OGH 14Os101/96

OGH14Os101/961.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juli 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner, Dr.Holzweber und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Sturmayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mag.Michael L***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.November 1995, GZ 12 b Vr 3.882/94-164, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und eine neue Hauptverhandlung vor dem Erstgericht angeordnet.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag.Michael L***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien zwischen Juni 1989 und April 1991 in seiner Eigenschaft als Leiter der Abteilung Handel/Research/Sales der "Die Erste Österreichische Sparcasse-Bank" und ab 1.April 1990 als Geschäftsführer der "Die Erste Invest Consult GmbH" die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbraucht, indem er als Account Officer und Disponierungsberechtigter über die Wertpapierdepots und Wertpapierverrechnungskonten der Redstone Investments Inc. Vale Catering Corp. und Hansson & Partners (KapitalGmbH) in Kenntnis des Umstandes, daß die Ausnützung des diesen Gesellschaften eingeräumten Überziehungsrahmens jeweils durch den Belehnungswert der Wertpapiere eine Deckung finden muß, in Kenntnis der nichtvorhandenen Deckung Aufträge der Bevollmächtigten dieser Gesellschaften zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren durchgeführt bzw die Durchführung genehmigt, der Überweisung von Geldbeträgen auf Konten der genannten Gesellschaften bei anderen Banken zugestimmt bzw eine solche durch eine Sperre nicht verhindert sowie die Bevollmächtigten der Gesellschaften nicht aufgefordert hat, für eine Deckung zu sorgen, wodurch sich am Tage des Ausscheidens aus seiner Funktion (19.April 1991) Unterdeckungen der Wertpapierverrechnungskonten in der Höhe von 1,349.037,64 S (Redstone), 4,901.416,81 S (Vale) und 4,809.229,16 S (Hansson & Partners) ergaben und wodurch er der "Die Erste Österreichische Sparcasse-Bank" einen Vermögensnachteil in zumindest der Gesamthöhe dieser Beträge, nämlich 11,059.683,61 S zugefügt hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Vorweg ist aufgrund des insoweit unbestrittenen Urteilssachverhaltes festzuhalten, daß der Angeklagte, der sich in seiner Tätigkeit bei der Giro-Zentrale einen Ruf als Wertpapierhändler erworben hatte, am 1. Februar 1989 seinen Dienst bei der "Die Erste Österreichische Sparcasse-Bank" (kurz EÖSC) antrat und mit der Leitung der Abteilung Handel/Research/Sales betraut wurde, wozu auch die von ihm persönlich geleitete Untergruppe Wertpapierhandel zählte. Über sein Betreiben wurde das Wertpapiergeschäft aus der EÖSC ausgelagert und zu diesem Zweck am 1.April 1990 die "Erste Invest GmbH" (EIC) als 100 %ige Tochtergesellschaft der EÖSC gegründet, zu deren einem von zwei Geschäftsführern er bestellt wurde.

In der EIC wurden jene Tätigkeiten ausgeführt, die vor dem 1.April 1990 von der Abteilung Handel/Research/Sales durchzuführen waren. In die organisatorische Abwicklung dieser Geschäfte waren jedoch wie bisher die entsprechenden Abteilungen der EÖSC eingebunden.

Den verfahrensgegenständlichen Fakten liegen kreditfinanzierte Wertpapiergeschäfte zugrunde. Den drei involvierten Gesellschaften (Redstone, Vale und Hansson), sämtliche im Ausland domizilierte, vermögenslose Sitzgesellschaften, war ein Kreditrahmen von jeweils 10 Millionen S eingeräumt worden, womit der Ankauf von Wertpapieren finanziert wurde.

Die anfänglich hohen Gewinne zumindest der Redstone Investments Inc. und der Vale Catering Corp. wurden nicht zur Abdeckung der Kredite verwendet, sondern auf Verlangen deren Bevollmächtigten, des gesondert wegen Betruges verfolgten Wolfgang M***** freigegeben, sodaß sich letztlich ein Schuldenstand ergab, dessen Einbringung von der EÖSC nach dem Ausscheiden des Angeklagten erfolglos versucht wurde, während das Debet des Kreditkontos der ebenfalls vermögenslosen Hansson & Partners KapitalGmbH infolge eines erheblichen Kursverfalls der auf Depot liegenden Effekten durch deren Verwertung nicht ausgeglichen werden konnte.

