OGH 10ObS191/97d

OGH10ObS191/97d8.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Raimund Kabelka (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl-Heinz Schubert (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Albert H*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter- Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen "Hinterbliebenenleistungen", infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 1997, GZ 25 Rs 19/97y-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18. September 1996, GZ 46 Cgs 116/96x-10, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision und dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8.12.1995 unternahm der Sohn des Klägers, Raimund H*****, geboren am 19.2.1969 - ein geprüfter Bergführer und Bergretter sowie hochqualifizierter Alpin- und Eiskletterer - gemeinsam mit seinem Freund Christian Z***** im Gemeindegebiet von Neustift im Stubaital eine gemeinsame private Eisklettertour im "Grawa Eisgarten". Dabei kam Christian Z***** bei einem Spreizschritt ins Rutschen und stürzte ca 60 m ab, wodurch er sich eine Rißquetschwunde am Kopf, eine Nasenbeinfraktur und Prellungen am ganzen Körper zuzog. Nach erster Hilfe durch Raimund H***** und Sicherung des Verletzten erfolgte ca 1 Stunde nach dem Unfall über Verständigung der Bergrettung die Bergung durch einen Rettungshubschrauber samt Überstellung in die Universitätsklinik Innsbruck. Im Zuge dieser Bergung wurde der Rucksack des Christian Z***** samt Kletterutensilien übersehen und an der Unfallstelle zurückgelassen.

Aufgrund dieses Vorfalles beschloß der mit diesem Bergunfall beim Gendarmerieposten Kematen befaßte Erhebungsbeamte, Gebietsinspektor Horst K***** - gleichzeitig auch Gruppenleiter der alpinen Einsatztruppe Innsbruck-Süd sowie geprüfter Gendarmerie- und Zivilbergführer -, den Unfallshergang vom 8.12.1995 an Ort und Stelle dienstlich zu recherchieren und dabei auch den Rucksack des Christian Z***** sicherzustellen und zu bergen. Obwohl ein Fremdverschulden an dessen Absturz als Unfallursache faktisch ausgeschlossen war und der Unfallsort in schwer zugänglichem hochalpinem Gebiet lag, handelte es sich bei diesen geplanten Erhebungen durchaus um einen üblichen Routinevorgang, wie er von berg- und kletterkundigen Gendarmeriebeamten in solchen Fällen immer wieder durchgeführt wird. Schon am 9.12.1995 stiegen daher Inspektor K***** und der von ihm beigezogene Revierinspektor Gerhard W***** in Richtung Unfallsort auf, mußten jedoch aufgrund der widrigen Wetterverhältnisse ihre Tour vorzeitig abbrechen.

Inspektor K***** wollte die behördliche Recherche am Unfallsort samt Sicherstellung der Gerätschaften des Christian Z***** dessen ungeachtet jedenfalls durchführen und forderte nunmehr Raimund H***** auf, ihn zur Unfallsstelle zu begleiten. Hintergrund und Motiv dieser Aufforderung waren einerseits das hohe, über die Kenntnisse des Gerhard W***** weit hinausgehende bergsteigerische Können des Raimund H***** und die damit verbundene weit höhere Wahrscheinlichkeit, gefahrlos zum Unfallsort zu gelangen, andererseits aber auch der Umstand, daß H***** als Unfallszeuge den Unfall auch an Ort und Stelle entsprechend zu erläutern in der Lage war. H***** erklärte sich damit einverstanden, Inspektor K***** auf dessen Einsatztour zu begleiten. Die Beiziehung von besonders qualifizierten geprüften Bergführern bei derartigen Unfallsrecherchen im hochalpinen Gebiet durch eine Sicherheitsbehörde ist ein keineswegs unüblicher Vorgang.

