zu verneinen sei, wenn die Scheidungsklagen verschiedene Verschuldenstatbestände enthielten. Das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, daß dem Rekurs des Klägers nicht Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigt werde.

In der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Kläger, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise wird der Antrag gestellt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig. Zur Rechtsfrage, ob die Anhängigkeit eines Verfahrens über eine auf § 55 Abs 1 EheG gestützte Scheidungsklage ein Prozeßhindernis für eine in der Folge eingebrachte, auf § 55 Abs 3 EheG gestützte Scheidungsklage bildet, liegt keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor. Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichtes wegen Nichtigkeit auch berechtigt.

Das Erstgericht hat die auf § 55 Abs 3 EheG gestützte Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit, also nach Beteiligung der Beklagten am Verfahren, zurückgewiesen. Das im Verfahren erster Instanz kontradiktorische Verfahren über die Prozeßeinrede der Streitanhängigkeit (§§ 232f ZPO) ist auch im Rekursverfahren zweiseitig (§ 521a Abs 1 Z 3 ZPO). Der Rekurs des Klägers gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wurde der Beklagten nicht zugestellt. Das Rekursgericht hat über diesen Rekurs ohne Beteiligung der Beklagten entschieden und damit das Recht auf Gehör verletzt. Dies hat die Nichtigkeit der Entscheidung zur Folge, was unter der vorliegenden Voraussetzung, daß der Revisionsrekurs zulässig ist, von Amtswegen wahrzunehmen ist. Das Rekursgericht wird im zweiten Rechtsgang der Beklagten den Rekurs des Klägers zuzustellen und nach dem allfälligen Einlangen einer Rekursbeantwortung oder nach dem Ablauf der gesetzlichen Notfrist über den Rekurs neuerlich zu entscheiden haben. Auf die zu lösenden Rechtsfragen zum Thema des Prozeßhindernisses der Streitanhängigkeit bei Scheidungsklagen, die einerseits auf § 55 Abs 1 EheG und andererseits auf Abs 3 leg cit gestützt werden, ist im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht einzugehen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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