In rechtlicher Hinsicht ist der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde folgendes vorauszuschicken:

Rechtliche Beurteilung

Täter der Untreue nach § 153 StGB kann nur sein, wem durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft die Befugnis eingeräumt wurde, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten. Charakteristisch für dieses Vermögensdelikt ist mithin die Befugnis als rechtliche Macht über fremdes Vermögen im Gegensatz zu einer bloß tatsächlichen Verfügungsmacht. Die Befugnis, einen anderen zu verpflichten, ist daher die Fähigkeit, Verpflichtungsgeschäfte mit Wirkung für einen anderen abzuschließen, und die Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, die Macht zum Abschluß von Verfügungsgeschäften. Untreue ist somit Mißbrauch rechtlicher Vertretungsmacht, weshalb die Tathandlung der Untreue nur eine Rechtshandlung sein kann. Ob die Erteilung der Vertretungsmacht ausdrücklich oder konkludent, durch Erklärung nach außen oder nur im Innenverhältnis erfolgt, ist nicht entscheidend (Kienapfel BT II3 § 153 RN 25). Wer keine Vollmacht hat, kann dementsprechend keine Vollmacht mißbrauchen und damit nicht Untreue begehen. Auch kann nicht Täter sein, wer nur aufgrund der Vorschriften über den Rechtsschein (zB §§ 367 ABGB, 366 HGB), insbesondere als Vertrauensmann, wirksam über fremdes Vermögen verfügen bzw einen anderen verpflichten kann (Kienapfel aaO RN 15).

Mit dieser Beschränkung auf eine bestimmte Vorgangsweise folgt das Gesetz der sog. Mißbrauchstheorie, wonach Untreue die Zufügung eines Vermögensnachteils durch Mißbrauch rechtlicher Verfügungsmacht ist. Geschützt ist das Vermögen des Machtgebers vor den Gefahren, die sich aus der Einräumung von Dispositionsbefugnissen (rechtlicher Art) an den Machthaber im Außenverhältnis ergeben (Leukauf/Steininger Komm3 § 153 RN 2). Anders dagegen die Treubruchstheorie, nach der das Unrecht der Untreue in der vermögensschädigenden Verletzung der rechtlichen oder tatsächlichen Pflicht zur Fürsorge für fremdes Vermögen liegt. Erfaßt werden die Risken, die aus der Gewährung von Dispositionsbefugnissen im Innenverhältnis resultieren (Leukauf/Steininger aaO RN 3), womit auf eine verhaltenstypische Umschreibung des Tatbestandes verzichtet wird (weshalb grundsätzlich jede beliebige Handlung tatsächlicher oder rechtlicher Art Tathandlung sein kann) und statt dessen unmittelbar die Verletzung einer besonderen, auch bloß tatsächlichen Pflicht, fremde Vermögensinteressen zu betreuen, mit Strafe bedroht wird (Fuchs Probleme XI 202).

Dem Verständnis der Untreue als Mißbrauchstatbestand liegt (zivilrechtlich) die Trennung zwischen Innen- und Außenverhältnis zugrunde: die Untreuehandlung ist im "Außenverhältnis" wirksam, wenn der Täter den Vertretenen zu binden vermochte. Sie erfolgt - trotz Befugnis im Außenverhältnis - mißbräuchlich, wenn sie den Pflichten aus dem "Innenverhältnis" zwischen Machthaber und Machtgeber widerspricht (Fuchs aaO).

Durch Unterlassen schließlich kann Untreue nur ausnahmsweise, nämlich dann begangen werden, wenn die Unterlassung einer Rechtshandlung - und nicht bloß einer tatsächlichen Verrichtung - einem Befugnismißbrauch durch aktives Tun gleichzuhalten ist (JBl 1983 545; Kienapfel aaO RN 48).

Davon ausgehend sind die Beschwerdeein- wendungen wie folgt zu beurteilen:

Schon der Verfahrensrüge (Z 4) kommt Berechtigung zu:

Mit ihr wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Ablehnung jener Beweisanträge, mit welchen er den Nachweis erbringen wollte, daß ihm die von der Anklage behaupteten (und in der Folge vom Schöffengericht nahezu wortgetreu als Feststellung übernommenen) Befugnisse und Verantwortlichkeiten gar nicht übertragen worden sind.

Die für den Schuldspruch relevante (rechtliche) Befugnis des Angeklagten, die den obgenannten Kriterien entspricht, war den Urteilsannahmen zufolge allein jene zum An- und Verkauf von Wertpapieren. Feststellungen darüber, wie diese Befugnis im einzelnen ausgestaltet war, sind dem Urteil nicht zu entnehmen, doch kann nach dem Sinnzusammenhang in Verbindung mit der insoweit klaren Aktenlage darunter nur verstanden werden, daß der Angeklagte ermächtigt war, die EÖSC im Wertpapierhandel nach außen hin zu vertreten, wobei diese Vertretungsbefugnis vor dem 1.April 1990 aus dem Dienstvertrag, danach aber (auch) aus seiner Stellung als Geschäftsführer der EIC, deren sich die EÖSC zur Durchführung des Wertpapierhandels bediente, abzuleiten ist.

Die Position der Bank beim Effektengeschäft richtet sich grundsätzlich nach der mit dem Kunden getroffenen Vereinbarung. Zwar fehlen auch diesbezüglich konkrete Konstatierungen, doch ist jedenfalls davon auszugehen, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen (AGB) über die Anschaffung, Veräußerung, Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere zu gelten haben. Darnach erfolgt der Kauf und Verkauf von Wertpapieren für Kunden, sofern die Bank das Effektengeschäft nicht im Rahmen eines Eigenhändlergeschäftes abschließt (AGB P 43), in der Regel durch Selbsteintritt der Kreditunternehmung, hier also der durch die EIC vertretenen EÖSC, als Kommissionärin (AGB P 38 Abs 1). Sie hat daher die Wertpapiere im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Kunden zu kaufen oder zu verkaufen (§ 383 HGB) und wird insoweit als mittelbarer Stellvertreter des Kunden tätig.

Weitere Befugnisse des Angeklagten iSd § 153 StGB wurden explizit nicht festgestellt. Insbesondere wurde keine Feststellung dahin getroffen, daß ihm die Ermächtigung zur Kreditgewährung an Kunden eingeräumt worden (US 21) oder daß er zur Anweisung von Auszahlungen oder zu Überweisungen an Kunden befugt gewesen wäre. Sämtliche Konstatierungen zu diesem Themenkreis (US 10 bis 17) betreffen ausschließlich Pflichtwidrigkeiten, deren sich der Angeklagte nach Überzeugung des Schöffen- gerichtes schuldig gemacht hatte, nicht aber das Recht, für die EÖSC Darlehensverträge mit Kunden abzuschließen oder bindende Zahlungsanweisungen zu erteilen.

Die dem Beschwerdeführer angelastete Untreue zum Nachteil der EÖSC konnte daher bei rechtsrichtiger Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes von vornherein nur durch den Mißbrauch seiner Befugnis, Wertpapierhandel zu betreiben, begangen werden, und zwar fallbezogen nur dadurch, daß er Kauforder für Kunden ausführte, ohne dazu im Innenverhältnis berechtigt gewesen zu sein.

Von entscheidungswesentlicher Bedeutung ist demnach ungeachtet dessen, ob, worauf noch einzugehen sein wird, durch den angelasteten Befugnismißbrauch überhaupt ein Vermögensschaden für die EÖSC herbeigeführt werden konnte, zunächst, ob dem Angeklagten in den verfahrensgegenständlichen Fällen die Durchführung von Kaufordern bei unzureichender Deckung des Kreditkontos untersagt war.

Aus den AGB über den Wertpapierhandel ergibt sich ein solches generelles Verbot nicht. Zwar werden Einkäufe grundsätzlich nur mit Mitteln des Kunden getätigt, wobei Beträge, über die der Kunde aufgrund einer Kreditgewährung verfügt, wirtschaftlich als seine Eigenmittel anzusehen sind. Dem Kunden gegenüber besteht jedoch keine Verpflichtung der Bank, zu prüfen, ob für einen erteilten Auftrag Deckung am Konto bzw Depot vorhanden ist (AGB P 40 Abs 3). Sie darf aber die Durchführung des Auftrages, wenn auch nur unter Einhaltung bestimmter Verständigungspflichten, ganz oder teilweise unterlassen oder stornieren, wenn das Guthaben des Kunden nicht ausreicht (AGB P 40 Abs 4). Gerade diese Möglichkeit zeigt, daß nach den AGB die Durchführung eines Kaufauftrages vom Vorhandensein einer Deckung grundsätzlich nicht abhängt.

Nun hat allerdings das Schöffengericht sinngemäß die Feststellung getroffen, daß dem Beschwerdeführer die volle Verantwortung für das gesamte von ihm geführte Wertpapiergeschäft oblag. In jenen Fällen, in denen er als sogenannter account officer ausgewiesen war, hatte er demzufolge auch vor Durchführung eines Kaufauftrages zu prüfen, ob eine entsprechende Sicherstellung (durch im Depot erliegende Wertpapiere) vorhanden war und hätte bei ihm bekanntgewordener Unterdeckung des Wertpapierverrechnungskontos weitere Order "hintanhalten" müssen, vorliegend in bezug auf die beiden genannten Gesellschaften also - mit den für die Hansson & Partners KapitalGmbH unter Ausnützung der gesamten Kreditlinie angeschafften Wertpapieren wurde, abgesehen von "wenigen Verkäufen", die im Urteil nicht näher erörtert werden und daher offensichtlich zu vernachlässigen sind, kein Handel betrieben - nicht ausführen dürfen (US 10, 17, 22). Diese Verpflichtung, die weder in den AGB noch sonst im Gesetz vorgesehen ist, hatte der Beschwerdeführer den Urteils- annahmen zufolge mit der "Übernahme seiner Funktion, welcher sie immanent sind, auf sich genommen" (US 21). Soweit das Erstgericht dabei davon ausgegangen ist, daß diese Sorgfaltspflicht dem Beschwerdeführer durch eine am 16. Juni 1989 zwischen den Abteilungen BW (Bereich Wertpapier, für welchen der Angeklagte verantwortlich war) und BI (Bereich internationale Geschäfte als der für die Krediteinräumung zuständigen Organisationseinheit) getroffene Vereinbarung übertragen wurde, ist diese Feststellung mit dem relevierten Verfahrensmangel behaftet.

Nach dem Inhalt eines darüber errichteten Gesprächsprotokolls (Beilage zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 119/V) nahmen an dieser Unterredung Mag.K***** für den Bereich BW und für den Bereich BI die Mitarbeiter Z*****, H*****, M***** und S***** teil. Daß bei dieser Besprechung die Verantwortung für die Gestionierung der Kundenkreditkonten dem Bereich BW (und damit dem Beschwerdeführer) dergestalt übertragen wurde, daß Kauforder nur mehr nach vorheriger, vom Bereich BW vorzunehmender Deckungskontrolle ausgeführt werden durften, ist diesem Protokoll unmittelbar nicht zu entnehmen, läßt sich aber noch aus den vom Schöffengericht herangezogenen (US 20) Aussagen der Zeugen Mag.O***** (213/III, 200, 225, 231, 254, 269, 317, 321 und 428/V), Dkfm.H***** (399/V, 251, 253 und 263/V), Dr.K***** (437, 444/VI) und Rene B***** (276/VII) erschließen, wobei laut Abgabenachricht lediglich letzterer das Gesprächsprotokoll selbst (neben Dr.B***** und Frau F*****) zur Kenntnis gebracht worden war.

Damit erachteten die Tatrichter die dagegenstehende Einlassung des Beschwerdeführers, die sie ingesamt als unglaubwürdig verwarfen (US 19), als widerlegt (US 20).

Insoweit dabei jedoch der Antrag der Verteidigung auf Einvernahme des Zeugen Mag.K*****, der insbesondere zum Beweis dafür geführt wurde, daß in der Besprechung vom 16.Juni 1989 keine (zusätzliche) Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers begründet wurde und Mag.K***** kein Pouvoir des Angeklagten hatte, in dessen Namen oder im Namen der OE 843 bzw der EIC Verantwortlichkeiten für die Einräumung von Krediten, die Kontrolle von Limiten bzw Überziehungen bzw die Kontrolle von Überweisungen zu übernehmen (291/VII), mit der Begründung abgewiesen wurde, daß die Einvernahme (auch) dieses Zeugen, "von vornherein nicht geeignet sei, die durch die übrigen Beweismittel vermittelte Sach- und Rechtslage in irgendeiner Weise zu verändern und das Gericht zu neuen Erkenntnissen zu führen" (US 25), wurde, wie der Beschwerde zuzugeben ist, der reklamierte Verfahrensmangel verwirklicht.

Der Auffassung des Schöffensenates zuwider betrifft der der Ablehnung verfallene Beweisantrag - wie aus dem Vorgesagten erhellt - für den Schuldspruch entscheidende Tatsachen, wobei nicht auszuschließen ist, daß die Einvernahme dieses Zeugen, der im Gegensatz zu jenen Zeugen, auf die das Erstgericht die in Rede stehende Feststellung stützte, an der Besprechung vom 16.Juni 1989 persönlich teilgenommen hatte, eine für den Beschwer- deführer günstigere Beurteilung der Sachlage ermöglichen könnte.

Die Aussage des Mag.K***** verliert aber auch nicht dadurch an Bedeutung, daß das Erstgericht die (allein maßgebliche) Verpflichtung des Angeklagten, bei ihm bekannt gewordener Unterdeckung der Wertpapierkonten die Durchführung weiterer Order hintanzuhalten, an seine Funktion als "account officer und Disponierungsberechtigter" knüpft (US 17). Denn abgesehen davon, daß diese Funktionsbezeichnung erstmals durch das in der Unterredung vom 16.Juni 1989 besprochene, in der Folge mehrfach abgeänderte Formular eingeführt wurde und damit von eben jenem Beweisthema erfaßt ist, zu welchem Mag.K***** als Zeuge beantragt wurde, mangelt es der Annahme des dem account officer und Disponierungsberechtigten zugeordneten Pflichtenkreises, wie der Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge (Z 5) zutreffend aufzeigt, an einer hinreichenden Begründung. Es trifft nämlich nicht zu, daß "die übrigen Zeugen" diesen Funktionen den vom Erstgericht angenommenen Inhalt unterstellt haben (US 24), vielmehr sind die Angaben der hiezu vernommenen Zeugen über die Definition dieser Begriffe und die damit verbundenen Aufgaben derart widersprüchlich, daß das Schöffengericht zu einer eingehenden Erörterung der divergierenden Aussagen verhalten gewesen wäre und sich nicht mit dem bloßen, unsubstantiellen Hinweis als Begründung hätte begnügen dürfen, daß die diesbezügliche, den Urteilskonstatierungen entgegenstehende Verantwortung des Angeklagten "absurd und unglaubwürdig" sei, weil er den in Rede stehenden Begriffen "nicht jenen Inhalt unterstellt habe, welchen die übrigen Zeugen diesem Begriff unterstellen" (US 24).

Daraus ergibt sich aber nicht nur der geltend gemachte Begründungsmangel, sondern auch, daß die gerügte Ablehnung des Antrages auf Einvernahme des Zeugen Mag.K***** Verteidigungsrechte des Angeklagten in einer den relevierten Verfahrensmangel begründenden Weise beeinträchtigt hat, wodurch die Aufhebung des Urteiles und die Anordnung der Verfahrenserneuerung erforderlich wird.

Die Kassierung des Urteils ist jedoch auch aus einem anderen Grunde unumgänglich. Liegt, wie dargelegt, der Befugnismißbrauch in der Durchführung von Wertpapiergeschäften trotz unzureichender Kontendeckung, dann mußte der Angeklagte in jedem ihm angelasteten Einzelfall um diese Unterdeckung wissen, weil der Tatbestand der Untreue nur bei wissentlichem Befugnismißbrauch verwirklicht ist. Daß der Beschwerdeführer um das Bestehen seiner Kontrollpflicht wußte und diese vernachlässigte oder sogar gänzlich mißachtete, reicht dafür nicht aus; er mußte auch von der tatsächlich gegebenen Unterdeckung Kenntnis haben.

Die Feststellung, daß dem Angeklagten die jeweilige Unterdeckung bekannt gewesen war (US 13, 17), entbehrt jedoch, wie der Beschwerde zuzugeben ist, jeglicher Begründung, sie wird vielmehr durch die an anderer Stelle - insoweit im Einklang mit der Verantwortung des Beschwerdeführers, der sich danach um die Konten nie gekümmert hatte - getroffene Konstatierung, wonach er seiner Verpflichtung, die jeweils aktuelle Deckung (der aushaftenden Kredite) durch Wertpapiere zu überprüfen, wissentlich nicht nachgekommen sei (US 22), geradezu konterkariert.

Damit blieb die auf der subjektiven Tatseite erforderliche Komponente der Wissentlichkeit des Befugnismißbrauches unbegründet.

In Ansehung des Faktums Hansson kommt weiters hinzu, daß mit dem Antrag auf Vernehmung des Zeugen Michael K***** das Beweisthema verbunden wurde, daß die Betreuung der genannten Gesellschaft nicht vom Angeklagten durchgeführt wurde (S 292/VII iVm ON 147). Von dieser Betreuerfunktion ging aber das Schöffengericht aus, sodaß die Ablehnung des Beweisantrages den geltend gemachten Verfahrensmangel (Z 4) begründet, und es somit keiner Erörterung mehr bedarf, ob die dem Beschwerdeführer zu diesem Faktum allein angelastete Unterlassung der Aufforderung zur Leistung eines Einschusses oder zur Abdeckung des Sollsaldos überhaupt den Schuldspruch wegen Untreue zu rechtfertigen vermag.

Aus Anlaß der bereits aus den aufgezeigten Gründen notwendigen Urteilsaufhebung sei - ohne daß damit auf die übrigen Beschwerdeausführungen eingegangen werden soll - noch folgendes bemerkt:

Entscheidungswesentliche Bedeutung kommt dem zwischen den Kunden und der EÖSC vereinbarten Vertragsverhältnis zu. Die daraus erfließenden wechselseitigen Rechte und Pflichten wirken sich nicht nur auf den Umfang der vom Angeklagten zu beachtenden Sorgfaltspflichten, sondern auch auf die Frage der Herbeiführung eines Vermögensschadens und des darauf gerichteten Vorsatzes aus. Das angefochtene Urteil läßt Feststellungen zur Kreditgewährung nahezu zur Gänze vermissen. Es fehlen jegliche Konstatierungen über Laufzeit, Verzinsung, Rückzahlungsmodalitäten und Besicherung der Finanzierungskredite sowie über die Depotverwahrung.

So läßt sich etwa der bloßen Feststellung, den verfahrensaktuellen Gesellschaften sei ein Kreditrahmen von je zehn Millionen Schilling eingeräumt worden, nicht entnehmen, ob es sich hiebei um einen Einmalkredit oder um einen revolvierenden Kredit handelt, dh ob der Kredit insgesamt nur einmal oder - nach gänzlicher oder teilweiser Tilgung - wiederholt ausgenutzt werden kann. Letzterer bedarf einer besonderen Vereinbarung, die auch dann gegeben ist, wenn eine Kontokorrentabrede ausbedungen ist (Koziol in Avancini-Iro-Koziol, Bankverträge I 1/79). In diesem Fall hat der Kreditnehmer das Recht, jederzeit Rückzahlungen vorzunehmen. Eingänge auf dem Kreditkonto sind daher laufend mit dem Kredit zu verrechnen und mindern das Debet. Dem Kunden werden aber Verfügungen über sein debito- risches Konto bis zur Kreditlinie gestattet (Koziol aaO 1/89 f). Doch auch beim Einmalkredit sollen im Zweifel die Eingänge auf dem Kreditkonto nicht der Tilgung des Kredits dienen, weshalb auch hier der Kunde über diese frei verfügen kann (Koziol aaO 1/79). Unter diesen Voraussetzungen wären vorliegend die an die Gesellschaften Redstone und Vale auf Verlangen M*****s erfolgten Überweisungen nicht zu beanstanden, weshalb auch eine Beteiligung des Beschwerdeführers an einer allfälligen Untreue des für die Überweisungsanordnung Verantwortlichen schon mangels eines objektiven Befugnismißbrauches nicht in Betracht käme.

Andererseits wäre im Hinblick auf den mit der Kreditgewährung verfolgten Zweck denkbar, daß ein Lombardkredit vereinbart wurde, der im Faktum Hansson sogar ausdrücklich beantragt worden war (US 15). Der Lombardkredit, der durch Verpfändung oder Sicherungsübereignung bzw Sicherungszession beweglicher Sachen oder Rechte gesichert ist, ist in der Praxis ein kurzfristiger Kredit, der, anders als der Kontokorrentkredit, regelmäßig nicht ständig prolongiert und gegen leicht realisierbare Faustpfänder eingeräumt wird. Dient er zur Finanzierung von Börsengeschäften (Effektenlombard), dann kauft der Kunde von oder vermittels der Bank Wertpapiere (in der Regel nur zum Teil gegen bar, im übrigen) gegen Kredit der Bank. Diese verrechnet dafür die üblichen Zinsen und nimmt die gekauften Papiere zum Pfand. Das Interesse des Kunden, der zum Beispiel auf Hausse spekuliert, liegt in der Erzielung eines entsprechenden Gewinns durch Verkauf der Effekten nach Eintritt der erwarteten Wertsteigerung (Klaus J. Hopt - Peter O.Müller, Bankkreditrecht III RN 305, 309).

Angesichts der besonderen Art der Besicherung, der ihn als Realkredit im Gegensatz zum Personalkredit ausweist, tritt beim Lombardkredit die persönliche Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers in den Hintergrund, wenngleich sie nicht außer Betracht bleiben darf, da der Kreditnehmer für Ausfälle aufzukommen und bei Wertminderung Einschüsse zu leisten hat. Diesen Möglichkeiten wird in der Regel dadurch Rechnung getragen, daß nur ein gewisser Prozentsatz als Darlehen gewährt wird, sodaß selbst ein Verkauf nach Preisrückgängen (durch den Kunden oder die Bank als Pfandgläubigerin) noch einen Erlös erwarten läßt, der zur Deckung des Vorschusses ausreicht. Für den Effektenlombard sind die besonderen Bestimmungen des Depotgesetzes, für den Kauf und Verkauf von Wertpapieren die AGB der österreichischen Kreditunternehmungen und die Börseusancen zu beachten.

Für das Vorliegen eines Lombardkredites könnte sprechen, daß der beantragte "Überziehungsrahmen" von zehn Millionen Schilling mit der Einschränkung genehmigt wurde, daß "Deckung auf Depot" vorhanden sein müsse (US 12), für die Gewährung eines Kontokorrentkredites dagegen, daß ein "Überziehungsrahmen" im Falle Redstone zunächst bis zum 4. August 1990 gewährt, diese Frist jedoch am 17.August 1990 trotz bereits erfolgter Wertpapieran- und verkäufe - und Auszahlung der dabei erzielten Erlöse - bis zum 17.August 1991 verlängert wurde (US 12). Stand aber dem Kunden ein Kreditrahmen bis zu zehn Millionen Schilling zur Verfügung, dann ist die Einschränkung "Deckung auf Depot" zumindest undeutlich, weil daraus unter anderem nicht hervorgeht, ob die durch Verkäufe erzielten Erlöse zur Abstattung des Kredits verwendet werden sollten oder aber an den Kunden über sein Verlangen auszubezahlen waren.

Damit kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Finanzierung der vom Beschwerdeführer für die zur Diskussion stehenden Wertpapiergeschäfte nicht ohnedies im Rahmen der mit jeweils zehn Millionen Schilling limitierten Kreditzusage bewegte.

Weil ferner nach Lage des Falles insbesondere wegen der Zahlungsunfähigkeit (oder -willigkeit) der Kunden ein Vermögensschaden der EÖSC - von einer Wertminderung der am Depot erliegenden Effekten, sofern diese als Sicherheit zur Verfügung standen, abgesehen - letztlich nur durch die Überweisung des Verkaufsrealisats herbeigeführt wurde, ist es unbedingt erforderlich, sich mit der Frage der Kreditvereinbarung und den dabei - etwa durch Einbeziehung der AGB - festgelegten Modalitäten einläßlich auseinanderzusetzen.

