OGH 12Os72/97

OGH12Os72/977.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.August 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Yvonne H***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Beteiligte nach § 12 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.November 1996, GZ 1 a Vr 778/95-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, der Angeklagten und des Verteidigers Dr.Ainedter zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (Punkt II des Urteilssatzes) und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Yvonne H***** wird von der Anklage, sie habe im Wintersemester 1992 in Wien das "auf die unter Punkt I geschilderte Art erlangte Maturazeugnis", sohin ein falsches Beweismittel, in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht, indem sie es bei der Immatrikulation an der Universität Wien vorlegte, und habe dadurch das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihr weiterhin zur Last fallende Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Beteiligte nach § 12 zweiter Fall StGB wird die Angeklagte nach §§ 41 Abs 1, 302 Abs 1 StGB zu 5 (fünf) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Freiheitsstrafe für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Yvonne H***** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Bestimmungstäterin nach § 12 zweiter Fall StGB (I.) und des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (II.) schuldig erkannt.

Darnach hat sie in Wien

I. zwischen Herbst 1991 und Herbst 1992 im einverständlichen Zusammenwirken mit Charlotte G***** durch das an diese gerichtete Ersuchen, ihr das Antreten zur Externistenmatura ohne die Ablegung mehrerer noch ausstehender Zulassungsprüfungen zu ermöglichen, die als Vertragsbedienstete des Bundes in der Organisationseinheit der Externistenprüfungskommission (§ 42 SchUG) tätige Sigrun K***** dazu bestimmt, als Beamtin mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf Kontrolle der den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechenden Zulassung zur Externistenmatura und des Zugangs zu Universitäten und Hochschulen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu mißbrauchen, indem diese für tatsächlich nicht abgelegte Vorprüfungen zur Externistenmatura aus den Fächern Englisch, Mathematik, Physik, Chemie, Philosophischer Einführungsunterricht und Kindergarten im Vorprüfungskatalog positive Note eintrug und ein mit 23.Oktober 1992 datiertes Vorprüfungszeugnis ausstellte, sodaß die Angeklagte im Herbst 1992 trotz mangelnder Voraussetzungen zur Externistenhauptmatura antreten konnte;

II. im Herbst 1993 (US 9) durch Vorlage des solcherart erlangten Maturazeugnisses bei der Immatrikulation an der Universität Wien ein "falsches" Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht wendet die Angeklagte in ihrer allein gegen den zuletzt bezeichneten Schuldspruch (Punkt II.) gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 10 und 11 (der Sache nach allein Z 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO ein, daß das Erstgericht das betreffende Maturazeugnis rechtsirrig als falsches Beweismittel beurteilte.

Der Umstand, daß sich die Beschwerdeführerin die Zulassung zur Externistenmatura durch - mittels Amtsmißbrauchs erreichte - Umgehung einer Reihe von Vorprüfungen erschlichen hat, findet inhaltlich in dem von ihr bei der Immatrikulation an der Universität Wien zum Nachweis der allgemeinen Hochschulreife (§ 6 Abs 2 lit a AHStG, BGBl 1966/177) vorgelegten Zeugnis über die Externistenhauptmatura (§ 42 Abs 10 SchUG iVm § 20 der Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst über die Externistenprüfungen, BGBl 1979/362) keinen Niederschlag. Darin wird vielmehr den Tatsachen entsprechend allein bestätigt, daß sich die Angeklagte vor der zuständigen Externistenprüfungskommission in bestimmten Fächern der Reifeprüfung unterzogen und diese bestanden hat (US 7 f iVm 129, 174, 203 f und 225 f/II). Demnach handelt es sich nicht um eine - an sich nach § 293 StGB tatbestands- taugliche (EvBl 1995/21) - inhaltlich unrichtige Urkunde (siehe 12 Os 45/96, 12 Os 159/96).

Der betroffene Schuldspruch war daher als nichtig aufzuheben und die Beschwerdeführerin insoweit vom Anklagevorwurf freizusprechen.

Damit erübrigt es sich, auf die weiteren Beschwerdeargumente näher einzugehen.

Bei der infolge Teilkassierung des Schuldspruchs notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof die Verführung von zwei Personen als erschwerend (Leukauf/Steininger Komm3 § 33 RN 10), den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, die Begehung der Tat vor Vollendung des 21.Lebensjahres und das Geständnis der Angeklagten hingegen als mildernd.

Da ein für die Anwendbarkeit des § 41 Abs 1 StGB als Grundvoraussetzung erforderlicher Fall atypisch leichter Deliktsverwirklichung (Leukauf/Steininger aaO § 41 RN 4) bei der durch Amtsmißbrauch erreichten Erschleichung eines Maturazeugnisses durch Umgehung einer Vielzahl von Vorprüfungen (US 3) zum Zwecke mißbräuchlicher Inanspruchnahme universitärer Einrichtungen nicht vorliegt, scheidet eine weitere Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafe von vornherein, eine Erhöhung der Strafe allein auf Grund des Verschlimmerungsverbots (§ 290 Abs 2 StPO) aus.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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