Spruch:
Der Revision wird dahin Folge gegeben, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.129,36 (darin enthalten S 3.021,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 7.6.1994 schlossen die Streitteile vor dem Handelsgericht Wien einen Vergleich, in welchem sich der Kläger verpflichtete, der Beklagten zu Handen ihres Vertreters einen Betrag von S 80.000 zuzüglich 6 % Zinsen seit 2.6.1993 und mit S 15.000 verglichene Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu zahlen (Punkt 1.). Von dieser Verpflichtung konnte sich der Kläger befreien, "wenn und solange er einen Betrag von S 20.000 in zehn Monatsraten a S 2.000, die erste Rate fällig am 15.7.1993, die Folgeraten am 15. der Folgemonate, bei 10-tägigem Respiro, bezahlt. Bei Verzug mit einer Rate tritt Terminsverlust ein und Punkt 1. in Kraft." (Punkt 2.). Der Kläger zahlte in der Folge am 18.7.1994, 19.8.1994, 16.9.1994, 21.10.1994, 28.11.1994, 27.12.1994, 24.1.1995 und 6.2.1995 jeweils S 2.000 sowie am 17.2.1995 zweimal S 2.000, insgesamt daher S 20.000 an den Rechtsfreund der Beklagten. Über am 16.1.1995 beim Erstgericht eingelangten Antrag bewilligte dieses am selben Tag der Klägerin wider den Beklagten aufgrund des zitierten Vergleiches Fahrnis- und Lohnexekution zur Hereinbringung ihrer Forderung von S 80.000 aus Punkt 1. des Vergleiches samt Zinsen und Kosten von S 3.000. Die Beklagte machte erstmals am 12.1.1995 mit Schreiben ihres Vertreters an die seinerzeitigen Rechtsfreunde des Klägers Terminsverlust geltend. Die verspätete Zahlung vom 28.11.1994 wurde ohne jeden Vorbehalt angenommen, Terminsverlust wurde weder behauptet noch geltend gemacht.
Der Kläger begehrt, den betriebenen Anspruch für erloschen zu erklären. Im Zeitpunkt der Einbringung der Exekution am 12.1.1995 sei er mit keiner Rate in Verzug gewesen. Durch die Annahme der verspäteten Raten für November und Dezember habe die Beklagte die kurzfristige Verspätung akzeptiert und der Terminsverlust sei geheilt worden. Die Exekutiosführung wäre auch sittenwidrig.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte ein, es sei Terminsverlust eingetreten. Von einem kommentarlosen Annehmen könne nicht gesprochen werden, wenn am 30.12.1994 diese Ratenzahlung verspätet eingelangt und bereits am 12.1.1995 der Gegenseite von der Geltendmachung des Terminsverlustes Mitteilung gemacht worden sei.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf im wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß wegen § 903 dritter Satz ABGB die Dezember-Rate nicht verspätet bezahlt worden sei. Eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung der Streitteile liege nicht vor. Zwar hätte die dreitägige Verspätung der November-Rate die Beklagte berechtigt, Terminsverlust und Wiederaufleben geltend zu machen. Sie habe diese Zahlung jedoch ohne jeden Vorbehalt angenommen. Darin sei ein Verzicht auf die Geltendmachung des Terminsverlustes und des Wiederauflebens der Forderung zu erblicken. Daher sei der Kläger zum Zeitpunkt der Einbringung des Exekutionsantrages nicht säumig gewesen. Da der Kläger in der Folge noch vor der vereinbarten Leistungszeit alle Raten bezahlt habe, sei der Anspruch der betreibenden Partei aus dem Vergleich erloschen.
Der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Klage abwies. Aus der Textierung des Vergleiches ergebe sich keinesfalls, daß durch die Vereinbarung einer zehntägigen Respirofrist auch beabsichtigt gewesen sei, die vom Gesetz als Schickschuld beurteilte Geldleistung müsse am Fälligkeitstag bereits beim Rechtsfreund der Beklagten eingelangt sein. Bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichts sei aber nach der Rechtsprechung besondere Vorsicht geboten. Es dürfe kein vernünftiger Grund an einem derartigen Verzichtswillen zu zweifeln vorliegen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger die November-Rate erst am 28.11.1994 und daher auch unter Berücksichtigung der zehntägigen Respirofrist verspätet überwiesen. Darauf habe der Rechtsfreund der Beklagten mit Schreiben vom 12.1.1995, also etwa binnen sechs Wochen reagiert, wobei berücksichtigt werden müsse, daß dazwischen die Weihnachtsfeiertage und der Jahreswechsel gelegen seien. Schon zufolge der damit allgemein verbundenen Kommunikationsverzögerungen könne das Schreiben nicht als verspätete Reaktion beurteilt werden. Das Verhalten der Beklagten könne daher nicht als Verzicht gewertet werden, woran auch die Annahme der weiteren Raten nichts zu ändern vermöge. Es habe daher die verspätete Zahlung Terminsverlust bewirkt, weshalb sich an der Beurteilung nichts ändern würde, wenn man die Zahlung vom 27.12.1994 als fristgerecht ansehen wollte.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung nicht zulässig sei.