Weiters darf nicht unbeachtet bleiben, welche Pflichten die EÖSC gegenüber den Kunden durch den Abschluß der Vereinbarung zur Durchführung von Wertpapiergeschäften übernommen hat, können daraus doch Schlüsse auf den Umfang der vom Beschwerdeführer im Interesse der Bank zu beachtenden Sorgfaltspflichten gezogen werden. Gelten nämlich die Bestimmungen der AGB und des Depotgesetzes, dann könnte die EÖSC nicht nur berechtigt, sondern unter Umständen sogar verpflichtet gewesen sein, Kauf- oder Verkaufsorder auch ohne Deckung durch Wertpapiere durchzuführen. Dies stünde wiederum im Gegensatz zur Feststellung, daß es dem Angeklagten im Innenverhältnis untersagt war, bei bekanntgewordener Unterdeckung solche Order auszuführen. Zumindest aber wird der Eintritt eines Vermögensschadens durch den Kauf von Wertpapieren dann nicht herbeigeführt, wenn der Wert der Effekten ein entsprechendes Äquivalent für den kreditierten Kaufpreis darstellt. Aber auch beim Verkauf entspricht der erzielte Erlös in der Regel dem aktuellen Wert der Papiere. Der Eintritt eines Vermögensschadens ist daher beim kreditfinanzierten Kauf von Wertpapieren, sofern diese dem Zugriff der Bank unterlagen, nur (und zwar selbst dann nicht unmittelbar, sondern erst in weiterer Folge) möglich, wenn sie in ihrem Wert sinken, beim Effektenverkauf hingegen, wenn das Verkaufsrealisat nicht der Kredittilgung zugeführt oder eine Verkaufsorder durchgeführt wird, ohne daß der Kunde die zu verkaufenden Papiere zur Verfügung stellt, und die Bank, um ihren Verpflichtungen aus dem Verkauf nachkommen zu können, einen Deckungskauf abschließen muß.

Daraus wird deutlich, daß durch jene Rechtshandlungen, zu denen der Angeklagte befugt war, ein unmittelbarer Vermögensschaden der Bank durch den Kauf von Wertpapieren überhaupt nicht entstehen konnte, sondern allenfalls für den Kunden, dann nämlich, wenn der tatsächliche Wert der Papiere dem bezahlten Preis nicht entspricht, wobei allerdings aufgrund des spekulativen Charakters von Wertpapiergeschäften gerade darin das Motiv für den Kaufauftrag gelegen sein kann; durch den Verkauf aber nur dann, wenn die Bank mangels vorhandener Depotdeckung zu einem Gegengeschäft gezwungen ist.

Ein Vermögensschaden der Bank kann demnach beim kreditfinanzierten Kauf nur dann eintreten, wenn der Kredit entweder nicht zurückgezahlt wird und die (sofern vereinbart) zur Besicherung dienenden Wertpapiere dem Kunden übereignet werden oder in ihrem Wert sinken, beim Verkauf aber auch dann, wenn das Verkaufsrealisat nicht zur Tilgung des Kredites verwendet und dieser auch sonst nicht abgedeckt wird.

Daß eine Besicherung der Kredite durch die erworbenen Wertpapiere überhaupt vereinbart war, bedarf somit ausdrücklicher Feststellung und Begründung. Daß der Angeklagte Effekten, die für die Besicherung bestimmt waren, ins Eigentum der Kunden übertrug, wurde nicht konstatiert. Daß er rechtlich für die Überweisungen von Verkaufserlösen an die Kunden verantwortlich war oder solche auch nur tatsächlich verfügte, wurde sogar ausgeschlossen. Daß er schließlich Verkaufsorder von Kunden durchgeführt hätte, ohne daß diese über die entsprechenden Wertpapiere (auf Depot) verfügten, ergibt sich weder aus den Feststellungen noch sonst aus den Akten.

Im erneuerten Verfahren wird auf die hier aufgeworfenen Fragen besondere Rücksicht zu nehmen sein, aber auch darauf, inwieweit sich die dem Angeklagten nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils überbundene Kontrollpflicht mit einer reibungslosen Durchführung des Wertpapierhandels angesichts des enormen Aufschwunges, den dieser Geschäftszweig erfahren hatte und etwa des Umstandes, daß telephonische Aufträge grundsätzlich nur für einen Tag lang Gültigkeit haben (AGB P 40 Abs 1) und bei Nichtdurchführung Schadenersatzansprüche gegenüber der Bank ausgelöst werden können, überhaupt organisatorisch vereinbar ist.

Aus den angeführten Gründen war der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben (§ 285 e StPO), womit die Berufung des Angeklagten gegenstandslos ist.

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