OGH 2Ob113/97z

OGH2Ob113/97z26.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna P*****, vertreten durch Dr.Clemens Schnelzer und Mag.Johann Juster, Rechtsanwälte in Zwettl, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs AG, *****vertreten durch Dr.Christoph Lassmann-Wichtl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zahlung von S 162.000 sA, einer Rente und Feststellung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4.September 1996, GZ 16 R 175/96v-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 7.Mai 1996, GZ 4 Cg 81/94w-38, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 30. Juni 1991, an dem Franz P***** als Lenker des Mofas der Marke KTM Pony II mit dem Kennzeichen N *****, das bei der beklagten Partei haftpflichtversichert war, und Gerhard K***** als Lenker des PKW Golf mit dem Kennzeichen ***** beteiligt waren, beschränkt bis zur Haftungssumme aufgrund des bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.368,88 bestimmten Kosten der Revision (darin enthalten Umsatzsteuer von S 676,48 und Barauslagen von S 3.310) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 30.6.1991 bei einem von einem Versicherungsnehmer der beklagten Partei verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Mit Schreiben vom 22.9.1992 begehrte sie von der beklagten Partei die Zahlung von S 1,000.000 an Schmerzengeld, darüber hinaus müßte die Haftung für zukünftige Schäden gerichtlich festgestellt werden.

Im Anwortschreiben vom 15.10.1992 teilte die beklagte Partei mit, daß sie die Schadenersatzansprüche der Klägerin dem Grunde nach anerkenne; darüber hinaus wurde ausdrücklich erklärt, die Haftung auch für zukünftige Ansprüche im Rahmen der Versicherungssumme anzuerkennen und im Sinne eines gerichtlich erzielbaren feststellenden Urteiles auf den Verjährungseinwand zu verzichten. Die Einbringung einer Feststellungsklage sei somit nicht erforderlich. Zur Schmerzengeldforderung wurde ausgeführt, daß diese überhöht erscheine, daß sie (beklagte Partei) aber bereit sei, eine Akontozahlung von S 250.000 zu leisten.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von S 60.000 an Schmerzengeld, von S 102.000 an Kosten für eine Haushaltshilfe und die Zahlung einer Rente von S 3.000 pro Monat sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle weiteren Schäden aus dem Unfall vom 30.6.1991.

Die beklagte Partei bestritt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens das rechtliche Interesse der Klägerin, weil sie bereits außergerichtlich die Haftung für künftige Schäden anerkannt und überdies auch auf den Einwand der Verjährung verzichtet habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt wobei es - soweit für das Revisionsverfahren relevant - über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch feststellte, daß die beklagte Partei der Klägerin im Schreiben vom 1.2.1993 mitteilte, daß durch die Zahlung von S 250.000 alle Ansprüche der Klägerin aus dem Titel "Schmerzengeld" abgegolten seien. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen seien deshalb weitere Leistungen nicht möglich.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht das Feststellungsinteresse der Klägerin, weil das Schreiben, daß weitere Leistungen nicht möglich seien, als Widerruf des Anerkenntnisses aufgefaßt werden könne und daher das Feststellungsinteresse zu bejahen sei.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden, das Leistungsbegehren auf Zahlung von S 60.000 wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach insoweit aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im übrigen (hinsichtlich des Zuspruches von S 102.000 sA und einer monatlichen Rente von S 3.000) wurde die angefochtene Entscheidung aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Gegen die Bestätigung des Feststellungsurteiles richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Feststellungsbegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, der Revision der beklagten Partei keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, sie ist auch berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, es fehle der Klägerin am rechtlichen Interesse an der von ihr begehrten Feststellung, weil mit Schreiben vom 15.10.1992 ein einem Feststellungsurteil gleichzusetzendes konstitutives Anerkenntnis erfolgt sei.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend:

Ein konstitutives Anerkenntnis schafft unabhängig von dem bestehenden, in der Vergangenheit liegenden Rechtsgrund eine neue selbständige Verpflichtung. Es kommt dadurch zustande, daß der Gläubiger aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes ernstlich das Bestehen einer Forderung behauptet und der Schuldner Zweifel an deren Bestehen durch sein Anerkenntnis beseitigt. Maßgeblich sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitigen Interessenlagen und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses (ZVR 1995/134; ZVR 1993/10 jeweils mwN). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Erklärung der beklagten Partei vom 15.10.1992 ganz eindeutig, daß die beklagte Partei dabei den Zweck verfolgte, aufgrund eben dieser Erklärung zu haften. Die beklagte Partei hat erklärt, daß sie die Schadenersatzansprüche dem Grunde nach anerkenne, daß sie auch die Haftung für zukünftige Ansprüche anerkenne und im Sinne eines gerichtlich feststellenden Urteils auf den Verjährungseinwand verzichte. Diese Erklärung (die im wesentlichen jener entspricht, wie sie im Fall in der Entscheidung ZVR 1993/10 abgegeben wurde) läßt keinen Zweifel daran, daß dadurch der Zweck verfolgt wurde, aufgrund eben dieser Erklärung zu haften und dieses Anerkenntnis daher als konstitutives anzusehen ist. Da ein konstitutives Anerkenntnis des Schädigers aber dem Geschädigten alles bietet, was auch ein Feststellungsurteil bieten könnte, fehlt einem Feststellungsbegehren des Geschädigten das erforderliche rechtliche Interesse (2 Ob 2017/96y; ZVR 1993/10). Wollte die beklagte Partei einem in Zukunft geltend gemachten Anspruch der Klägerin die Einrede der Verjährung entgegenhalten, verstieße dies mit Rücksicht auf die Erklärung vom 15.10.1992 auch gegen Treue und Glauben (ZVR 1993/10).

Die beklagte Partei hat dieses Anerkenntnis auch nicht am 1.2.1993 widerrufen, sie hat in diesem Schreiben lediglich weitere Zahlungen aus dem Titel "Schmerzengeld" abgelehnt. Im übrigen könnte ein echtes (konstitutives) Anerkenntnis, das ja ein Rechtsgeschäft ist (Ertl in Rummel**2 Rz 7 zu § 1380), auch nicht einseitig widerrufen werden.

Es war daher der Revision der beklagten Partei stattzugeben und das Feststellungsbegehren abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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