OGH 10ObS259/97d

OGH10ObS259/97d19.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Gerhard Fuchs (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag.Ernst Löwe (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helga L*****, vertreten durch Dr.Bertram Grass und Mag.Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, Jahngasse 4, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wegen S 2,556.883,36 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Mai 1997, GZ 25 Rs 48/97p-10, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 23.Dezember 1996, GZ 35 Cgs 148/96y-6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 26.926,20 (hierin enthalten S 4.487,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit dem bekämpften Bescheid vom 8.8.1996 sprach die beklagte Partei aus, daß der Klägerin für den stationären Aufenthalt ihres Sohnes Christian L***** (der sich am 5.8.1993 in Suizidabsicht mit Benzin übergossen und selbst angezündet hatte, wodurch er schwerste Verbrennungen erlitt) im Universitätsspital Zürich vom 5.8. bis 14.9.1993 Kosten von S 49.706,64 ersetzt werden; das Mehrbegehren von S 2,556.883,36 wurde abgewiesen (Beilage 20).

Mit ihrer Klage stellte die Klägerin das Begehren auf Zuerkennung auch dieses abgewiesenen Restbetrages samt 4 % Zinsen seit 26.6.1996.

Das Erstgericht wies - nach Verhandlung - die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück, hob das bisher durchgeführte Verfahren als nichtig auf und sprach weiters aus, daß die Klägerin die Prozeßkosten selbst zu tragen habe. Nach Auffassung des Erstgerichtes liege keine Sozialrechtssache im Sinne des § 65 Abs 1 ASGG vor, woran auch die Bescheiderlassung durch die beklagte Partei samt Rechtsmittelbelehrung nichts ändere, weil ein sozialversicherungsrechtlicher Kostenersatzanspruch nach § 150 ASVG nicht nur das Entstehen von Kosten, sondern auch eine endgültige schuldbefreiende Bezahlung voraussetze; bei der vom Land Vorarlberg als Rechtsträger des Landeskrankenhauses Feldkirch vorgenommenen Zahlung der Kosten an das Universitätsspital Zürich handle es sich nicht um ein bloßes Vorstrecken; davon, daß die Klägerin dem Land gegenüber im Innenverhältnis in Ansehung dieser Kosten zu einer Rückerstattung verpflichtet sei, könne bei der gegebenen Sachlage nicht ausgegangen werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach weiters aus, daß die Kosten des Rekursverfahrens als weitere Verfahrenskosten zu behandeln seien und der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei, "da höchstgerichtliche Judikatur zu der hier zu behandelnden Frage [ohne diese allerdings näher zu präzisieren] nicht greifbar ist". Nach Auffassung des Rekursgerichtes handle es sich zweifellos um eine Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG, weil die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der Kosten aus dem Versicherungsfall der Krankheit geltend mache, sodaß es um den Bestand und den Umfang eines Anspruches auf Versicherungsleistung gehe, wofür auch die formellen Klagsvoraussetzungen im Sinne des § 67 ASGG erfüllt seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der - erkennbar auf den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte - Revisionsrekurs der beklagten Partei, in welchem die Abänderung der bekämpften Entscheidung dahingehend begehrt wird, daß die Klage abgewiesen werde.

Die Klägerin hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei bestreitet selbst nicht, sondern stimmt im Gegenteil dem Rekursgericht sogar ausdrücklich zu (Seite 6 des Rechtsmittels), daß es sich hier auch nach ihrer Auffassung um eine Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG handelt. Gegen die Bejahung der Zulässigkeit des Rechtsweges entsprechend den Grundsätzen der sukzessiven Kompetenz der (ordentlichen) Gerichte zufolge der Klagswirkungen des § 71 ASGG wird im Rechtsmittel demgemäß auch nichts vorgebracht. Vielmehr werden hierin breite Ausführungen ausschließlich zum Vorliegen (bzw der Nichtberechtigung) des behaupteten Klageanspruchs in der Sache gemacht, welche letztendlich im bereits wiedergegebenen Antrag münden, der Oberste Gerichtshof möge die Klage abweisen. Eine derartige Entscheidung in der Sache ist jedoch schon deshalb nicht möglich, weil eine Sachentscheidung durch die Vorinstanzen bisher nicht gefällt wurde und sich die Überprüfungskompetenz des Obersten Gerichtshofes daher ausschließlich auf die bekämpfte Formalentscheidung und die hierin behandelte prozeßrechtliche Beurteilung der Rechtswegzulässigkeit bzw -unzulässigkeit zu beschränken hat. Jedes Rechtsmittel ist grundsätzlich nur auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichtet (EvBl 1975/297, 5 Ob 121/92). Die Beurteilung einer noch gar nicht vorliegenden Entscheidung gleichsam fiktiv nach allen möglichen (von der beklagten Partei breit und ausführlich aufgezeigten) Richtungen - teilweise sogar unter Bezugnahme auf ein weiteres, parallel beim Landesgericht Feldkirch ebenfalls gegen die beklagte Partei geführtes Verfahren, von dem nur das Aktenzeichen erwähnt wird, der Akt selbst jedoch nicht einmal vorliegt - ist daher dem Obersten Gerichtshof schon aus diesen Erwägungen verschlossen. Nur im Falle der Zulassung eines Rekurses bei einem Aufhebungsbeschluß eines Berufungsgerichtes gegen eine urteilsmäßige Sachentscheidung des Erstgerichtes im Sinne des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist es dem Obersten Gerichtshof unter Umständen möglich, bei Spruchreife ein Urteil (klagstattgebend oder auch klagsabweislich) zu fällen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 519; WBl 1992, 166, SSV-NF 5/36, 4 Ob 595/95, 7 Ob 2253/96s); anstelle eines Aufhebungsbeschlusses eines Rekursgerichtes gegen einen ausschließlich auf das Vorliegen bzw Fehlen einer Prozeßvoraussetzung gestützten Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes kann jedoch niemals ein Urteil (auf Klagsabweisung) gefällt werden. Möglich wäre in einem solchen Falle bloß (über Revisionsrekurs der beklagten Partei) die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses (also Bestätigung der Klagezurückweisung samt Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens), welche die Rechtsmittelwerberin hier jedoch gerade nicht anstrebt.

Da es sich im vorliegenden Fall um keine Sozialrechtssache nach § 46 Abs 3 ASGG handelt, ist ein Rekurs gegen die zweitinstanzliche Entscheidung nur unter den Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig (§ 47 ASGG). Eine erhebliche Rechtsfrage (des Verfahrensrechtes) wird im Rechtsmittel der beklagten Partei nicht releviert (sondern im Gegenteil die Richtigkeit der diesbezüglichen Entscheidung des Rekursgerichtes ausdrücklich betont); die ausschließlich materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzungen betreffenden Ausführungen gehen - wie aufgezeigt - an der derzeit möglichen Überprüfungskompetenz des Obersten Gerichtshofes vorbei. Da der Oberste Gerichtshof an einen Zulässigkeitsausspruch eines Rechtsmittelgerichtes zweiter Instanz nicht gebunden ist (§ 526 Abs 2 ZPO - 5 Ob 244/97m), und die Rekurswerberin, die ja zur Frage der Rechtswegzulässigkeit selbst die Rechtsansicht des Rekursgerichtes vertritt, keine iS des § 46 Abs 1 ASGG erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist der Revisionsrekurs sohin zurückzuweisen, ohne daß auf das Rechtsmittel inhaltlich einzugehen war.

Da die Klägerin in ihrer Rechtsmittelbeantwortung auf diese Unzulässigkeit ausdrücklich hingewiesen hat, steht ihr auch ein selbständiger Kostenersatzanspruch für diesen Schriftsatz zu (§ 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG). Die Kosten wurden dabei tarifmäßig richtig verzeichnet.

Stichworte