OGH 13Os104/97

OGH13Os104/979.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Juli 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel und Dr.Ratz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Miljevic als Schriftführerin in der bei dem Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 5 d Vr 13.167/96 anhängigen Strafsache gegen Hannes Peter T***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerden des Angeklagten und des Verteidigers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 22.Mai 1997, AZ 19 Bs 168/97, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Hannes (Peter) T***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die vom Verteidiger eingebrachte Beschwerde wird ab-, die vom Angeklagten eigenhändig verfaßte wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Hannes (Peter) T***** befindet sich seit 18.Dezember 1996 (mit Ausnahme der Zeiten vom 22.Jänner bis 5.Februar 1997 und vom 3.Juni 1997 bis voraussichtlich 19.Juli 1997 zum Vollzug von Verwaltungsstrafen) in Untersuchungshaft. Er wurde in diesem Verfahren mittlerweile mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.Februar 1997, GZ 5 d Vr 13.167/96-23, wegen der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (diesbezüglich unangefochten) und der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach §§ 15, 209 StGB schuldig erkannt und zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde der Widerruf zweier bisher bedingt nachgesehener Freiheitsstrafen ausgesprochen. Über die Nichtigkeitsbeschwerde (betreffend den Schuldspruch nach §§ 15, 209 StGB) und die Berufung des Angeklagten ist der Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung angeordnet (13 Os 63,64/97).

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde der Haftbeschwerde des Untersuchungshäftlings nicht Folge gegeben und die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO fortgesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richten sich eine vom Verteidiger des Angeklagten eingebrachte Grundrechtsbeschwerde, in welcher das Vorliegen des Haftgrundes bestritten, die Anwendung gelinderer Mittel gefordert und die unverhältnismäßige Dauer der Untersuchungshaft gerügt wird sowie ein vom Untersuchungshäftling selbst verfaßter, als "Beschwerde" bezeichneter Schriftsatz.

Da im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nur eine Beschwerdeschrift zulässig ist und diese gemäß § 3 Abs 2 GRBG von einem Verteidiger unterschrieben sein muß, war die vom Angeklagten selbst stammende zurückzuweisen (s 11 Os 70/97).

Der vom Verteidiger unterfertigten Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die weitwendigen Ausführungen, wonach sich der Beschwerdeführer niemals mit einem Unmündigen (sexuell) eingelassen hätte, sind allesamt Hypothesen, die der Wirklichkeit (unangefochter gebliebener Schuldspruch nach § 207 StGB) widerstreiten. Die Behauptung wiederum, daß die Eingehung gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen mit Jugendlichen männlichen Geschlechts "kein relevantes Unrecht mehr" sei, ist nur insoweit zutreffend, als es sich beim Jugendlichen (§ 74 Z 2 StGB) um einen Sexualpartner (zwar unter 19, aber) über 18 Jahre handelt (§ 209 StGB).

Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren (§ 209 StGB) ist - von Qualifikationen abgesehen - mit derselben Strafe bedroht wie Unzucht mit Unmündigen (§ 207 StGB). Auch die Folgen eines Verbrechens nach § 209 StGB sind demnach jedenfalls nicht "leicht".

Die Beschwerdeüberlegungen in Richtung § 180 Abs 2 Z 3 lit c StPO bedürfen keiner Erörterung, sind diese Gesetzesstelle und ein darauf gestützter Haftgrund doch nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses. Weil der Angeklagte in seiner Beschwerde gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft den dringenden Tatverdacht nicht bekämpft und demnach den Instanzenzug insoweit nicht ausgeschöpft hat, war dieser (auch mit Bezug auf den mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochtenen Teil des Schuldspruches) schon deshalb (auch unter rechtlichen Gesichtspunkten) als gegeben zu unterstellen (vgl EvBl 1997/16).

Demnach hat der Beschwerdeführer nicht nach der Tat des § 207 StGB jene nach § 209 StGB (die nach Ansicht des Verteidigers kein relevantes, jedenfalls aber geringeres Unrecht darstelle) begangen, sondern ist umgekehrt straffällig geworden. Nach dem vom Schöffengericht in Richtung §§ 15, 209 StGB beurteilten Verhalten hat er (dem unangefochten gebliebenen Schuldspruch zufolge) Unzucht sogar mit dem ihm nunmehr auch altersmäßig bekannten Unmündigen getrieben. Solcherart hat sich die kriminelle Energie des Beschwerdeführers (auch unter dem Gesichtspunkt der Argumente des Verteidigers) nicht vermindert, sondern verstärkt. Dies, die Fortsetzung der Unzuchtshandlungen und deren wiederholte Begehung über fast ein halbes Jahr bis annähernd zur Inhaftnahme begründen gar wohl die Tatbegehungsgefahr, wie dies das Oberlandesgericht zutreffend herausgestrichen hat.

Ausgehend vom erstinstanzlichen (teilweise in Rechtskraft erwachsenen) Schuld- und Strafausspruch, wovon der Beschwerdeführer bisher nicht einmal die Hälfte in Untersuchungshaft verbrachte (unter Ausklammerung der widerrufenen bedingten Strafnachsichten), kann schließlich keine Rede davon sein, daß die Dauer der Untersuchungshaft zum Zeitpunkt der angefochtenen Haftentscheidung zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis gestanden wäre (14 Os 19/97).

Der Haftzweck kann auch durch gelindere Mittel nicht erreicht werden. Denn abgesehen davon, daß sich die Verhältnisse, unter denen der Beschwerdeführer die ihm angelastete Tat begangen hat, nicht entscheidend geändert haben (§ 180 Abs 3 letzter Satz StPO), zeigt er zufolge Rückfalls in offenen Probezeiten mit steigender krimineller Energie, daß bloße Zusagen oder eine allfällige Beratung oder Therapie nicht ausreichen, um den Haftzweck zu erreichen.

Der Grundrechtsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

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