OGH 6Ob9/97k

OGH6Ob9/97k17.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 13. August 1979 geborenen Daniel R*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch die Mutter, Angelika R*****, vertreten durch Dr.Josef Lechner und Dr.Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr als Rekursgerichtes vom 9.Dezember 1996, GZ 6 R 175/96g-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Steyr vom 14. Oktober 1996, GZ 17 P 11/96d-35, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens in Rechtskraft erwachsen sind, werden im übrigen aufgehoben; die Pflegschaftssache wird insoweit zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde am 7.7.1992 einvernehmlich geschieden. In dem anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleich vereinbarten die Eltern hinsichtlich ihrer beiden Kinder: "Der mj.Mario R*****, geboren 23.8.1977, kommt in die Obsorge des Vaters, der für seinen Unterhalt aus eigenem aufkommen wird. Der mj.Daniel R*****, geboren 13.8.1979, kommt in die Obsorge der Mutter, die ebenfalls für seinen Unterhalt aus eigenem aufkommen wird". Dieser Vergleich wurde pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Mit Antrag vom 30.11.1995 begehrte die Mutter mit der Behauptung, Mario habe im September 1992 eine Lehre in Steyr begonnen und befinde sich seit dieser Zeit in ihrer "faktischen Obsorge", ihr die Obsorge auch für Mario zu übertragen und den Vater zu verpflichten, für beide Kinder seit 1992 rückständigen und laufenden Unterhalt zu zahlen. Nach Klärung der Einkommensverhältnisse der Eltern und Kinder (beide absolvierten eine Lehre) erklärte sich der Vater bereit, für Mario vom 1.11.1992 bis 30.6.1993 monatlich 1.000 S, vom 1.7. bis 31.12.1993 monatlich 1.400 S und vom 1.1. bis 31.12.1994 (Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit) 600 S zu zahlen. Dem Unterhaltsbegehren für Daniel von 4.000 S monatlich vom 1.11.1992 bis 31.8.1994 und von 2.600 S monatlich vom 1.9.1994 bis 31.12.1995 und ab 1.1.1995 von 2.000 S trat der Vater unter Hinweis auf den gerichtlichen Vergleich und mit der Behauptung entgegen, Mario habe zwar während der Arbeitstage bei der Mutter gewohnt, der Vater habe jedoch an allen Wochenenden für beide Kinder, auch für Daniel, Unterhaltsleistungen in einem Ausmaß erbracht, das weit über das im Rahmen einer Besuchsrechtsregelung Übliche hinausgegangen sei.

Mit Beschluß vom 21.5.1996 wurde die Obsorge auch für Mario mit Zustimmung des Vaters auf die Mutter übertragen.

Mit Beschluß vom 14.10.1996 verpflichtete das Erstgericht den Vater, für Daniel folgende Unterhaltsbeiträge zu leisten:

vom 1.11.1992 bis 31.8.1994 4.000 S,

vom 1.9. bis 31.12.1994 2.600 S,

vom 1.1. bis 31.12.1995 2.250 S und

vom 1.1.1996 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit

(Ende der Lehrzeit) 1.730 S.

Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Das Erstgericht führte hiezu - aktenwidrig - aus, der Vater habe sich grundsätzlich zu einer Unterhaltsleistung bereit erklärt und sich nur gegen die begehrte Höhe gewandt. Es sei anläßlich der Scheidung zu keiner Unterhaltsvereinbarung gekommen. Es stellte das monatliche Nettoeinkommen des Vaters in den Jahren 1992 bis 1996 ebenso fest wie jenes der Mutter. Daniel ist seit August 1994 Tischlerlehrling und bezog von August bis Dezember 1994 eine Lehrlingsentschädigung von

4.290 S, im Jahr 1995 von 4.520 S und ab 1.1.1996 von 5.740 S. Bis zum Beginn der Lehre sei ein monatlicher Unterhalt von 4.000 S angemessen, ab Beginn der Lehre ergebe die Hälfte des Differenzbetrages vom jeweiligen Eigeneinkommen auf den ASVG-Richtsatz die bestimmten Unterhaltsbeiträge des Vaters.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge und wies den Unterhaltsantrag zur Gänze ab. Die Feststellung, der Vater habe sich grundsätzlich zu Unterhaltsleistungen für Daniel bereit erklärt, sei aktenwidrig, es sei anläßlich der Scheidung auch tatsächlich zu einer Unterhaltsvereinbarung gekommen. Aufgrund des pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleiches der Eltern anläßlich der Scheidung sei der Vater zu Unterhaltsleistungen für Daniel nicht verpflichtet. Es hätten sich die Verhältnisse nur für Mario insoweit geändert, als sich dieser "mehr oder weniger regelmäßig bei der Mutter aufgehalten habe und von dieser wohl auch versorgt worden sei". Über die Ansprüche von Mario sei aber ohnedies abgesprochen worden. In Ansehung Daniels sei für die Mutter ebensowenig eine Änderung der Verhältnisse eingetreten wie für Daniel selbst. Es habe daher bei der vergleichsweisen Regelung zu bleiben. Das Rekursgericht sprach aus, daß mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Minderjährigen ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung, daß Unterhaltsvergleiche regelmäßig unter der clausula rebus sic stantibus geschlossen werden, abgewichen ist; er ist im Sinne einer Aufhebung der Vorentscheidungen auch berechtigt.

Vereinbaren die Eltern mehrerer Kinder, daß jeweils der Elternteil, in dessen Obsorge sich ein Kind befindet, die geschuldete Unterhaltsleistung für den anderen Elternteil zu erbringen hat, liegt eine zulässige Erfüllungsübernahme im Sinne des § 1404 ABGB vor, die zwischen den Eltern eines Kindes ohne weiters geschlossen werden kann, weil hiedurch dessen Rechtsstellung nicht berührt wird. Die Vereinbarung bedeutet zugleich, daß der Unterhalt statt in Geld in natura geleistet wird (SZ 64/52). Durch die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Vergleiches hatte dieser aber auch Auswirkungen auf die Unterhaltsansprüche der Kinder. Bis zu einer Änderung der Verhältnisse war er auch für sie maßgeblich. Der anläßlich der Scheidung geschlossenen Vereinbarung liegt ganz offensichtlich der Gedanke zugrunde, daß jeder Elternteil einen etwa gleich hohen Geldunterhalt für das nicht in seiner Obsorge befindliche Kind hätte leisten müssen, der durch volle Alimentierung eines Kindes kompensiert werden sollte. Tritt aber in der tatsächlichen Betreuung eines Kindes eine Änderung ein und werden nun beide Kinder von nur einem Elternteil betreut, bedeutet dies eine einschneidende Änderung der Verhältnisse, die eine neue Festsetzung des Unterhaltes im Sinne der Bestimmung eines Geldunterhaltes des nicht betreuenden Teiles für beide Kinder rechtfertigt. Das Gesetz stellt in § 140 Abs 2 ABGB nur auf die tatsächliche Betreuung des Kindes im Haushalt eines Elternteiles ab, wem die Obsorge zukommt, ist nicht entscheidend. Hiezu sind zwar Anhaltspunkte und Angaben beider Elternteile im Akt vorhanden, es fehlen aber jegliche Feststellungen. Im fortgesetzten Verfahren wird daher zu klären sein, seit wann und in welchem Ausmaß auch Mario im Haushalt der Mutter betreut wurde. Der Vater hat behauptet, nicht nur Mario, sondern auch Daniel in einem über das normale Besuchsrecht hinausgehenden Ausmaß betreut und überdies Naturalleistungen erbracht zu haben. Erst wenn diese Fragen geklärt sind, kann beurteilt werden, ob und inwieweit der Vater für Daniel zu Geldunterhalt verpflichtet ist.

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