OGH 13Os94/97

OGH13Os94/976.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.August 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Freundorfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Veli U***** wegen des Verbrechens der teils versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13.Februar 1997, GZ 12 Vr 2804/96-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurde Veli U***** der Verbrechen der teils vollendeten (1.), teils versuchten (2. und 3.) schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz Renate G***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod

1. am 16.Oktober 1996 durch die Äußerung "Wenn du mich bei der Polizei anzeigst, dann bringe ich dich um" zur Abstandnahme von der Erstattung einer Anzeige genötigt, sowie

2. am 17.Oktober 1996 und 18.Oktober 1996 durch die Aussage "Wenn Petra bis Mittwoch, dem 23.10.1996, nicht in meiner Wohnung ist, bringe ich dich um" und

3. am 21.Oktober 1996 durch die Äußerung: "Wenn du die Anzeige nicht zurücknimmst, bringe ich dich um oder hetze meine Brüder auf dich", zu einer Handlung, nämlich der Beeinflussung der Petra K***** zur Aufnahme der Lebensgemeinschaft mit ihm und der Zurücknahme der Anzeige zu nötigen versucht, indem er sie mit dem Tode bedroht hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten, als "Berufung wegen Nichtigkeit" bezeichneten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Die Schuldberufung war als unzulässig zurückzuweisen (§ 283 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Eine Tatsachenrüge kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sie aufzuzeigen vermag, daß das Gericht entweder unter Außerachtlassung seiner Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit (§§ 3, 232 Abs 2, 254 StPO) die ihm zugänglichen Beweismittel, von denen es nach der Aktenlage Kenntnis haben könnte, nicht oder in wesentlichen Punkten derart unvollständig ausgeschöpft hat, daß dadurch die Überzeugungskraft der Grundlage für den Schuldspruch entscheidend berührt wird oder wenn erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit wesentlicher Tatsachenfeststellungen auf Grund von in den Akten niedergelegten Erfahrungsergebnissen bestehen, die sich bei einer lebensnahen, an der allgemein menschlichen Erfahrung orientierten Beurteilung mit dem festgestellten Sachverhalt nicht in Einklang bringen lassen. Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen auf Grund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist dabei einer Anfechtung nach Z 5 a entzogen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 a E 2 a, 3).

Solcherart, nämlich mit der Bekämpfung der Beurteilung der Verläßlichkeit von Zeugenaussagen durch die Tatrichter argumentiert jedoch im wesentlichen die Beschwerde, die dem Abgehen der Zeugin Petra K***** in der Hauptverhandlung von ihren bisherigen belastenden Angaben (zumal hiedurch Freisprüche von den Anklagepunkten erfolgten, deren Tatobjekt diese war) allein Glaubwürdigkeit zuerkannt wissen will, und hievon ausgehend den übrigen Zeugen ein "Zusammenspiel" zu Lasten des Angeklagten unterstellt.

Soweit dabei unter Berufung auf das nunmehrige Vorbringen der Zeugin Petra K***** ein Widerspruch bei der Beurteilung des Inhalts der betreffenden Aussage mit der Begründung behauptet wird, daß der Zeugin lediglich im Rahmen des ergangenen Freispruchs gefolgt, aber ihrer - zudem mit den Tatschilderungen der sonstigen Zeugen unvereinbaren - Depositionen hinsichtlich der übrigen Fakten keine Glaubwürdigkeit zuerkannt worden wäre, werden die betreffenden Urteilsausführungen mißverstanden. Erfolgte der Freispruch von den Petra K***** als Tatopfer betreffenden Anklagevorwürfen inhaltlich des Urteils nur deshalb, weil zu diesen nach dem Widerruf der bislang belasteten Angaben durch diese Zeugin keine anderslautenden Beweismittel zur Verfügung standen. Da die Beweislage für die Schuldspruchsfakten jedoch anders gelagert war, kann von einem Widerspruch keine Rede sein.

Das Beschwerdevorbringen bietet aber auch sonst keine Grundlage für sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit wesentlicher Tatsachenfeststellungen.

Der Drohung vom 16.Oktober 1996 lag nach dem Inhalt des Urteils eine Auseinandersetzung zwischen der Zeugin Renate G***** und dem Angeklagten wegen des wider ihn erhobenen Vorwurfes zugrunde, er würde ihre Tochter Petra K***** schlagen und ihr das Geld wegnehmen. Dagegen resultierten erst die späteren Drohungen (Schuldspruchfakten 2. und 3.) aus Streitigkeiten in Verbindung mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und Petra K*****, weshalb der Beschwerdeeinwand, daß die Zeugin Renate G***** im Zusammenhang mit der - nach ihren Angaben erst am 17.Oktober 1996 erfolgten - Auflösung der betreffenden Lebensgemeinschaft nicht schon am 16. Oktober 1996 bedroht worden sein könne, ins Leere geht.

