OGH 1Ob255/97z

OGH1Ob255/97z27.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Bundesbahnen, Wien 2., Nordbahnstraße 50, vertreten durch Dr.Bernhard Weissborn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johann S*****, vertreten durch Dr.Eduard Pranz, Dr.Oswin Lukesch und Dr.Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Räumung (Streitwert 156.564,58 S sA) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St.Pölten als Berufungsgerichts vom 21.Mai 1997, GZ 29 R 136/97k, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Für die Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht lassen sich nach ständiger Rechtsprechung keine allgemein gültigen Regeln aufstellen, es kommt vielmehr stets auf die Gesamtheit aller erheblichen Umstände des Einzelfalls (JBl 1993, 590; 6 Ob 608/92; GesRZ 1992, 44; MietSlg 41.080 ff; SZ 58/8 = MietSlg 37.125/7 uva; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 1091 mwN) und auf die Zweckbestimmung der Bestandsache bei Vertragsabschluß bzw auf die dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnisse an (1 Ob 508/91; 8 Ob 534/89; MietSlg 7.034; Binder in Schwimann, ABGB2 Rz 8 zu § 1091).

Unternehmenspacht liegt gewöhnlich dann vor, wenn ein „lebendes Unternehmen“, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des „good will“ gehört, übergeben wird (JBl 1993, 590; 6 Ob 608/92; GesRZ 1992, 44; MietSlg 41.080 ff, 40.114; SZ 58/8 uva). Das umfaßt neben den Räumlichkeiten das, was für den Betrieb des überlassenen Unternehmens und seinen wirtschaftlichen Fortbestand notwendig ist, somit die Betriebsmittel wie die Geschäftseinrichtung, das Warenlager, den Kundenstock und die Gewerbeberechtigung, allenfalls auch das erforderliche Personal. Das bedeutet jedoch nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale als Voraussetzung für eine Qualifikation als Unternehmenspacht gleichzeitig zutreffen müssen. So kann das Warenlager gänzlich fehlen, die Gewerbeberechtigung vom Bestandnehmer selbst zu besorgen oder der Kundenstock nur klein sein (JBl 1993, 590; 6 Ob 608/92; GesRZ 1992, 44; MietSlg 41.080, 40.110 uva; Binder in Schwimann aaO Rz 8 f zu § 1091). Fehlt es bei der Überlassung eines Unternehmens an einzelnen für seinen Betrieb typischen Merkmalen - wie hier an der Beistellung der Gewerbeberechtigung durch den Bestandgeber - so ist entscheidend, welchen Kriterien im Anlaßfall die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (JBl 1993, 590; 6 Ob 608/92; GesRZ 1992, 44; JBl 1989, 310; SZ 58/8 uva).

Im allgemeinen ist die Vereinbarung einer Betriebspflicht das wesentlichste Kriterium für die Annahme eines Pachtvertrags (JBl 1993, 590; 6 Ob 608/92; MietSlg 43.076; 41.080 ff, 40.110, 39.102; SZ 58/8; Binder in Schwimann aaO Rz 8 zu § 1091 mwN), sofern das auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers an der Art des Betriebs und an dessen Bestehen beruht (6 Ob 608/92; MietSlg 39.100; SZ 58/8).

So wird der Vertrag über ein als Nebenbetrieb zu einem Kino oder Theater in Bestand gegebenes Buffet als Pachtvertrag qualifiziert (SZ 58/8; Binder in Schwimann aaO Rz 10 zu § 1091); gleiches wurde für ein Bahnhofbuffet (MietSlg 15.063), einen Bahnhofblumenkiosk (GesRZ 1992, 44) und für die Überlassung von Bahnhofräumen an ein Unternehmen zum Betrieb eines Geldwechseldienstes, einer Auskunftstelle und Zimmervermittlung für das Reisepublikum ausgesprochen (MietSlg 42.086). Die Rechtsprechung stellte aber auch schon ganz allgemein klar, daß die Überlassung eines Verkaufsraums in einem großen Bahnhof in erster Linie dazu dient, Reisende mit Waren bzw Dienstleistungen zu versorgen, die diese gerade auf großen Bahnhöfen erwarten. Deshalb erwerben Reisende solche Waren bzw Dienstleistungen häufig erst dort und sind somit auf derartige Einrichtungen angewiesen. Solche Unternehmen können gewöhnlich ohne den durch den Hauptbetrieb der Bahn gesicherten Kundenkreis auch nicht bestehen. Bei einer derart engen betrieblichen Verknüpfung zwischen Haupt- und Nebenbetrieb steht die Überlassung von Räumen nicht im Vordergrund; wesentlich ist vielmehr die Einräumung einer schon seit langer Zeit bestehenden Erwerbsgelegenheit mit einem gesicherten Kundenstock (MietSlg 43.076; MietSlg 42.086). Wird im übrigen berücksichtigt, daß die Betriebspflicht des Beklagten einer detaillierten vertraglichen Regelung unterzogen war und die klagende Partei bestimmte Aufsichts- und Kontrollrechte wahrnehmen konnte, kann für den Abschluß eines Bestandvertrags zum Betrieb einer Trafik auf dem Gelände eines großen Bahnhofs - wie hier - nichts anderes als für gleichartige Verträge zum Betrieb von Unternehmen mit anderen Geschäftsgegenständen gelten. Dem Umstand, daß die klagende Partei als Verpächterin selbst nicht in der Lage wäre, eine Trafik zu betreiben, und daher dem Beklagten auch keine „Verschleißbewilligung“ für Tabakwaren überlassen konnte, kommt daher für die nähere Qualifikation des Bestandvertrags - entgegen der Ansicht des Beklagten - keine entscheidende Bedeutung zu. Im übrigen ist für die rechtliche Beurteilung auch nicht maßgeblich, wie weit es dem Unternehmer durch seine Tätigkeit nach Vertragsabschluß gelungen sein mag, auch „bahnfremde Kunden“ zu gewinnen.

Das angefochtene Urteil beruht auf diesen durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Abgrenzung zwischen Miete und Pacht geprägten Grundsätzen. Bestandverträge mit Unternehmen zur Betriebsführung auf Bahnhöfen waren auch schon mehrmals Gegenstand von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Die Qualifikation des hier zu beurteilenden Bestandvertrags über den Betrieb einer Bahnhoftrafik wirft keine entscheidungswesentliche Rechtsfrage auf, die nicht auf dem Boder der bekannten und vom Berufungsgericht beachteten Abgrenzungskriterien gelöst werden kann und daher als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO einer grundsätzlichen Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs bedürfte.

Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

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