Raimund H***** informierte am 10.12.1995 den Leiter der Bergrettungsortsstelle F***** über den Unfall vom 8.12. mit dem Hinweis, daß der ermittelnde Gendarmeriebeamte ihn ersucht hatte, als Begleitperson an den Erhebungen am Unfallsort teilzunehmen. Da allerdings die Tour nicht in das Einsatzgebiet der Ortsgruppe F***** fiel und der genaue Aufstiegszeitpunkt noch nicht feststand, erfolgte durch den Ortsgruppenleiter keine Meldung an die Landesstelle, wie sie zur Gewährleistung des Unfallversicherungsschutzes von Bergrettungsmitgliedern - ausgenommen etwa einen Ad-hoc-Einsatz im Katatrophenfall - üblich ist.

Am 14.12.1995 traten Raimund H***** und Inspektor K***** die Tour zum Unfallsort an. Die Witterungs-, Gelände- und Eisverhältnisse waren während des Aufstiegs regulär. Im Hinblick auf die Praxis und das Können beider Alpinisten bedeutete der Aufstieg eine Routinetour. Trotzdem wurden sie hiebei von einem durch Selbstauslösung abgehenden Schneebrett erfaßt, in die Tiefe gerissen und getötet.

Mit Bescheid vom 14.6.1996 anerkannte die beklagte Partei den Unfall des Raimund H***** vom 14.12.1995 nicht als Arbeitsunfall und wies einen Anspruch auf Leistungen aus Anlaß dieses Unfalles ab.

Der Kläger stellte mit der dagegen erhobenen Klage das Begehren, festzustellen, daß es sich beim tödlichen Unfall des Genannten am 14.12.1995 um einen Arbeitsunfall handelt, und die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger für die Folgen dieses Arbeitsunfalles die beantragten Leistungen in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.

Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens und beurteilte den eingangs (zusammengefaßt) wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß der über behördliches Ersuchen erfolgte Aufstieg samt Bergunfall des Raimund H***** vom 14.12.1995 ein unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehendes, einem Arbeitsunfall gleichzuhaltendes Ereignis gemäß § 176 Abs 1 Z 2 ASVG ("bei angemessener Unterstützung der Amtshandlung eines Sicherheitsorganes") darstelle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei in Ansehung des Ausspruches über das Feststellungsbegehren keine Folge, in Ansehung des Ausspruches über das Leistungsbegehren gab es der Berufung hingegen Folge, hob die erstgerichtliche Entscheidung insoweit auf und verwies die Sozialrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Sowohl die ordentliche Revision als auch der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurden zugelassen. Auch das Berufungsgericht bejahte den Versicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 2 ASVG. Allerdings sei das Leistungsbegehren nicht im Sinne des § 82 Abs 1 ASGG hinreichend bestimmt, weil nach Maßgabe der in Frage kommenden Bestimmungen des ASVG nicht geklärt sei, ob der Kläger einen Teilersatz von Bestattungskosten und/oder Hinterbliebenenrente begehre.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision gemäß § 45 Abs 1, § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei, "da der vorliegenden Frage, ob Personen - insbesondere Mitgliedern des österreichischen Bergrettungsdienstes -, welche seitens der Sicherungsbehörde um Unterstützung bei der Aufklärung von alpinen Unfällen mit Personenschaden ersucht wurden, bei dieser Tätigkeit Versicherungsschutz zukomme, über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme, da derartige Hilfestellungen bekanntermaßen häufig vorkämen und eine Rechtsprechung des Höchstgerichtes zu der hier aufgeworfenen Problematik nicht greifbar sei;" der Rekurs wurde zur Wahrung der Einheitlichkeit der Entscheidung zugelassen.

Gegen dieses Urteil samt Aufhebungsbeschluß richtet sich die Revision samt Rekurs der beklagten Partei aus dem Rechtsmittelgrund der jeweils unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision und der Rekurs sind aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Nach Auffassung der Revisionswerberin seien unter dem Begriff der "angemessenen Unterstützung der Amtshandlung eines Sicherheitsorganes" nach den Materialien zum ASVG nur Personen zu subsumieren, die sich aus eigener Initiative oder über Aufforderung von Sicherheitsorganen in die Verfolgung und Festnahme eines Täters einschalten. Da auch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes stets auf das Bestehen einer unmittelbaren Gefährdung abgestellt habe, sei die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen "klar und eindeutig gesetz- und judikaturwidrig". Auch bei weitest in Frage kommender Auslegung könne der Unfall des Raimund H***** vom 14.12.1995 nicht dem letzten Fall des § 176 Abs 1 Z 2 ASVG unterstellt werden.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:

