OGH 10ObS276/97d

OGH10ObS276/97d9.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Cornelia W*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Markus Ch.Weinl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallsversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Juli 1997, GZ 25 Nc 1/97k-5, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 15.5.1990, 35 Cgs 1/90-41 (bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 25.9.1990, 5 Rs 128/90) wurde die beklagte Partei verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 15.9.1987 bis 21.9.1988 für die Folgen des Unfalles vom 23.9.1978 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente zu gewähren; das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Versehrtenrente für die Zeit ab 22.9.1988 wurde abgewiesen.

Mit der am 30.5.1997 beim Landesgericht Feldkirch eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Wiederaufnahme dieses Verfahrens. Im Vorverfahren sei der Entscheidung ein ärztliches Sachverständigengutachten zugrundegelegt worden, das unvollständig gewesen sei; insbesondere sei die Begutachtung durch einen neurologischen Sachverständigen unterblieben. Im Rahmen eines von der Klägerin gestellten Verschlimmerungsantrages, sei nunmehr im Verfahren vor der beklagten Partei ein ärztliches Gutachten eingeholt worden, aus dem sich ergebe, daß gravierende Unfallfolgen vorliegen, die auch schon zum Zeitpunkt des Vorverfahrens bestanden hätten. Daraus ergebe sich, daß die Feststellungen im Vorverfahren unrichtig gewesen seien. Die neuen Gutachten seien dem Klagevertreter am 2.5.1997 zugestellt worden, so daß die gesetzliche Klagefrist gewahrt sei.

Über entsprechende Anzeige des zuständigen Richters stellte das Landesgericht Feldkirch dessen Befangenheit fest, weil er mit der Schwester der Klägerin maturiert habe und mit dem Klagevertreter befreundet sei, und wies die Sache einem anderen Richter des Landesgerichtes zu.

Mit Schriftsatz vom 8.7.1997 beantragte die Klägerin die zeugenschaftliche Vernehmung des seinerzeitigen Verhandlungsrichters im Verfahren 35 Cgs 1/90 zum Vorbringen der Wiederaufnahmsklage. Mit Schriftsatz vom selben Tag erklärte die Klägerin alle Richter des Landesgerichtes Feldkirch einschließlich des Präsidenten und Vizepräsidenten abzulehnen. Sie habe unmittelbar nach dem Arbeitsunfall vom 23.9.1978 einen Antrag auf Gewährung einer Versehrtenrente gestellt, der von der beklagten Partei abgewiesen worden sei. Zufolge unrichtiger Beratung durch ihren seinerzeitigen Rechtsvertreter sei dieser Bescheid unangefochten geblieben. Dieser damalige Rechtsvertreter der Klägerin pflege freundschaftliche Kontakte zu einem Großteil der Richter des Landesgerichtes Feldkirch und stehe sowohl mit dem seinerzeitigen Verhandlungsrichter wie auch mit dem Richter, dem die Sache nunmehr zugewiesen sei, in privatem Kontakt. Aus diesem Grund sei auch ein Verfahren, in dem die Klägerin ein Schadenersatzbegehren gegen ihren früheren Rechtsvertreter erhebe, über Befangenheitsanzeige der Klägerin vom Oberlandesgericht Innsbruck dem Landesgericht Feldkirch abgenommen und dem Landesgericht Innsbruck zugewiesen worden. Zudem sei im Wiederaufnahmsverfahren der nach wie vor am Landesgericht Feldkirch tätige seinerzeitige Verhandlungsrichter über Antrag der Klägerin als Zeuge zu vernehmen und damit in den Rechtsstreit involviert. Alle diese Umstände begründeten die Befangenheit aller Richter des Landesgerichtes Feldkirch.

Das Oberlandesgericht Innsbruck wies den Antrag der Klägerin, sämtliche Richter des Landesgerichtes Feldkirch für befangen zu erklären, zurück. Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens sei das Begehren der Klägerin auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu 35 Cgs 1/90 des Landesgerichtes Feldkirch, eines Verfahrens, dessen Gegenstand ein von der Klägerin gegen die beklagte Partei erhobenes Begehren auf Gewährung ein von der Klägerin gegen die beklagte Partei erhobenes Begehren auf Gewährung einer Versehrtenrente sei. Der Umstand, daß mehrere Richter des Landesgerichtes Feldkirch freundschaftliche Kontakte zum seinerzeitigen Rechtsvertreter der Klägerin pflegten, sei auf dieses Verfahren ohne Einfluß. Während das Verfahren, in dem über Antrag der Klägerin die Befangenheit aller Richter des Landesgerichtes Feldkirch festgestellt worden sei, gegen den seinerzeitigen Rechtsvertreter der Klägerin geführt werde, dieser sohin dort Prozeßpartei sei, stehe er mit dem vorliegenden Verfahren in keinem Zusammenhang. Auch daß der Richter, der die Sache nunmehr zu führen habe, mit anderen Richtern des Landesgerichtes Feldkirch, darunter auch dem seinerzeitigen Verhandlungsrichter zu 35 C 1/90, befreundet sei, vermöge dessen Befangenheit nicht zu begründen, dies ungeachtet des Umstandes, daß der seinerzeitige Verhandlungsrichter nunmehr als Zeuge geführt werde.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Ablehnungsantrag stattgegeben und die Sache dem Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht zugewiesen werde.

