OGH 15Os64/97

OGH15Os64/9728.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.August 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Ebner, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Robert F***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 25.November 1996, GZ 25 Vr 1797/96-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, und des Verteidigers Dr.Tews, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Robert F***** des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf

1. zur Unzucht zu mißbrauchen versucht, und zwar Mitte August 1996 in Leonding den am 28.Oktober 1982 geborenen Andreas Fr***** und den am 25. Oktober 1983 geborenen Rene Z*****, indem er sie am Geschlechtsteil (nach den Urteilsgründen: im unmittelbaren Nahbereich der Genitalien - US 7) betastete, und

2. zur Unzucht mißbraucht, und zwar ab Mitte bis Ende August 1996 in zumindest drei Fällen anläßlich gemeinsamer Fahrten, nämlich zweimal in der Republik Tschechien in der Nähe des Grenzüberganges Wullowitz sowie einmal in Leonding, den am 28.Oktober 1982 geborenen Andreas Fr*****, indem er mit ihm jeweils gegenseitig Handverkehr durchführte.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Rechtliche Beurteilung

Die (ersichtlich aus der Wiederholung der Unzuchtsakte an unmündigen Knaben erschlossene) Feststellung des Erstgerichtes, wonach der Angeklagte pädophil veranlagt sei (S 3), bedurfte keiner näheren Begründung, weil eine derartige Neigung der Mängelrüge (Z 5) zuwider keine "tatbestandsverwirklichende Grundvoraussetzung für die Verwirklichung der dem Angeklagten zur Last gelegten Taten", demgemäß deren Feststellung weder für den Schuldspruch nach § 207 Abs 1 StGB noch für den anzuwendenden Strafsatz entscheidungswesentlich und daher einer Anfechtung mit einer Mängelrüge nicht zugänglich ist. Außerdem ist das Erstgericht in seiner äußerst peniblen Untersuchung des Beweiswertes der den Angeklagten belastenden Aussagen keineswegs von einer Pädophilie als Prämisse ausgegangen; eine Schlußfolgerung aus den konstatierten Tathandlungen war indes zulässig.

Auch eine Aktenwidrigkeit haftet der Urteilsbegründung nicht an. Zwar wurde in den Urteilsgründen im Rahmen der beweiswürdigenden Erwägungen unzutreffend Andreas Fr***** (statt richtig Rene Z***** S 59 ff) als jene Auskunftsperson angeführt, mit der am 5.September 1996 ein Gedächtnisprotokoll aufgenommen wurde (US 21). Aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung, die dem Gedächtnisprotokoll die Aussage des Andreas Fr***** gegenüberstellt, und sodann wiederholt auf Rene Z***** Bezug nimmt, geht jedoch eindeutig hervor, daß es sich bei der unrichtigen Benennung der Auskunftsperson nur um einen unberichtigt gebliebenen Schreib- oder Diktatfehler handelt, zumal nur mit Rene Z*****, nicht aber mit Andreas Fr***** am 5.September 1996 ein "Gedächtnisprotokoll" aufgenommen wurde ("Niederschrift-Aktenvermerk" betreffend Andreas Fr***** vom 5. September 1996, S 67 ff), dessen Inhalt im Urteil auch aktengetreu wiedergegeben wird.