Gemäß § 176 Abs 1 Z 2 ASVG sind den Arbeitsunfällen Unfälle gleichgestellt, die sich bei den darin im einzelnen (und taxativ) aufgezählten Tätigkeiten ereignen. Nach der Stammfassung dieser Gesetzesstelle (BGBl 1955/189) waren dies die "Rettung eines Menschen aus tatsächlicher oder vermuteter Lebensgefahr oder dem Versuch einer solchen Rettung, bei der Suche nach vermißten Personen, bei der Hilfeleistung in sonstigen Unglücksfällen oder allgemeine Gefahr oder Not, bei der Herbeiholung eines Seelsorgers zu einem in Lebensgefahr befindlichen Erkrankten oder Verunglückten oder bei der Heranziehung zu Blutspenden, in allen diesen Fällen jedoch nur, wenn keine besondere rechtliche Verpflichtung zu diesen Leistungen besteht". Durch die 9. ASVG-Novelle BGBl 1962/13 (Art III Z 2 a) wurde in diesem Katalog auch die "Herbeiholung eines Arztes oder einer Hebamme zu einer dringenden Hilfeleistung" eingefügt. Durch die 44. Novelle zum ASVG BGBl 1987/609 (Art II Z 3 a) schließlich wurde die Gesetzesstelle - als letzte Fallgruppe der Aufzählung - um die für den vorliegenden Rechtsfall relevanten Worte "bei angemessener Unterstützung der Amtshandlung eines Sicherheitsorganes" erweitert. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (324 BlgNR

17. GP, 35, abgedruckt auch in Anm 3 aa zu § 176 in der MGA zum ASVG [Band 2], verkürzt wiedergegeben auch in SSV-NF 10/32) sollte durch die auf einen Vorschlag des Bundesministeriums für Inneres zurückgehende Erweiterung des bereits bestehenden Katalogs von in den unfallversicherungsrechtlichen Schutz einbezogenen "freiwillig unternommenen Tätigkeiten im Interesse der Allgemeinheit" klargestellt werden, "daß auch die außerhalb eines individuellen oder allgemeinen Notstandes einem Exekutivorgan im Dienste der Strafrechtspflege freiwillig geleistete Hilfe ein gleichermaßen schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit darstelle" wie die sonstigen in dieser Gesetzesstelle genannten und "aus altruistischen Beweggründen im Interesse der Allgemeinheit" unternommenen Tätigkeiten. Während "aufgrund der zitierten Bestimmung Privatpersonen, die freiwillig behördlichen Organen zur Abwehr von Personen- oder Sachschäden beispringen, bereits jetzt unter dem Schutz der Unfallversicherung stehen, da durch diese Hilfeleistung einer der im § 176 Abs 1 Z 2 ASVG aufgezählten Tatbestände erfüllt ist", sollten durch die nunmehr vorgeschlagene (und Gesetz gewordene) Änderung "im wesentlichen Personen geschützt werden, die sich aus eigener Initiative oder über Aufforderung der Sicherheitsorgane in die Verfolgung und Festnahme eines Täters einschalten", wobei im weiteren vor allem auf jene Fälle (auch unter Zitierung der hiefür strafrechtlich und strafprozessual relevanten Bestimmungen) verwiesen wird, "bei denen eine Privatperson in Abwesenheit von Sicherheitsorganen festgehalten wird", um im öffentlichen Interesse "zu gewährleisten, daß ein Tatverdächtiger ehebald den Sicherheitsorganen überstellt wird".

Kainzbauer/Peterka/Rudolf/Sourhada, Änderungen im Sozialversicherungsrecht - 44. Novelle zum ASVG, SozSi 1988, 4 (11) führen zu diesem Punkt der Novelle aus, "daß jene Personen, die einem Sicherheitsorgan freiwillig bei einer Amtshandlung beistehen, im Interesse der Allgemeinheit geschützt werden sollten; insbesondere ... jene Personen, die sich an der Verfolgung und Festnahme von Straftätern beteiligen".

Die von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt zitierten Entscheidungen 10 ObS 138/88 (SSV-NF 2/63) und 10 ObS 58/96 (SSV-NF 10/32) hatten zwar die Bestimmung des § 176 Abs 1 Z 2 ASVG in ihrer seit dem 1.1.1988 in Geltung stehenden Fassung zum Gegenstand, betrafen jedoch völlig anders gelagerte Sachverhalte und sind daher insoweit auf den hier zur Prüfung anstehenden Fall nicht übertragbar:

In der erstgenannten Entscheidung ging es um die Hilfestellung des aus seiner Wohnung einen (offensichtlichen) Notzuchtversuch beobachtenden Mann, der der hievon betroffenen Frau zu mitternächtlicher Stunde zu Hilfe eilte und sich bei der anschließenden Verfolgung des Flüchtenden, letztlich jedoch mit Hilfe weiterer Passanten festgenommenen Täters durch einen Sturz verletzte. Der Oberste Gerichtshof bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen für den Versicherungsschutz nach dieser Gesetzesstelle, weil der Angriff des Täters auf das Opfer trotz Flucht zufolge Dazwischentretens des Klägers noch nicht beendet gewesen und keineswegs auszuschließen gewesen sei, daß der möglicherweise bewaffnete Gewalttäter sich ohne das weitere Einschreiten des Klägers wieder auf sein Opfer gestürzt hätte, sodaß die Gefahrensituation für die überfallene Frau noch weiter angedauert habe. In der zweiten Entscheidung verneinte der Senat hingegen den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung bei einem Mann, der einen fliehenden Täter bloß deshalb verfolgt hatte, um die von diesem seiner Gattin zuvor entrissene Handtasche wiederzuerlangen, nicht aber, um diesen dingfest zu machen und den Sicherheitsorganen zu übergeben.

Tomandl kam seinerzeit in seinem noch vor der hier anzuwendenden 44. Novelle erschienenen Aufsatz "Der Schutzbereich der Unfallversicherung", ZAS 1975, 123 ff - nach ausführlicher rechtshistorischer Analyse der Kernbestimmungen des Leistungsrechts der Unfallversicherung in den §§ 175, 176 ASVG - zum Ergebnis (11 aaO), daß die im § 176 leg cit angesprochenen "Handlungen im Fremdinteresse nur spezielle Sachverhalte treffen", welche "sich nicht zu einer Verallgemeinerung eignen (und) kein weiterführendes Prinzip in sich tragen". Tatsächlich läßt die einleitend wiedergegebene und jeweils zu punktuellen Erweiterungen führende Gesetzeschronologie nach Auffassung des Senates freilich sehr wohl eine Systematik durchaus erkennen:

Zunächst ist sämtlichen Fallgruppen gemeinsam und damit der Schluß zulässig, daß es sich wohl stets und ausschließlich um personenbezogene Aktivitäten handeln muß, wie dies ja auch aus der bereits zitierten Entscheidung SSV-NF 10/32 (Verfolgung bloß zur Wiedererlangung eines Sachwertes aus einer Straftat) hervorgeht; auch die ebenfalls bereits wiedergegebenen Gesetzesmaterialien machen dies unzweifelhaft deutlich. Die Hilfeleistung muß also jedenfalls Menschen, auch nicht etwa bloß Tieren gelten (Tomandl in Tomandl, System des öster. Sozialversicherungsrecht, 299). Insoweit steht dieses Auslegungsergebnis auch mit den maßgeblichen objektiven Wortlaut (SZ 41/119) in Einklang und Übereinstimmung. Daraus folgt, daß der zum Absturz führende Aufstieg des Sohnes des nunmehrigen Klägers gemeinsam mit dem dienstlich befaßten Gendarmeriebeamten und mitverunglückten Horst K*****, soweit hiedurch - nach den Feststellungen des Erstgerichtes - auch der bei der Bergung des wenige Tage zuvor verunglückten Christian Z***** vergessene Rucksack "sichergestellt und geborgen" werden sollte, keinesfalls unter Unfallversicherungsschutz gestanden sein kann.

