OGH 14Os74/97

OGH14Os74/975.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.August 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.Holzweber, Dr.Ratz und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alfred U***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 24.Feber 1997, GZ 30 f Vr 6.535/96-91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr.Sina zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Alfred U***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 5. Juni 1996 in Wien die Felizitas F***** mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt, indem er ihr eine Vielzahl von Schlägen versetzte und sie mit Handschellen fesselte, zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich der analen und oralen Penetration nötigte, wodurch sie für längere Zeit in einen qualvollen Zustand versetzt wurde.

Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage nach dem Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB, ließen demzufolge die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage gestellte Eventualfrage in Richtung des (nicht weiter qualifizierten) Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB, die Eventualfrage nach dem Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 zweiter Fall StGB sowie die Eventualfrage nach dem (nicht weiter qualifizierten) Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB unbeantwortet.

Die auf Z 6, 8, 10 a, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

In der Fragenrüge (Z 6) bemängelt der Angeklagte die Stellung der drei Eventualfragen, in denen einzelne in der in Richtung des Verbrechens nach § 201 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB gerichteten Hauptfrage enthaltene Tatbestandselemente weggelassen wurden. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei ein solches Fragenschema für die Laienrichter verwirrend, zumal den Geschworenen gemäß § 330 Abs 2 StPO ohnedies offenstand, die Hauptfrage nur teilweise zu bejahen und in diesem Zusammenhang qualifikationsbegründende Umstände auszuklammern.

Welche Tatsachen in einer an die Geschworenen gestellten Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstand besonderer Fragen zu machen sind, liegt im Ermessen des Schwurgerichtshofes (§ 317 Abs 2 StPO). Die Verbindung oder Teilung von Fragen ist mit dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 6 StPO nur dann erfolgreich anfechtbar, wenn den Geschworenen durch Form und Inhalt der Fragestellung entgegen den Vorschriften der §§ 312 bis 317 StPO die vollständige Prüfung des Sachverhaltes und die erschöpfende Beurteilung desselben unmöglich gemacht oder sonst die Gefahr einer pauschalen Beurteilung der zusammengefaßten Fragen ohne sorgfältige Prüfung der Schuld im Einzelfall heraufbeschworen und solcherart der Ermessensbereich übschritten wird (Mayerhofer StPO4 § 317 E 5, 6, 6 a und § 345 Z 6 E 18). Solche Mängel der Fragestellung liegen hier nicht vor.

Gegen die Rechtsbelehrung führt der Beschwerdeführer ins Treffen (Z 8), daß zunächst nicht der der Hauptfrage zugrundeliegende Tatbestand nach § 201 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB erläutert wurde, sondern jener der Eventualfrage nach § 201 Abs 2 StGB.

Diesem Einwand zuwider hat das Erstgericht die Laienrichter durchaus verständlich instruiert, indem es in logischem Aufbau zuerst das Delikt der durch jedwede Gewaltanwendung verwirklichten Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB erläuterte und erst im Anschluß daran die besonderen Verbrechensmerkmale der schweren Gewalt und eines durch die Tat längere Zeit hindurch hervorgerufenen qualvollen Zustandes darlegte.

Die Belehrung zur Vorgangsweise bei der Fragebeantwortung findet sich - dem Beschwerdevorbringen zuwider - eingangs der an die Geschworenen gerichteten Fragen und in der allgemeinen Rechtsbelehrung. Von einer Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung kann daher keine Rede sein.

Auch die Tatsachenrüge (Z 10 a) versagt.

Wenn der Angeklagte in diesem Zusammenhang das Fehlen einer Hartplastikstange in seiner Wohnung hervorhebt, welche nach der Aussage des Tatopfers dazu diente, sie mit Handschellen daran zu ketten, übergeht er, daß ihm Felizitas F***** nach der Tat eine Anzeige ankündigte (S 113/I) und ihm daher genug Zeit blieb, belastende Gegenstände zu verbringen.

Die vorgebrachten physiologischen Bedenken gegen eine aus den Angaben von Felizitas F***** abgeleitete, angeblich fünfeinhalb Stunden andauernde ständige Erektion lassen den tatsächlichen Inhalt der Aussage dieser Zeugin außer acht, wonach die zahlreichen Sexualakte durch mehrere Pausen unterbrochen waren, in denen keine Erektion bestand (S 114/I, 199 und 203/II).

Die Beschwerdeausführungen, wonach das drogenbeeinträchtigte Tatopfer durch die Tat in keinen qualvollen Zustand versetzt werden konnte, finden im Akt keine Deckung, zumal der psychiatrische Sachverständige Univ.Prof.Dr.Friedrich klarstellte, daß eine Person trotz Suchtgiftbenommenheit Schmerzzustände durchaus wahrnehmen kann (S 263/II) und eine bei suchtgiftbeeinträchtigten Menschen grundsätzlich denkbare eingeschränkte zeitliche Orientiertung bei Felizitas F***** angesichts ihrer wiederholten Aussagen über die auch von ihr als überaus lang und quälend empfundenen Vergewaltigungen (S 45, 110 und 471 ff/I, 193 ff, 197 und 203/II) nicht in Frage stand.

