OGH 6Ob207/97b

OGH6Ob207/97b17.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria F*****, vertreten durch Dr.Elfriede Kropiunig, Rechtsanwältin in Leoben, wider die beklagte Partei Siegfried H*****, vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Aufkündigung, infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 17.April 1997, GZ 1 R 700/96z-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 14.Oktober 1996, GZ 9 C 416/95g-22, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin hatte die Liegenschaft in Leoben, auf der sich das Mietobjekt befindet, 1992 geerbt. Ihre Eltern hatten den Eltern des Beklagten die Wohnung vermietet. Der Beklagte trat in das Mietverhältnis ein. Er ist am Ort der Mietwohnung polizeilich gemeldet. Der Beklagte arbeitet seit 1986 als Monteur auf verschiedenen Baustellen und benützte die Wohnung nur selten. Seine Körperpflege und Wäsche erledigte er bei Bekannten. 1986 kündigte er den Strombezug für die Wohnung auf. Erst Ende 1995 (nach Einbringung der Aufkündigung) bezog er wieder Strom. Der Beklagte hält sich - wenn er nicht auf Montage auswärts ist - bei einer Bekannten in Landeck auf. Seine Post wird ihm infolge Nachsendeauftrags an die Adresse seiner Bekannten nachgeschickt. Der Beklagte nächtigt etwa 15mal jährlich in der Mietwohnung in Leoben. Zweck der Aufenthalte in Leoben ist es, Bekannte zu besuchen.

Am 13.11.1995 kündigte die Klägerin dem Beklagten die Wohnung zum 31.12.1995 gerichtlich auf. Der Beklagte benötige die Wohnung nicht zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses. Er habe seinen Wohnsitz bei einer Bekannten in Landeck.

Der Beklagte erhob Einwendungen und beantragte die Abweisung der Klage. Er nächtige zwar wegen seiner Montagetätigkeit häufig in Gasthäusern, kehre aber regelmäßig in die Mietwohnung zurück. Er habe keine andere Wohnversorgung.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete den Beklagten zur Räumung der Wohnung. Es traf über den im wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch die Feststellungen, daß die aus drei Räumen bestehende Wohnung "offensichtlich nicht benützt wird". Im Schlafzimmer befänden sich ein Bett und ein Kasten, in dem der Beklagte Kleidungsstücke aufbewahre. Die Kästchen in der Küche seien leer. Der Beklagte bewahre weder Kochgeschirr noch Lebensmittel auf.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Beklagte die Wohnung nicht zu Wohnzwecken, sondern nur als Absteigquartier benutze. Selbst wenn er mit seiner Bekannten keine Lebensgemeinschaft eingegangen sei, begründe dies noch kein dringendes Wohnbedürfnis an der Mietwohnung. Die Nichtbenützung der Wohnung sei keine vorübergehende.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es beurteilte den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung des Bestandobjektes zu Wohnzwecken und den Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters voraussetze. Wenn der Mieter über keine zweite Wohnung verfüge, so sei die Anzahl seiner Übernachtungen im Bestandobjekt nicht entscheidend. Wenn er als Gast in die Wohnung einer anderen Person aufgenommen werde, müsse geprüft werden, ob nach den Umständen des Einzelfalls dem Mieter ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietvertrages mangle. Ein solches Interesse könne dann verneint werden, wenn die Rückkehr des Mieters in die aufgekündigte Wohnung ungewiß oder nicht in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Der Beklagte habe der Wohnung in Leoben keine besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Für die Annahme des Wohnens reiche das bloße Übernachten nicht aus. Sein Lebensschwerpunkt liege bei seiner Bekannten. Daß der Beklagte beabsichtige, in absehbarer Zeit in die aufgekündigte Wohnung zurückzukehren, habe er nicht einmal behauptet. Bei Verlegung des wirtschaftlichen Schwerpunkts des Mieters, ohne daß in absehbarer Zeit mit einer Rückkehr zu rechnen sei, sei der Kündigungsgrund gegeben. Das Gesetz stelle auf ein dringendes Wohnbedürfnis ab. Auf das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes zur Ausübung des Wahlrechtes oder zur Ermöglichung der Aufnahme eines Kredites oder zur Eröffnung eines Gehaltskontos komme es nicht an. Das Fehlen einer Zweitwohnung begründe noch nicht automatisch ein dringendes Wohnbedürfnis. Dem Beklagten sei es nicht gelungen, ein dringendes Wohnbedürfnis an der nicht regelmäßig benützten aufgekündigten Wohnung nachzuweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es läge keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Fall vor.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, daß die Kündigung (als unwirksam) aufgehoben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes - nicht zulässig.

Beim Kündigungsgrund der nicht regelmäßigen Verwendung der vermieteten Wohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters (§ 30 Abs 2 Z 6 MRG) hat der Vermieter das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung zu beweisen, der Mieter aber das Vorliegen des dringenden Wohnbedürfnisses (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 31 zu § 30; MietSlg 31.428; 1 Ob 602/94 uva). Der Mieter muß insbesondere nachweisen, daß er in absehbarer Zeit in die Wohnung zurückkehren werde (6 Ob 561/92). Hier geht es nicht um die schon seit längerer Zeit wegen seiner Montagetätigkeit nur seltene Anwesenheit des Mieters im Mietobjekt (woraus schon nach dem Gesetzestext kein Kündigungsgrund ableitbar ist), sondern um den festgestellten Umstand, daß der Beklagte sich überwiegend bei einer Bekannten aufhält, seinen wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt also dorthin verlegt hat und die Mietwohnung seither nur als Absteigquartier zum Zwecke von Besuchen bei Bekannten in Leoben benutzt. Daß keine Lebensgemeinschaft festgestellt wurde, steht der Annahme einer bestehenden Wohnversorgung des Mieters bei seiner Bekannten schon mangels gegenteiliger Prozeßbehauptungen des Beklagten nicht entgegen. Bei Vorhandensein zweier Wohnungen kommt es auf den Schwerpunkt der Haushaltsführung (MietSlg 31.417), also auf den wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt des Betroffenen (MietSlg 46.380) an. Auch bei bloßen Wirtschaftsgemeinschaften, die wie Lebensgemeinschaften natürlich aufgelöst werden können, ist das Horten von Mietwohnungen mit dem Zweck der Kündigungsbeschränkung nicht vereinbar (MietSlg 31.427). Der beweispflichtige Mieter hätte nachweisen müssen, daß ihm in absehbarer Zeit die Wohnmöglichkeit bei seiner Bekannten nicht mehr zur Verfügung stehen und daß er seinen Lebensmittelpunkt dann wieder in die Mietwohnung verlegen werde. Dazu fehlt jedes Prozeßvorbringen des Beklagten. Ungewisse Möglichkeiten eines künftigen Bedarfs reichen zur Verneinung des Kündigungsgrundes ebensowenig aus wie die gelegentliche Nutzung der Mietwohnung als Absteigquartier (8 Ob 2056/96b). Von diesen in ständiger oberstgerichtlicher Judikatur vertretenen Grundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Der Revisionswerber zeigt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. Entscheidend ist nicht die Abwesenheit des Mieters von der Mietwohnung aus beruflichen Gründen, sondern diejenige aufgrund der Verlegung des wirtschaftlichen Lebensmittelpunkts. Die Rechtsansicht, daß die Mietwohnung den "einzigen ordentlichen Wohnsitz" des Beklagten darstelle, trifft nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu. Bei der Beurteilung des Wohnsitzes kommt es nicht auf die polizeiliche Meldung, sondern immer nur auf die tatsächlichen Lebensverhältnisse an.

Die Revision ist aus den dargelegten Gründen unzulässig. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen hat, sind ihr keine Kosten zuzusprechen.

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