Die Zeugin Renate G***** hat aber auch ihr pauschales Primärvorbringen vor der Polizei, ihre Tochter wäre bereits mit dreizehneinhalb Jahren zu dem Angeklagten gezogen und hätte mit diesem seit nunmehr rund drei Jahren zusammengelebt (S 23) vor dem Untersuchungsrichter dahingehend klargestellt, daß sich bloß die beiderseitige Bekanntschaft, nicht aber auch die Lebensgemeinschaft auf diesen gesamten Zeitraum erstreckt hätte und sie auch über den Zeitpunkt der ersten Intimitäten zwischen den beiden Genannten keine Angaben machen könne (S 125 f). Aus im wesentlichen gleichlautenden Angaben der Zeugin in der Hauptverhandlung über die Dauer des erwähnten Zusammenlebens und aus deren weiterer Behauptung, daß der Angeklagte mit ihrer Tochter doch nicht intim geworden wäre (S 229), was letztere auch bestätigte (S 227), ist demnach für den Standpunkt des Angeklagten, der insbesondere aus den zuletzt angeführten Depositionen zumindest die Duldung einer falschen Verdächtigung seiner Person durch die genannte Zeugin ableitet, unter dem Gesichtspunkt des relevierten Nichtigkeitsgrundes nichts zu gewinnen.

Wenn die Beschwerde schließlich die Vernehmung dieser Zeugin in der Hauptverhandlung für nicht ausreichend erachtet, zeigt sie keinen Verstoß gegen die Verpflichtung des Gerichtes zur amtswegigen Wahrheitsforschung auf, zumal sie selbst nicht anzugeben vermag, welche der nunmehr vermißten Fragen - die zu stellen dem Verteidiger übrigens nicht verwehrt gewesen wäre - an die Zeugin zu richten gewesen wären.

Gleiches gilt auch für die Kritik an der Befragung der Ilse G***** in der Hauptverhandlung. Daß bei deren Vernehmung durch den Untersuchungsrichter ihre Bekundungen vor der Polizei zum Faktum vom 21. Oktober 1996 (Punkt 3. des Schuldspruchs) unerörtert geblieben sind (ON 11), ist im Rahmen der Tatsachenrüge ebensowenig bedeutsam wie die bloß divergierende Bezeichnung (vor der Polizei als Drohung und in der Hauptverhandlung als Beschimpfung) der Person betreffende Äußerungen des Angeklagten (S 21 und 233); wird mit dem hieraus abgeleiteten Einwand, daß demgemäß alle Angaben der Zeugin "offensichtlich" frei erfunden wären, der in Rede stehende Nichtigkeitsgrund gleichfalls nicht zur Darstellung gebracht. Nichts anderes gilt auch insoweit, als der Angeklagte sich gegenüber dem Vorbringen der betreffenden Zeugin auf die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Petra K***** beruft.

Den Schuldspruch hinsichtlich des Vorfalls vom 18.Oktober 1996 (Punkt 2. des Urteilstenors) gründete das Erstgericht ohnedies nicht auf die Bekundungen der Zeugin Manuela W*****, die bloß eine wörtliche Auseinandersetzung, aber nicht den Inhalt der inkriminierten Drohäußerung wahrgenommen hat, sodaß die diesbezügliche Kritik des Angeklagten jeder Grundlage entbehrt.

Nicht zielführend ist die Bestreitung der Verläßlichkeit des Zeugen Ramazan G***** unter Bezugnahme auf ein früheres Verfahren (in dem dieser jedoch rechtskräftig freigesprochen wurde) unter Darlegung dessen persönlicher Einstellung zur Gewalt und unter unsubstantiierter Anzweiflung ausreichender deutscher Sprachkenntnisse zur Wahrnehmung der bezeugten Drohung, desgleichen der Hinweis auf ein weiteres früheres Strafverfahren, in welchem belastende Angaben der Zeugen Renate und Ramazan G***** nicht zum Schuldspruch des Angeklagten führten, sowie auf sonstige Vorakten, aus denen die Beschwerde undifferenziert einen uneingeschränkten Freispruch auch im vorliegenden Zusammenhang als rechtens zu folgern trachtet.

Insgesamt beschränkt sich das Beschwerdevorbringen der Sache nach somit auf den Einwand, daß das Erstgericht die Beweisergebnisse nach Auffassung des Angeklagten bedenklich gewürdigt hätte, weil es den Depositionen der Belastungszeugen und nicht dem nunmehrigen Vorbringen der Zeugin Petra K***** gefolgt sei. Wobei aber der Aussage der Zeugin K***** ohnehin für den Schuldspruch keine Relevanz zukam, zumal sie selbst angab, bei den Todesdrohungen des Angeklagten gegenüber ihrer Mutter nicht dabei gewesen zu sein, sondern "davon nur gehört" zu haben (S 227). Dem angefochtenen Urteil anhaftete Mängel im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes vermag die Beschwerde jedenfalls nicht aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d StPO), sodaß über die außerdem erhobene Berufung des Angeklagten das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden hat (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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