Der Rekurs, über den in einem Senat aus 3 Berufsrichtern zu entscheiden war (§ 11 Abs 4 ASGG), ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht hat über einen Ablehnungsantrag aufgrund der Prüfung der geltend gemachten Ablehnungsgründe zu entscheiden. Die wesentlichen Umstände wurden aus dem Akt 35 Cgs 1/90 festgestellt. Die übrigen im Rekurs zitierten Akten wurden im Ablehnungsverfahren zum Nachweis der vorgetragenen Ablehnungsgründe nicht geführt, so daß die Unterlassung der Prüfung des Inhaltes dieser Akten schon aus diesem Grund keinen Verfahrensmangel bilden kann. Im übrigen wird auch im Rekurs nicht ausgeführt, welche Erkenntnisse aus diesen Akten zu gewinnen wären und welche Auswirkung dies auf das Ergebnis der Entscheidung gehabt hätte.

Zur Begründung ihres Standpunktes, daß die Ablehnung zu Unrecht zurückgewiesen worden sei, führt die Klägerin aus, daß sehr wohl ein Zusammenhang dieses Verfahrens mit ihrem seinerzeitigen Rechtsvertreter sowie dessen (nach ihrer Meinung) mangelhafter Vertretungstätigkeit gegeben sei. Über dessen Beratung sei der Bescheid aus dem Jahr 1978 unangefochten geblieben. Ergäbe sich im wiederaufzunehmenden bzw im wiederaufgenommenen Verfahren, daß das zu 35 Cgs 1/90 erhobene Begehren auf Gewährung einer Versehrtenrente zu Recht bestehe, so stehe damit fest, daß die Beratung im Jahr 1978 falsch gewesen sei, weil dann auch bereits zum damaligen Zeitpunkt Anspruch auf Versehrtenrente bestanden hätte. Das Ergebnis des Verfahrens sei daher auf den gegen den seinerzeitigen Rechtsvertreter erhobenen Schadenersatzanspruch von Einfluß. Da der seinerzeitige Verhandlungsrichter als Zeuge zu vernehmen sei, liege auch deshalb der Befangenheitsgrund vor.

Diesen Ausführungen ist nicht beizutreten. Gegenstand des Verfahrens ist vorerst nur das Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu 35 Cgs 1/90. Zu prüfen ist dabei, ob der Klage auf einen nach dem Gesetz zur Verfügung stehenden Wiederaufnahmsgrund gestützt wird, ob dieser Grund vorliegt und (§ 530 Abs 1 Z 7 ZPO) die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel geeignet sind, eine andere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen und ob die Klage fristgerecht erhoben wurde.

Die materielle Prüfung des Anspruches ist (abgesehen von der Eignung des Wiederaufnahmsgrundes, eine andere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen) nicht Gegenstand des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage. Alle Umstände, die die Klägerin jedoch für das Vorliegen des Befangenheitsgrundes im Zusammenhang mit freundschaftlichen Beziehungen ihres seinerzeitigen Rechtsvertreters zu Richtern des Landesgerichtes Feldkirch ins Treffen führt, beziehen sich nur auf die Entscheidung über das im Verfahren zu 35 Cgs 1/90 erhobene Begehren, das vorerst nicht Prozeßgegenstand ist. Im übrigen steht keineswegs fest, daß (im Falle der Bewilligung der Wiederaufnahme) ein Obsiegen der Klägerin im wiederaufgenommenen Verfahren in der von ihr dargestellten Weise von Einfluß auf Schadenersatzansprüche gegen ihren seinerzeitigen Rechtsvertreter wäre. Gegenstand des wiederaufzunehmenden Verfahrens kann nur das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Versehrtenrente ab 15.9.1987 (Stellung des Verschlimmerungsantrages nach Ablehnung einer Rentenleistung mit Bescheid vom 9.4.1980) sein. Gegenstand des Schadenersatzanspruches gegen den seinerzeitigen Rechtsvertreter kann aber, bei Obsiegen der Klägerin im wiederaufgenommenen Verfahren, nur der davorliegende Zeitraum sein. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin für diese Zeit sind aber auch im Fall der Bewilligung der Wiederaufnahme nicht Gegenstand des wiederaufgenommenen Verfahrens. Es ergibt sich daher, daß zwischen dem Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen ihren seinerzeitigen Rechtsvertreter und dem vorliegenden (aber auch dem Begehren im wiederaufzunehmenden Prozeß) kein Zusammenhang besteht, der die Annahme der Befangenheit von mit diesem befreundeten Richtern des Landesgerichtes Feldkirch rechtfertigen könnte.

Ein konkretes Beweisthema zum Beweisantrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Verhandlungsrichters im Vorprozeß wurde nicht angegeben. Offenbar soll die Vernehmung über Umstände im Zusammenhang mit der Prozeßführung in diesem Verfahren erfolgen, wobei aus dem Vorbringen nicht nachvollziehbar ist, über welche für die Entscheidung über das Wiederaufnahmsbegehren wesentlichen Umstände dieser befragt werden soll, wird doch die Wiederaufnahme darauf gestützt, daß die im Vorprozeß abgegebenen Sachverständigengutachten mangelhaft gewesen seien. Jedenfalls kann aber die Tatsache, daß ein Richter über Vorgänge in einem von ihm geführten Verfahren, sohin über dienstliche Wahrnehmungen zu befragen ist, die Befangenheit eines Richters, der mit dem als Zeugen zu vernehmenden Richter näher bekannt oder befreundet ist, für sich allein nicht rechtfertigen.

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat daher die Eignung der geltend gemachten Gründe zur Annahme der Befangenheit aller Richter des Landesgerichtes Feldkirch zu Recht verneint.

Das Begehren auf Kostenersatz besteht nicht zu Recht, weil eine Kostenersatzpflicht im Ablehnungsverfahren nicht vorgesehen ist (SZ 63/24).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte