OGH 15Os84/97

OGH15Os84/973.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Leander S***** wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 9.Oktober 1991, GZ 3 U 42/91-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 9.Oktober 1991, GZ 3 U 42/91-14, verletzt im Strafausspruch das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 31 und 40 StGB.

Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO wird das bezeichnete Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und (gesetzeskonforme) Entscheidung über den Strafausspruch aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit (gemäß §§ 488 Z 7, 458 Abs 2 und Abs 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16.Oktober 1990, GZ 41 E Vr 1715/90-6, wurde Leander S***** des Vergehens der Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls nach § 7 Abs 1 und Abs 2 MilStG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt; die Geldstrafe zahlte er am 11. September 1991.

Mit (Abwesenheits-)Urteil des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 9. Oktober 1991, GZ 3 U 42/91-14, wurde Leander S***** des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt, weil er am 6.Oktober 1990 der Verkäuferin einer Videothek einen Videorecorder und zwei Videokassetten im Wert von 7.000 S betrügerisch herausgelockt hatte. Ungeachtet der Tatsache, daß sich aus der im bezirksgerichtlichen Akt erliegenden Strafregisterauskunft (5) ua auch der Zeitpunkt des oben zitierten Urteils des Landesgerichtes Salzburg ergab, was die Anwendung der §§ 31, 40 StGB erforderlich gemacht hätte, verhängte die Bezirksrichterin, ohne auf diese Strafbemessungsvorschriften Bedacht zu nehmen, über Leander S***** eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, die der Verurteilte am 2.November 1992 zahlte. Bei der Strafbemessung wertete sie als erschwerend die leugnende Verantwortung des Beschuldigten, die "Vorverurteilung" und die lange Dauer der Entlehnung, demgegenüber als mildernd keinen Umstand (52 des Bezugsaktes).

Das bezeichnete Urteil des Bezirksgerichtes Bad Ischl verletzt - wie der Generalprokurator in seiner dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gemäß § 33 Abs 2 StPO zutreffend ausführt - im Strafausspruch das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 31 und 40 StGB.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem Zeitpunkt seiner Begehung hätte der von Leander S***** am 6. Oktober 1990 verübte Betrug schon vom Einzelrichter des Landesgerichtes Salzburg im Verfahren AZ 41 E Vr 1715/90, Hv 126/90, abgeurteilt werden können (§ 56 StPO). Die Bezirksrichterin wäre daher - zumal die Tatsache der rechtskräftigen Verurteilung im vorangegangenen Verfahren aus der Aktenlage bekannt war - verpflichtet gewesen, bei Bemessung ihrer Strafe im Verfahren 3 U 42/91 gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Salzburg Bedacht zu nehmen. Diesfalls hätte sie über den Beschuldigten entweder eine Zusatzstrafe verhängen können, die innerhalb der im § 31 Abs 1 StGB normierten Grenzen so zu bemessen gewesen wäre, daß die Summe der Strafen jener Strafe entsprochen hätte, die bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen gewesen wäre, oder die Möglichkeit gehabt (§ 40 StGB), von einer Zusatzstrafe überhaupt abzusehen, wenn sie der Ansicht gewesen wäre, daß auch bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die im früheren Urteil verhängte auszusprechen gewesen wäre.

Indem die Bezirksrichterin aber im zeitlich späteren Urteil das vorangegangene Urteil gänzlich unberücksichtigt ließ, verstieß sie gegen die zwingend anzuwendenden Bestimmungen der §§ 31, 40 StGB (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO).

Die dem Bezirksgericht Bad Ischl unterlaufene Gesetzesverletzung hat sich zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt (vgl Mayerhofer StPO4 § 292 E 60 b), weil - fallbezogen - die im zweiten Verfahren (allenfalls) zu verhängende Zusatzstrafe ersichtlich weniger als vierzig Tagessätze hätte betragen müssen; denn es hat bei der Strafbemessung zufolge Nichtbeachtung der §§ 31, 40 StGB den besonderen Erschwerungsgrund der "Vorverurteilung" zu Unrecht angenommen, der nur dann als erschwerend ins Gewicht fiele, wenn die Vor-Verurteilung auf der gleichen schädlichen Neigung beruht (§ 33 Z 2 StGB). Darüber hinaus hat es auch die weiteren Erschwerungsgründe verfehlt angeführt, und zwar die "leugnende Verantwortung", weil ein Beschuldigter zu wahrheitsgemäßer Verantwortung nicht verpflichtet ist (Foregger/Kodek StPO6 § 199 Erl. I) und sich durch Leugnen bloß eines Milderungsgrundes begibt; die "lange Dauer der Entlehnung" schließlich, weil der Betrug mit dem Eintritt des Vermögensschadens (hier: durch Herauslocken des Videorecorders und der Videokassetten am 6.Oktober 1990 unter Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit) vollendet war und ein Hinauszögern einer Schadensgutmachung ebenfalls bloß den Eintritt eines möglichen Milderungsgrundes hintanhält.

Demgegenüber könnte bei der Strafbemessung (nunmehr) das Zusammentreffen zweier verschiedener Vergehen (§ 31 StGB) als erschwerend berücksichtigt werden.

Der Vollständigkeit halber sei beigefügt, daß nach Lage des besonderen Falles (Zahlung der Geldstrafe am 2.November 1992) eine nachträgliche Milderung der Strafe gemäß § 410 StPO nicht in Betracht gekommen wäre (vgl Mayerhofer StPO4 § 410 E 6 a mwN).

Im bisher aufgezeigten Umfang war sonach der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.

Hingegen sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß über Leander S***** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16.Oktober 1990, GZ 41 E Vr 1715/90-6, eine Zusatzstrafe verhängt oder allenfalls von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen werde. Denn der Oberste Gerichtshof hätte bei einer sofortigen Straf- neubemessung - obschon unter Beachtung des Verschlechte- rungsverbotes - auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung abzu- stellen (Mayerhofer/Rieder StGB3 § 19 E 14, Foregger/Kodek StGB6 § 19 Erl V). Angesichts der seit der Urteilsfällung durch das Bezirksgericht Bad Ischl (9.Oktober 1991) verstrichenen Zeit von mehr als fünfeinhalb Jahren und im Hinblick darauf, daß der Aktenlage keine Anhaltspunkte für die aktuellen persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Leander S***** für die Bemessung der Höhe des Tagessatzes (§ 19 Abs 2 StGB) zu entnehmen sind, scheint es zweckmäßiger und prozeßökonomischer, daß das Bezirksgericht Bad Ischl die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen schafft und für den Fall der Verhängung einer Zusatzstrafe die Höhe des einzelnen Tagessatzes selbst berechnet.

Außerdem konnte eine Zustellung der Ladung des Verurteilten zum Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof nicht bewirkt werden, weshalb in seiner Abwesenheit zu verhandeln und zu entscheiden war (§ 292 zweiter Satz StPO). Damit wäre ihm aber auch das rechtliche Gehör zur Strafbemessung verwehrt gewesen, weshalb auch aus diesem Grund eine Entscheidung in der Sache selbst durch Strafneubemessung nicht eintreten konnte (SSt 60/75).

Im erneuterten Verfahren wird im Sinne des Verschlimmerungsverbotes (§ 293 Abs 3 StPO) zu beachten sein, daß die Tilgungsfrist mit dem Tag der Einzahlung der seinerzeitigen Geldstrafe (2.November 1992) zu laufen beginnt (§ 2 Abs 1 TilgG), und das Strafregisteramt ausdrücklich darauf hinzuweisen sein.

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