Dieses Urteil bekämpft der Kläger mit seiner auf Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung gestützten Revision, mit der er die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt. Hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil ein vergleichbarer Sachverhalt bisher vom Obersten Gerichtshof nicht zu beurteilen war, sie ist auch berechtigt.
Vorweg ist klarzustellen, daß in der vom Berufungsgericht offengelassenen Frage, ob auch Verzug mit der Dezember-Rate vorlag, der Auffassung des Erstgerichtes beizupflichten ist, daß dies auf Grund des § 903 dritter Satz ABGB nicht der Fall ist. Letzter Tag der Respirofrist im Dezember wäre der 25.Dezember gewesen, der ebenso wie der darauffolgende 26.Dezember ein gesetzlicher Feiertag ist. Letzter Tag der Frist war daher der 27.12.1995. Die an diesem Tag erfolgte Zahlung war somit rechtzeitig. Eine abweichende Vereinbarung wurde weder behauptet noch bewiesen.
Zutreffend hat zwar das Berufungsgericht dargelegt, daß das Vorliegen eines stillschweigenden Verzichts mit besonderer Vorsicht zu beurteilen ist. Nach Stanzl (in Klang2 IV/1, 698 und den von ihm zitierten Autoren und älteren E) ist bei Vereinbarung eines Terminsverlustes mit der vorbehaltlosen Annahme einer rückständigen Leistung auf die Folgen des Terminsverlustes verzichtet, weil der Gläubiger eine Teilzahlung nicht anzunehmen braucht und durch die Annahme der rückständigen Leistung zum Ausdruck bringt, daß er darin die ganze ihm geschuldete Zahlung erblickt, also den durch den Terminsverlust ausgelösten weiteren Anspruch nicht geltend machen will. Dem pflichtet auch Reischauer (in Rummel2 § 904 Rz 14) für den Regelfall bei; gegenteilig, allerdings ohne nähere Begründung Schwimann/Binder ABGB2 V § 904 Rz 49). Der Auffassung von Stanzl hat sich der Oberste Gerichtshof auch in den E MietSlg 33.248 und RZ 1973/149 = HS 8298 angeschlossen (insoweit gegenteilig, allerdings die E 4 Ob 510/81, die jedoch aus anderen Erwägungen zu einem Verzicht auf die Geltendmachung des Terminsverlustes kommt). Festzuhalten ist auch noch, daß Stanzl und Binder (jeweils aaO) im Gegensatz zum OGH (HS 593/60; RZ 1973/149) lehren, daß geringe Ungenauigkeiten der Leistung bzw geringfügige Verzögerungen nicht zum Terminsverlust führen. Im vorliegenden Fall ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes darin, daß die Beklagte die um drei Tage verspätet erfolgte Zahlung der November-Rate vorerst hinnahm und erst am 12.1.1996 (offenbar in der irrigen Annahme einer Verspätung auch der Dezember-Rate) den Terminsverlust schriftlich geltend machte, eine vorbehaltlose Annahme der rückständigen November-Rate zu erblicken. Anders als etwa in dem EvBl 1955/226 zugrundeliegenden Fall ging es hier um die erste und einzige Verspätung mit einer Ratenzahlung und darüber hinaus der nicht nur um die sofortige Fälligwerdung der noch ausstehenden Raten, sondern des weitaus höheren Kapitals nach Punkt 1. des Vergleiches. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte eine Redepflicht getroffen, eine Reaktion auf die Verspätung hätte auch ohne Beeinträchtigung durch Feiertage bis zur Hauptfälligkeit der Dezember-Rate Mitte dieses Monats erfolgen können.
Ist demnach aber ein Terminsverlust zu verneinen, dann ist die Verpflichtung laut Punkt 1. des Vergleiches durch vollständige Bezahlung der zehn Monatsraten a S 2.000 durch den Kläger erloschen, weil der Kläger von der ihm eingeräumten Ersetzungsbefugnis Gebrauch gemacht und die Alternativleistung vollständig erbracht hat.
Demnach war der Revision Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Ein doppelter Einheitssatz gebührt allerdings für die außerordentliche Revision nicht (vgl § 23 Abs 5 RATG).
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