Darüber hinaus fällt auf, daß das Gesetz - in seinen ersten fünf Fallgruppen - ausschließlich solche erfaßt hat, bei denen es jeweils um Dringlichkeitsmaßnahmen aus Not- und Gefahrenfällen (Tomandl, aaO 298 f) geht, bei welchen aus altruistischen Beweggründen im Interesse der Allgemeinheit, wenngleich ohne besondere Rechtspflicht, Rettungs- oder sonstige Hilfeleistungshandlungen gesetzt werden. Bei den beiden letztgenannten in der Aufzählung des Gesetzes - Blutspende und Unterstützung einer Amtshandlung - handelt es sich hingegen um solche, denen ein derart unmittelbares (mangels Nennung einzelner Gefahrenmomente damit auch nicht existentiell für das Leben eines Betroffenen entscheidendes) Dringlichkeitsmoment mangelt. Auch wenn in den bereits wiedergegebenen Materialien zur 44. Novelle zum ASVG als vom Gesetzgeber vorrangig ins Auge gefaßter Anlaßfall der letzten Fallgruppe die Verfolgung und Festnahme eines Täters aus einer (gerichtlich) strafbaren Handlung genannt wird, so handelt es sich hiebei doch bloß um einen, keineswegs jedoch den einzigen vom Gesetzgeber selbst erfaßten Falltypus; dies ergibt sich für den Senat unzweifelhaft nicht zuletzt aus dem Einleitungsabsatz der Materialien, in denen ausdrücklich davon die Rede ist, daß es sich im Rahmen der Neuregelung um "außerhalb eines individuellen oder allgemeinen Notstandes einem Exekutivorgan im Dienste der Strafrechtspflege freiwillig geleistete Hilfe" handeln müsse.

Genau diese Voraussetzungen liegen jedoch bei dem zur Prüfung anstehenden Sachverhalt vor: Der zum Unfall führende Aufstieg der beiden später verunglückten Männer diente nicht bloß der (nicht unverfallversicherungsgeschützten) Bergung des wenige Tage zuvor zurückgebliebenen Rucksackes samt Ausrüstung des Absturzopfers Z*****, sondern darüber hinaus (und primär) zur "dienstlichen Recherche" des Unfallherganges vom 8.12.1995 an Ort und Stelle. Es sollte hiedurch - auch - ein allfälliges (bis dahin nur "faktisch" ausgeschlossenes) Fremdverschulden des Raimund H***** als Begleiter des abgestürzten Christian Z***** verifiziert bzw (umgekehrt) rechtlich ausgeschlossen werden. Inspektor K***** trat insoweit nach den für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Feststellungen eine "behördliche Recherche" an und "forderte dazu (den ortskundigen, alpinistisch ausgebildeten und Unfallzeugen) Raimund H***** auf, ihn zur Unfallsstelle zu begleiten", nachdem ein alleiniger Aufstiegsversuch (mit einem zweiten Gendarmen) fünf Tage zuvor gescheitert war. Damit kann es aber keinem Zweifel unterliegen, daß es sich bei der Begleitung des Raimund H***** am 14.12.1995 um eine - wie vom Gesetz gefordert - "angemessene Unterstützung der Amtshandlung eines Sicherheitsorganes" ohne besondere rechtliche Verpflichtung zu dieser Leistung "im Dienste der Strafrechtspflege" (RV 324 BlgNR 17. GP, 35) gehandelt hat.

Wegen der Verwandtschaft der österreichischen mit der deutschen Unfallversicherung soll nicht unerwähnt bleiben, daß dieses Auslegungsergebnis auch der aktuellen deutschen Rechtslage entspricht. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß § 539 der bis 1955 in Österreich in Geltung gestandenen deutschen Reichsversicherungsordnung (RVO) als in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfälle versichert Personen bezeichnet, "die einem Bediensteten des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder einer anderen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, der sie zur Unterstützung bei einer Diensthandlung heranzieht, Hilfe leisten" (Z 9 lit b), sowie in deren lit c "Personen, die sich bei Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer rechtswidrigen, den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichenden Tat verdächtig ist, oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen". Im § 2 Z 11 des nunmehr in der BRD in Geltung stehenden Sozialgesetzbuches (SGB) VII werden als kraft Gesetzes versichert Personen genannt, die (lit a) "von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden", sowie (Z 13 lit a) "Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten". Schrifttum und Rechtsprechung legen den Begriff der "Heranziehung" dabei dahin aus, daß eine solche in jeder Form geschehen könne, zB auch mündlich, durch Zeichengebung (etwa Heranwinken), ja sogar stillschweigende Duldung; Unterstützung hingegen ist jede Handlung, die nach der subjektiv vertretbaren Sicht des Handelnden die Diensthandlung ermöglichen oder erleichtern soll (zB auch Begleitung, um eine Örtlichkeit oder den richtigen Weg zu zeigen; Ricke in Kasseler Kommentar, Band 2, Rz 53 und 54 zu § 2 SGB VII). Durch die - anders als in Österreich - ausdrückliche Abgrenzung dieser Personengruppe durch den Gesetzgeber von jener anderen, die bei Unglücksfällen oä Hilfe leisten bzw ua bei der Verfolgung oder Festnahme von Straftätern mitwirken, ist (auch) klargestellt, daß das Moment der Akuthilfe für die (sonstige) "Unterstützung einer Diensthandlung" nicht gefordert wird.

Soweit Tomandl (aaO 299) darauf verweist, daß bei "Hilfeleistungen in weniger dringlichen Situationen" Leistungen der Unfallversicherung nicht in Betracht kommen sollen, ist dies hinsichtlich der in § 176 Abs 1 Z 2 ASVG letztgenannten beiden Fallgruppen (Blutspenden einerseits, Unterstützung von Amtshandlungen eines Sicherheitsorgans andererseits) nicht mit dem Wortlaut, der Gesetzessystematik und der Teleologie der Gesetzesstelle in Einklang zu bringen. Auch wenn der einzige Verletzte des Vorfalles vom 8.12.1995, Christian Z*****, bereits am selben Tag geborgen und aus dem Unfallsbereich ausgeflogen worden war, sodaß kein unmittelbarer (dringlicher) Anlaß bestand, (wieder) die zum Unglücksfall vom 14.12.1995 führende Gefahrenroute über die Steileisstufe des Wasserfalleises anzutreten, verbleibt doch der - einzig relevante - Umstand, daß es sich um eine "dienstliche Erhebungstour" im Rahmen der Strafrechtspflege handelte, zu welcher Raimund H***** nicht nur die Örtlichkeit und den (alpinistisch sichersten) Weg zeigen sollte, sondern auch durch seine Begleitung zur Wahrheitsfindung an Ort und Stelle (und damit zur dienstlichen Aufgabenerfüllung des Inspektors K*****) wesentlich effizienter beitragen hätte können, als wenn er dessen Begleit"aufforderung" nicht entsprochen hätte. Auch wenn Raimund H***** nicht als gemäß § 4 Abs 3 Z 7 ASVG hauptberuflich tätiger Bergführer mit einer (vom Unfallversicherungsschutz bei Ausübung dieses Berufes umfaßten) Rettungshandlung - für eine in Bergnot geratene Person - befaßt war (vgl hiezu Janda, Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten zur Lebensrettung, SozSi 1964, 409 [411]), haben damit die Vorinstanzen zutreffend den gegenständlichen Fall unter den Versicherungsschutz des § 176 Abs 1 Z 2 letzter Fall ASVG subsumiert. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Hinsichtlich des Aufhebungsbeschlusses ist das Rechtsmittel des Rekurses völlig inhaltsleer. Es kann daher genügen, diesbezüglich auf die zutreffenden Gründe des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 48 ASGG).

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, da sich der Kläger am Revisions- bzw Rekursverfahren nicht beteiligt hat.

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