Daß das Erstgericht den Tatvorsatz des Angeklagten lediglich aus den "äußeren Geschehnisabläufen" abgeleitet hat (US 23), stellt gleichfalls keinen Begründungsmangel dar, zumal inneres Vorhaben insbesondere bei leugnenden Angeklagten in der Regel nur durch eine Schlußfolgerung aus dem nach außen hin in Erscheinung getretenen Verhalten möglich ist. Der Angeklagte hat die Kenntnis des Alters der Opfer nicht in Abrede gestellt. Daß er in Ansehung des Mißbrauchs der beiden Unmündigen zur Unzucht nicht nur mit (zur Tatbestandsverwirklichung ausreichendem) bedingtem Vorsatz, sondern sogar absichtlich gehandelt hat, konnten die Tatrichter bei den drei vollendeten Taten mit Andreas Fr***** (2.) folgerichtig aus den eindeutigen Tatumständen (gegenseitiger Handverkehr) ableiten, die geradezu zwingend den Unzuchtsvorsatz indizieren. Aufgrund dieser späteren Taten und dem ungewöhnlichen Vorgang, daß er sich auf die hintere Sitzbank seines auf einem (mit Sträuchern und Bäumen umgebenen, US 6) Parkplatz abgestellten Autos zu den beiden Unmündigen setzte und diese am gesamten Oberkörper "kitzelte", widerspricht aber auch die (US 11) Feststellung, daß schon die Versuchstat (1.) von der gleichen Absicht getragen war, weder den Denkgesetzen noch der Lebenserfahrung.

Gegen den Schuldspruch wegen versuchter Unzucht mit Unmündigen (1.) wendet die Rechtsrüge ein, daß das Erstgericht rechtsirrtümlich die Tat als bereits strafbaren Versuch statt richtig als straflose Vorbereitungshandlung gewertet (Z 9 lit a) und übersehen habe, daß dem Angeklagten der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (Z 9 lit b) zugute komme.

Gemäß § 15 Abs 2 StGB ist eine Tat versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen, durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Wie der Angeklagte an sich richtig erkennt, ist ausführungsnah das Verhalten eines Täters in objektiver Beziehung, wenn es im nahen Vorfeld der Erfolgsverwirklichung liegt, und in subjektiver Beziehung, wenn der Täter die entscheidende Hemmstufe vor der Verwirklichung des verpönten Erfolges überwunden hat (Leukauf/Steininger Komm3 § 15 RN 9). Beide Kriterien können den vorliegenden Feststellungen zu Punkt 1. des Schuldspruches entnommen werden, sodaß für die vom Angeklagten angestrebte rechtliche Beurteilung seines Verhaltens als strafbare Vorbereitungshandlung kein Raum bleibt:

Zum einen hat der Angeklagte (in subjektiver Hinsicht) "all die dargestellten unzüchtigen Handlungen mit Rene Z***** und vornehmlich Andreas Fr***** (somit auch die Tathandlung laut Pkt 1. des Schuldspruches) in Kenntnis des (unmündigen) Alters der Knaben jeweils in der Absicht vorgenommen, sich hiedurch selbst geschlechtlich zu erregen und in der Folge auch zu befriedigen" (US 11). In Ausführung dieses Vorhabens setzte er sich auf die hintere Sitzbank seines Kraftfahrzeuges zwischen die beiden Unmündigen (Andreas Fr***** und Rene Z*****), wobei er sie zielgerichtet am Oberkörper kitzelte und mit seinen Fingern dabei auch zum Genitalbereich beider Buben "wanderte", um sie dort zu betasten bzw "auszugreifen" (US 6, 7). Ein (mit dem Vorsatz auf Vornahme unzüchtiger Handlungen erfolgtes) Betasten eines Unmündigen (zwar noch) oberhalb der Bekleidung, aber im unmittelbaren Genitalbereich, stellt sich bereits als Beginn der Ausführung der (angestrebten) Unzucht mit Unmündigen dar. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß diesem Betasten des Genitalbereiches ein "Kitzeln" am Oberkörper beider Unmündiger vorangegangen war (US 7). Unter entsprechenden - hier gegebenen - Begleitumständen können nämlich auch an sich sexuell indifferente Handlungsweisen ein Indiz für einen weitergehenden Tätervorsatz (und damit gegebenenfalls Versuchshandlungen) bedeuten (Leukauf/Steininger aaO § 207 RN 7).

