OGH 14Os88/97

OGH14Os88/979.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.September 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.Holzweber, Dr.Ratz und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kunz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz F***** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4.Dezember 1996, GZ 9 a Vr 3.464/96-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz F***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1), des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (3) sowie des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (4) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

(1) von 1989 bis Anfang November 1995 die am 10.November 1981 geborene, sohin unmündige Anna E***** durch Abgreifen an der Brust und am Geschlechtsteil sowie Einführen eines Fingers und eines Vibrators in die Scheide wiederholt auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;

(2) von November 1994 bis Anfang November 1995 wiederholt mit der genannten unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf unternommen;

(3) von November 1994 bis Anfang 1996 die Genannte wiederholt durch die Äußerung, er werde sie umbringen, wenn sie dies nicht tue und jemandem etwas davon erzähle, sohin durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, zur Duldung des Beischlafes genötigt;

(4) durch die unter Punkt (1) beschriebenen Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht mißbraucht.

Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten aus den Gründen der Z 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde versagt.

Rechtliche Beurteilung

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Ablehnung der Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen. Diesen hatte er in der Hauptverhandlung zum Beweis dafür beantragt, daß die Aussage der Zeugin Anna E***** "der Fantasie entspringt und nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmt" (S 223 ff).

Dem ist in Übereinstimmung mit den völlig zutreffenden Ausführungen im Urteil (US 16 f) zu entgegnen, daß für die Würdigung von Aussagen jugendlicher Zeugen, die gemäß § 258 StPO ausschließlich dem Gerichtshof zukommt, das Gutachten eines Psychiaters oder Jugendpsychologen nur in besonders gelagerten Fällen, so etwa bei festgestellter abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Hinsicht, Entwicklungsstörungen oder sonstigen Defekten von Jugendlichen geboten ist. Die in der Beschwerde eingewendeten Umstände, das Mädchen habe sich gerade in der Pubertät befunden, Probleme mit seiner Mutter gehabt und wiederholt seine belastenden Angaben geändert, - Umstände, die im übrigen in der Hauptverhandlung zur näheren Begründung der Antragstellung gar nicht angeführt worden sind -, rechtfertigen für sich allein den erwähnten Beweisantrag nicht (Mayerhofer StPO4 § 150 E 41, 44, 47, § 281 Z 4 E 113, 117, 118).

Für die erfolgreiche Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO aus der Ablehnung einer Fragestellung des Verteidigers an die Zeugin Anna E***** fehlt es schon an der formellen Voraussetzung, daß in der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt oder gegen dessen Antrag oder Widerspruch vom Schöffengericht ein Zwischenerkenntnis gefällt worden ist. Seitens der Verteidigung wurde ein Antrag, der das Schöffengericht zur Entscheidung über die Zulassung der Frage hätte veranlassen müssen, nicht gestellt; die bloße Fragestellung aber - auch wenn der Verteidiger das damit verfolgte Ziel in der Hauptverhandlung dargelegt hatte - und deren Untersagung durch den Vorsitzenden (§ 249 Abs 2 StPO) vermögen die formellen Kriterien für diesen Nichtigkeitsgrund nicht zu erfüllen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 6).

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) weicht der Beschwerdeführer vom Urteilssachverhalt ab, indem er von den Tatrichtern als erwiesen angenommene Tatsachen in Zweifel zu setzen sucht; er verfehlt damit die prozeßordnungsgemäße Ausführung der Beschwerde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte