OGH 6Ob201/97w

OGH6Ob201/97w24.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der zu FN 107188 f im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragen gewesenen H*****gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien, wegen Bucheinsicht eines Gläubigers, infolge ordentlichen Rekurses der Gesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Franz Hitzenberger und Dr.Otto Urban, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28.Februar 1997, AZ 28 R 153/96t (Fr 4974/97x), womit dem Rekurs des antragstellenden Gläubigers Erich B*****, vertreten durch Dr.Christiann Slana und Dr.Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, Folge gegeben und der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 5.Juli 1996, AZ FN 107188f (Fr 4973/97w), zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Firmenbuchgerichtes vom 27.12.1995 wurde auf Antrag des zuständigen Finanzamtes die Löschung der Gesellschaft gemäß § 2 Abs 1 ALöschG verfügt. Die Löschung wurde am 28.12.1995 im Firmenbuch eingetragen.

Am 23.4.1996 beantragte ein Gläubiger, ihn zur Bucheinsicht gemäß § 93 Abs 4 GmbHG zu ermächtigen. Es stünde ihm eine titulierte Forderung von 248.615,38 S gegenüber der Gesellschaft zu. Der frühere Geschäftsführer der aufgelösten Gesellschaft habe Gesellschaftsschulden unverhältnismäßig beglichen und rechtswidrig ein Insolvenzverfahren nicht eingeleitet.

Das Erstgericht forderte den zuletzt im Firmenbuch eingetragenen Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft zur Äußerung zum Antrag des Gläubigers auf.

In der von einem Rechtsvertreter namens der Gesellschaft eingebrachten Äußerung wurde das Recht des Gläubigers auf unbeschränkte Bucheinsicht bestritten. Aus Gesellschaftsmitteln seien keine Gläubiger befriedigt worden. Der Nachweis darüber könne auch ohne Bucheinsicht erbracht werden. Es bedürfe nur der Einsicht in das Konto über die Ausgleichszahlungen, um nachzuweisen, daß Gläubiger ausschließlich Zahlungen von dritter Seite erhalten hätten.

Das Erstgericht wies den Antrag des Gläubigers auf Bucheinsicht ab. Bei einer Löschung gemäß § 2 Abs 1 ALöschG finde eine Liquidation nicht statt. § 94 GmbHG ordne an, daß die Bestimmungen über die Liquidation auch dann Anwendung fänden, wenn die Auflösung der Gesellschaft durch Beschluß des Firmenbuchgerichts erfolgt sei. Diese Bestimmung beziehe sich auf § 1 ALöschG. Im vorliegenden Fall sei aber eine Löschung der Gesellschaft ohne Liquidation erfolgt. Die Bestimmungen über die Liquidation seien daher nicht anzuwenden. Eine Liquidation könnte nur bei Vorhandensein von Vermögen stattfinden. Daß ein solches vorhanden wäre, sei nicht einmal behauptet worden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Gläubigers Folge und hob den erstinstanzlichen Beschluß zur Verfahrensergänzung auf. § 94 Abs 1 GmbHG und damit auch § 93 Abs 4 Satz 2 leg cit (Ermächtigung der Gesellschaftsgläubiger zur Einsicht in die Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft) seien auch in dem Fall, daß keine Liquidation stattfinde, anzuwenden. Dies sei bei gleicher Rechtslage herrschende Meinung in Deutschland. Bei der Löschung einer Gesellschaft mbH wegen Vermögenslosigkeit werde die Gesellschaft so behandelt, als habe sie "abliquidiert". Die Interessenlage der Beteiligten entspreche derjenigen, wie sie nach Löschung der Gesellschaft auf Antrag (§ 93 Abs 1 GmbHG) gegeben sei. Den Beteiligten solle es nach Ausscheiden der Gesellschaft aus dem Geschäftsleben ermöglicht werden, die Durchsetzbarkeit von unbefriedigten Forderungen gegen die Gesellschaft zu prüfen. Die Ermächtigung zur Bucheinsicht sei im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen. Der antragstellende Gläubiger habe sein schutzwürdiges Interesse an der Bucheinsicht dargetan. Er besitze eine titulierte Forderung gegen die Gesellschaft. Die Sache sei aber noch nicht spruchreif. Auch im Falle der Amtslöschung nach § 2 Abs 1 ALöschG seien in entsprechender Anwendung des § 93 Abs 3 GmbHG die Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft zu verwahren. Gegner des Antrags auf Bucheinsicht sei der bestellte Verwahrer. Die Aufbewahrung könne bei einem Gesellschafter oder einem Dritten stattfinden. Wenn der Gesellschaftsvertrag - wie hier - keine Bestimmung über die Person des Verwahrers enthalte, so bestimme ein Gesellschafterbeschluß die Person des Verwahrers. Wenn ein Gesellschafterbeschluß nicht zu erlangen sei, bestimme das Firmenbuchgericht den Verwahrer. Auch nach Löschung der Gesellschaft könnten sich die Gesellschafter über die Person des Verwahrers einigen. Soferne die Bücher und Schriften noch nicht vernichtet worden seien, komme in dem Falle, daß nur ein Alleingesellschafter vorhanden sei, dieser als derjenige in Betracht, dem die Bücher und Schriften zur Aufbewahrung zu übergeben seien. Aus der eingeholten Äußerung (des Alleingesellschafters) gehe nicht hervor, wem die Bücher und Schriften zur Aufbewahrung übergeben worden seien. Dies werde festzustellen sein.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 93 Abs 3 und 4 GmbHG im Falle der Amtslöschung einer Gesellschaft.

Mit ihrem Rekurs beantragt die Gesellschaft die Abänderung dahin, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Gesellschaft ist unzulässig.

Die rekurrierende Gesellschaft wendet sich gegen die vom Rekursgericht bejahte Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen über die Liquidation (im besonderen der Bestimmungen des § 93 Abs 3 und 4 GmbHG über die Aufbewahrung der Geschäftsbücher und das Recht auf Bucheinsicht) auf den vorliegenden Fall der Löschung der Gesellschaft nach § 2 Abs 1 ALöschG. Die Rechtsfragen, ob einem Gläubiger die Bucheinsicht nach Löschung der Gesellschaft gemäß der zitierten Gesetzesstelle noch zusteht, gegen wen sich der Anspruch richtet und in welchem Verfahren er geltend zu machen ist, können auf sich beruhen, weil der gelöschten Gesellschaft unter der Voraussetzung, daß kein Gesellschaftsvermögen vorhanden ist (dies ist hier mangels gegenteiliger Behauptungen und infolge Fehlens jeglicher Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Vermögen der Fall) die Parteifähigkeit und damit die Rechtsmittelbefugnis fehlt. Bei der Löschung einer Gesellschaft mbH nach § 2 Abs 1 ALöschG findet eine Liquidation nicht statt. Mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Infolge Unterbleibens einer Liquidation ist die Gesellschaft mit der Löschung vollbeendet. Die Löschung im Firmenbuch ist zwar nach herrschender Auffassung nur deklarativ. Im Fall des Vorhandenseins von Vermögen der Gesellschaft besteht diese trotz der Löschung weiter (SZ 58/3 uva; Koppensteiner, GmbHG Rz 13 zu § 84). Wenn aber - wie hier - die Vermögenslosigkeit feststeht, endet die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft mit ihrer Löschung (GesRZ 1990, 95). Anhängige Aktivprozesse der Gesellschaft können fortgesetzt werden (die prozeßverfangenen Forderungen werden als Vermögen der Gesellschaft beurteilt). Ob auch die Fortsetzung eines Passivprozesses der Gesellschaft trotz ihrer Vollbeendigung möglich ist, ist in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung strittig. Der

8. Senat verneinte diese Frage (SZ 62/127), der 1.Senat bejahte sie, trotz des auch von diesem Senat anerkannten Umstandes, daß durch die Vollbeendigung der Gesellschaft während des Prozesses die Parteifähigkeit weggefallen war. Ein einmal zu Recht begonnenes Prozeßverhältnis solle nicht durch einseitige Aktionen (der Gesellschaft, die ihre Auflösung bewirkt) zur Beendigung gebracht werden können (SZ 62/43). Hier geht es nicht um die Fortsetzung eines Prozesses gegen die Gesellschaft, sondern um die Frage der Bucheinsicht in die Geschäftsbücher einer vollbeendeten Gesellschaft, die aus diesem Grund nicht mehr parteifähig ist. Die Parteifähigkeit wäre aber Voraussetzung für die Bejahung der Rechtsmittellegitimation der rekurrierenden Gesellschaft. Der Mangel muß zur Zurückweisung des Revisionsrekurses führen.

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