Für den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) fehlt es nach den Urteilsfeststellungen an der hiefür erforderlichen Freiwilligkeit des Täters, die Tatausführung aufzugeben. Wohl können auch äußere (situationsbedingte) Umstände für die Abstandnahme von der Tatvollendung maßgebend sein, doch muß dem Täter gleichwohl die Vorstellung erhalten bleiben, daß eine seinem Tatplan entsprechende Tatvollendung noch möglich wäre. An der Freiwilligkeit mangelt es hingegen, wenn der Täter - wie hier (vgl US 22) - die Tatvollendung lediglich deshalb aufgibt, weil sich sein Opfer weigert, die von ihm verlangten Unzuchtsakte vorzunehmen (Leukauf/Steininger, aaO § 16 RN 2, 3), und er sich bloß nicht entschließen kann, nunmehr tatplanwidrig weitere verpönte Mittel zur Erreichung seines Zieles einzusetzen. Da nach den Feststellungen die Tatvollendung lediglich an der unmißverständlichen (US 7) ablehnenden Stellungnahme der beiden Unmündigen scheiterte und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Angeklagte diese Weigerung nicht für endgültig und sein Vorhaben damit als aussichtslos halten mußte, ist die Tatvollendung nicht aus einem autonomen Motiv des Angeklagten heraus und damit unfreiwillig erfolgt (Hager/Massauer im WK §§ 15, 16 RN 116 f, 131 f; Fuchs AT2 283; Kienapfel AT6 128; Triffterer AT2 370 f).

Das Vorbringen des Verteidigers im Gerichtstag, angesichts der Unmöglichkeit der Feststellung der Tatzeitpunkte sei denkbar, daß die Versuchstat (laut Punkt 1. des Urteilsspruches) nach einer der vollendeten Tathandlungen (laut Punkt 2.) stattgefunden habe, weshalb die Weigerung der Knaben nicht (mehr) ernst zu nehmen gewesen sei, geht einerseits als unzulässige Neuerung über die Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde hinaus, andrerseits entfernt es sich von den Urteilsfeststellungen, nach denen zwar die Tatzeitpunkte datumsmäßig nicht mehr eruierbar sind, jedoch im Verhältnis zueinander die Versuchstat zuerst verübt wurde und "in weiterer Folge" die Fahrten nach Tschechien erfolgten (US 7) und zuletzt jene nach Leonding (US 11), wo es zur Tatvollendung kam.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 207 Abs 1 StGB eine vierzehnmonatige Freiheitsstrafe, von der es einen Teil von zwölf Monaten gemäß § 43 a Abs 3 StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Es wertete im Rahmen der Strafzumessung als erschwerend die Wiederholung der strafbaren Handlung in bezug auf das Tatopfer Fr***** sowie die Tatsache, daß die Unzuchtshandlungen an zwei Unmündigen begangen wurden, als mildernd demgegenüber den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und daß es teilweise beim Versuch geblieben ist. Besonderes Gewicht maß es auch dem Umstand bei, "daß die beiden Opfer des Angeklagten zum Tatzeitpunkt bzw den Tatzeiten erst 13 Jahre (Rene Z*****) bzw 14 Jahre (Andreas Fr*****) waren".

Mit seiner dagegen gerichteten Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe auf acht Monate und des bedingt nachgesehenen Teiles der Freiheitsstrafe auf einen Monat an.

Ungeachtet der insoweit zutreffenden Ausführungen in der Berufung, die der Sache nach eine Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO wegen Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot darstellen, ist die ausgesprochene Freiheitsstrafe im Ergebnis keineswegs überhöht. Denn neben den eingangs erwähnten besonderen Erschwerungsgründen enthält das Urteil noch weitere Erwägungen über die vom Täter verschuldete Rechtsgutbeeinträchtigung. So wird in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise das Verhalten des Angeklagten, der sich "in genauer Kenntnis des Unrechtes seiner Handlungen geschickt und beharrlich an die beiden Minderjährigen herangemacht hat", mithin die reifliche Überlegung der Taten (§ 34 Abs 3 StGB), dargelegt. Zu berücksichtigen sind ferner generalpräventive Momente, sodaß die begehrte Strafreduktion in keine Richtung hin berechtigt ist.

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