Die Unterbrechungen der Gewaltakte gegen Felizitas F*****, welche sich mit fortschreitender Dauer gegen die wiederholten Vergewaltigungen gar nicht mehr zur Wehr setzen konnte, vermögen entgegen dem Beschwerdevorbringen die Qualifikation eines durch die Tat hervorgerufenen, längere Zeit hindurch andauernden qualvollen Zustands nicht in Frage zu stellen, zumal gerade die in der späteren Phase des Tatgeschehens bewirkte Aufgabe jedes weiteren Widerstands gegen den auch in der Folge mehrfach erzwungenen Beischlaf sowie gegen die unter Willensbrechung vorgenommenen oralen und analen Penetrationen die durchwegs als peinvoll empfundene Lage des Tatopfers (vgl S 44 f und 114/I) unterstreicht.

Schließlich lassen sich aus den ausgewerteten Rufdaten des Mobiltelefons des Angeklagten keine (erheblichen) Bedenken gegen die von den Geschworenen festgestellten Tatsachen ableiten, weil sich auch das Vorbringen des Angeklagten zur Inbetriebnahme des ihm zur Verfügung stehenden Firmenmobiltelefons mit der tatsächlich nachvollziehbaren Telefonnutzung (ON 81) nicht in Übereinstimmung bringen läßt (vgl S 231 und 243 ff/II) und damit die Angaben der Zeugin Felizitas F*****, wonach Telefonnummern ihrer Freunde im (Privat-)"Handy" des Angeklagten gespeichert und daher auch irrtümlich abrufbar waren (S 207/II), an Plausibilität gewinnen, wobei sich diese Zeugin überdies an allenfalls doch von ihr geführte Telefonate mit ihren Bekannten bloß nicht mehr erinnern konnte (S 205/II). Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Bedenken vorbringt, daß er nach der Tat sein privates Mobiltelefon wohl nicht dem Tatopfer überlassen hätte, ergeht er sich in bloßen Spekulationen, die im übrigen keine schuldrelevanten Tatsachen betreffen.

In der Rechtsrüge (Z 12) vermeint der Beschwerdeführer, daß die im Wahrspruch enthaltenen konkretisierenden Merkmale nicht ausreichen, um von einer gegen Felizitas F***** gerichteten schweren Gewalt sprechen zu können. Er übersieht in diesem Zusammenhang die im Verdikt dazu festgehaltenen Umstände, wie die Vielzahl der dem Tatopfer versetzten Schläge, die lange Dauer der gegen die Frau gerichteten Gewalt und die Fesselung mit Handschellen, welche Felizitas F***** in eine Abwehrhandlung weitgehend ausschließende Situation brachte, sodaß sich die Schläge wie auch die erzwungenen Penetrationen des Angeklagten als Anwendung überlegener physischer Kraft darstellen, die angesichts der Dauer und der Anzahl der Gewaltakte sowie infolge der wegen der Fesselung mit Handschellen zunächst reduzierten Widerstandsfähigkeit und der letztlich eingetretenen Willensbrechung einen der an sich schweren Gewalt gleichkommenden höheren Intensitätsgrad erreicht hat. Der behauptete Rechtsirrtum liegt daher nicht vor.

Auch der im Rahmen der Berufung ausgeführte Einwand gegen die Strafbemessung (Z 13) ist verfehlt. Der Erschwerungsumstand der "Wiederholung der Vergewaltigungshandlungen einen längeren Zeitraum hindurch" widerspricht keineswegs dem Dopppelverwertungsverbot, weil der Qualifikationstatbestand nach § 201 Abs 3 zweiter Fall StGB auch mit einer bloß einmaligen sexuellen Penetration verbunden sein kann.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht wertete bei der Strafbemessung die einschlägigen Vorstrafen, welche die Anwendung der Strafverschärfung im Sinne des § 39 StGB rechtfertigten, sowie die Tatwiederholung als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen keinen Umstand an. Davon ausgehend hielt es eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Jahren für angemessen.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe beantragt, versagt ebenfalls.

Der reklamierte Milderungsumstand einer Tatbegehung unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes (§ 34 Z 1 StGB) kommt hier deshalb nicht zum Tragen, weil sich aus der psychopathischen Veranlagung des Angeklagten gleichzeitig auch seine erhöhte Gefährlichkeit ergibt, deren Bekämpfung aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer höheren Strafe erfordert (Leukauf/Steininger Komm3 § 34 RN 4a). Mit der auch in der Berufung ausgeführten Kritik gegen den vom Erstgericht herangezogenen Erschwerungsumstand der Wiederholung der Vergewaltigungshandlungen einen längeren Zeitraum hindurch ist der Berufungswerber auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens und in Abwägung aller relevanten Umstände sah sich der Oberste Gerichtshof zu einer Veränderung der vom Geschworenengericht verhängten Strafe nicht bestimmt.

Die Pflicht des Angeklagten zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist in § 390 a StPO begründet, nachdem diese nicht durch ein ganz erfolglos gebliebenes Rechtsmittel seines Gegners verursacht worden sind.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte