OGH 9Ob188/97f

OGH9Ob188/97f25.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Spenling und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.F***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Herbert Linser, Rechtsanwalt in Imst, wider die beklagte Partei Franz S*****, Inhaber der Tischlerei S*****, vertreten durch Dr.Anton Dierigl, Rechtsanwalt in Rum, wegen S 1,200.000,- sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 11. April 1997, GZ 1 R 60/97a-12, womit der Rekurs des Beklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.Dezember 1996, GZ 17 Cg 235/96t-5, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der im Umfang der Zurückweisung des Rekurses, soweit sich dieser gegen die Abweisung des Antrages auf neuerliche Zustellung der Klage und des Auftrags zur schriftlichen Klagebeantwortung richtet, bestätigt wird, wird im übrigen aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht verfügte die Zustellung der am 17.Oktober 1996 eingebrachten Klage und des Auftrages zur schriftlichen Klagebeantwortung an der im Klageschriftsatz angegebenen Adresse des Beklagten "K***** Nr 35, ***** I*****". Nach einem an dieser Adresse am 23.10.1996 erfolglos durchgeführten Zustellversuch erfolgte am 24.10.1996 ein zweiter Zustellversuch, der ebenfalls erfolglos verlief, worauf die Verständigung über die Hinterlegung an der Abgabestelle zurückgelassen und das Poststück beim Zustellpostamt ***** I*****, mit Beginn der Abholfrist vom 24.10.1996, hinterlegt wurde. Zur Zeit der Zustellverfügung sowie der Zustellversuche war nicht bekannt, daß der Beklagte bereits seit 20.9.1996 an der in der Klage angegebenen Adresse keine Abgabestelle mehr hatte, sondern seinen Wohnsitz in die Bundesstraße 142 in K***** verlegt hatte. Nach ungenützt verstrichener Klagebeantwortungsfrist beantragte die Klägerin die Fällung eines Versäumungsurteils. Das Erstgericht erließ dieses und verfügte die Zustellung des Versäumungsurteils an den Beklagten an der Adresse "Hauptstraße 35, ***** K*****". Dieses konnte dem Beklagten am 6.12.1996 zugestellt werden. Am 10.12.1996 stellte der Beklagte den Antrag, ihm die Klage samt dem Auftrag zur Klagebeantwortung an der richtigen Adresse "Bundesstraße 142, ***** K*****" nochmals zuzustellen, weiters, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erstattung der Klagebeantwortung zu bewilligen, wobei bei einer neu einzuräumenden Frist das Klagevorbringen bestritten und Klageabweisung beantragt werde. In eventu erhob der Beklagte Widerspruch gegen das Versäumungsurteil vom 4.12.1996.

Das Erstgericht wies die Anträge auf neuerliche Zustellung der Klage sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Eine neuerliche Zustellung der Klage sei, nachdem die Klage einmal zugestellt worden, ein Versäumungsurteil erlassen und dem Beklagten tatsächlich zugekommen sei, nicht mehr zulässig. Dem Wiedereinsetzungsantrag könne nicht stattgegeben werden, da die Voraussetzung, daß der Beklagte durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert gewesen sei, nicht vorliege. Hingegen werde der Widerspruch einer Behandlung zugeführt werden.

Den dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten wies das Rekursgericht zurück. Richtig sei wohl, daß eine wirksame Zustellung der Klage und des Auftrages zur Klagebeantwortung nicht erfolgt sei, weil die Zustelladresse keine Abgabestelle des Beklagten gewesen sei. Dennoch könne sich der Beklagte durch die Abweisung seiner Anträge auf neuerliche Klagezustellung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht für beschwert erachten. Inzwischen sei nämlich die Frist für die Einbringung einer Berufung gegen das Versäumungsurteil abgelaufen. Eine neuerliche Zustellung der Klage oder eine dem Wiedereinsetzungsantrag stattgebende Entscheidung würden wohl dazu führen, daß der Beklagte rechtzeitig eine Klagebeantwortung einbringen könnte, doch hätte dies zur Folge, daß der lediglich in eventu erhobene Widerspruch nicht wirksam werden könnte, sodaß das Versäumungsurteil zugleich mit der Bewilligung der primär gestellten Anträge in Rechtskraft erwachsen würde, womit allfällig vorangegangene Zustellmängel geheilt seien. Einzig der Widerspruch könne eine Rechtskraft des Versäumungsurteils verhindern. Es fehle dem Beklagten daher an einer materiellen Beschwer, was einer Zulässigkeit seines Rechtsmittels entgegenstehe.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei, da seine Entscheidung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspreche.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß den Anträgen auf neuerliche Zustellung der Klage und des Auftrags zur Klagebeantwortung sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 150 Abs 1 ZPO nicht im Einklang steht; er ist auch teilweise berechtigt.

Die Ansicht des Rekursgerichtes, eine dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagebeantwortungsfrist stattgebende Entscheidung könne die durch ungenützten Ablauf der Berufungsfrist eintretende Rechtskraft des Versäumungs- urteils nicht hindern, trifft nicht zu. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung hat nämlich die Aufhebung der infolge der Versäumung ergangenen, das Verfahren beendenden Entscheidungen zur Folge (RIS-Justiz RS 0036707); ein Versäumungsurteil ist selbst dann aufzuheben, wenn es inzwischen bereits in Rechtskraft erwachsen ist (Fasching Lehrbuch2 Rz 582; zur Kumulierung auch Rechberger/Simotta, Grundriß4 Rz 511 ff).

In diesem Umfang war daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und wird das Rekursgericht den Rekurs einer Sachprüfung zu unterziehen haben.

Zutreffend hat das Rekursgericht jedoch darauf hingewiesen, daß eine neuerliche Zustellung der Klage und des Auftrages zur Klagebeantwortung das erlassene Versäumungsurteil und dessen Wirkungen nicht beseitigen könnte. Einer Aufhebung des Versäumungsurteils durch das Erstgericht als nichtig steht die Bindungswirkung des § 416 Abs 2 ZPO entgegen. Folgerichtig führt daher die Abweisung dieses Antrages durch das Erstgericht zu keiner weitergehenden als der durch das Versäumungsurteil selbst hervorgerufenen Beschwer.

Soweit dem Rekurs nicht Folge gegeben wurde, beruht die Kostenentscheidung auf §§ 40, 50 ZPO, ansonsten auf § 154 ZPO.

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