OGH 15Os8/97

OGH15Os8/9712.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Sturmayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz Josef S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 26.November 1996, GZ 36 Vr 261/96-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz S***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in Nassereith und Imst

A zwischen April 1991 und Dezember 1995 (zu ergänzen: außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB) Nicole S***** mehrmals mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er ihr mit einem Chaku und einem Gürtel Schläge versetzte, ihr mit Klebeband die Augen zuklebte und drohte, er werde sie oder ihre Mutter umbringen und er werde es auch bei ihrer Schwester tun, zur wiederholten Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender Handlungen, nämlich Einführen von Gegenständen in ihre Scheide und Durchführung von Oralverkehr genötigt, wobei sie durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt worden sei;

B zwischen April 1991 und 31.März 1995 mit der am 31.März 1981 geborenen Nicole S*****, sohin einer unmündigen Person, in den unter Punkt A angeführten Fällen wiederholt den außerehelichen Beischlaf unternommen;

C eine unmündige Person, nämlich die am 31.März 1981 geborene Nicole S*****, mehrmals auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar in der Zeit vom 24.Dezember 1988 bis Ende März 1991 durch Abgreifen im Brust- und Scheidenbereich sowie in der Zeit von April 1991 bis 31.März 1995 durch die unter A angeführten Handlungen, nämlich Einführen von Gegenständen in ihre Scheide und Durchführung von Oralverkehr;

D zwischen April 1991 und Dezember 1995 durch die unter A und B angeführten Handlungen mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, nämlich mit der leiblichen Tochter Nicole S*****, den Beischlaf vollzogen;

E zwischen 24.Dezember 1988 und 31.März 1991 durch die unter C angeführten Handlungen sein minderjähriges Kind Nicole S***** zur Unzucht mißbraucht,

und hiedurch zu A das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 StGB, zu B das Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, zu C das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, zu D das Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB und zu E das Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die von der Staatsanwaltschaft (allein) aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch zur Gänze einer gesetzmäßigen Darstellung entbehrt, weil sie, die gebotene Gesamtbetrachtung der Urteilsbegründung vernachlässigend, bloß nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung die im Zweifel zugunsten des Angeklagten ausgefallene Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft, ohne einen der geltend gemachten formalen Begründungsfehler prozeßordnungsgemäß aufzuzeigen.

Die Erkenntnisrichter setzten sich nämlich in den Entscheidungsgründen getreu den Vorschriften des § 258 Abs 2 StPO mit allen erhobenen Sach- und Zeugenbeweisen sowohl im einzelnen als auch in ihrem Zusammenhang besonders ausführlich, aktengetreu und kritisch auseinander, verwerteten auch den in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck (den die Beschwerdeführerin bei ihrer Argumentation stets außer acht läßt) und gelangten mit formal einwandfreier Beweiswürdigung zum Schluß, die leugnende Verantwortung des Angeklagten sei durch die Gesamtheit der Verfahrensergebnisse - insbesonders mangels Zuverlässigkeit der in wesentlichen Punkten widerspruchsvollen Aussage der Belastungszeugin Nicole S***** - nicht mit Sicherheit zu widerlegen (vgl US 6 ff).

Daß sich das Erstgericht dabei nicht mit jedem (der Beschwerde als wichtig erscheinenden) Beweisdetail und nicht schon von vorneherein mit allen möglichen, in der Beschwerdeschrift ins Treffen geführten - lediglich auf punktuell hervorgehobene und isoliert betrachtete Teile aus den Aussagen der Zeugen Nicole S*****, Maria S***** und Erwin K***** sowie aus der Angeklagtenverantwortung und dem Gutachten des Sachverständigen Univ.Dr.Heinz P***** gestützten - Einwänden auseinandergesetzt hat, macht die Urteilsbegründung - der Beschwerde zuwider - weder aktenwidrig noch widersprüchlich noch unvollständig.

Die behauptete Aktenwidrigkeit läge fallbezogen überhaupt nur dann vor, wenn im Urteil der einen entscheidenden Teil betreffende Inhalt der kontradiktorisch zustandegekommenen Aussage der Zeugin Nicole S***** unrichtig wiedergegeben worden wäre, nicht aber, wenn das Erstgericht - wie vorliegend - bei einer Gesamtbeurteilung aller ihrer im Laufe des Verfahrens gemachten Aussagen beweiswürdigend zum Ergebnis gelangt, ihre Zeitangaben über den ersten Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten enthielten "gravierende Unterschiede" (vgl US 7 f, 16).

Keineswegs erörterungsbedürftig war die von der Beschwerde selektiv hervorgehobene Passage aus der Zeugenaussage der Erwin K***** (33/I), wonach sich der Angeklagte nach Konfrontation mit den gegenständlichen Vorwürfen sofort einer therapeutischen Behandlung unterzogen habe, was darauf hindeute, daß es zu "Vorfällen" zwischen dem Angeklagten und der minderjährigen Nicole S***** gekommen sei. In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis auf die erstgerichtlichen Erwägungen auf US 22 zweiter Absatz.

Auch mit dem weiteren weitwendigen Beschwerdevorbringen stellt die Nichtigkeitswerberin abermals bloß eigene beweiswürdigende - demnach unbeachtliche - Überlegungen an und bekämpft in Wahrheit erneut nur den für die Beweiswürdigung erforderlichen kritisch-psychologischen Vorgang (vgl Mayerhofer StPO4 § 258 E 89 c, 89 e; § 281 Z 5 E 6 a; § 281 Z 5 a E 3), wenn sie in den (an sich unanfechtbaren) Erwägungen des Schöffengerichtes einen - nach ihrer Ansicht nach - unlösbaren logischen Widerspruch darin erblickt, daß es zur Persönlichkeitscharakterisierung des Angeklagten einerseits auf das für glaubwürdig beurteilte Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr.P***** zurückgriff, andererseits Beobachtungen und Erfahrungen der Zeugin Maria S***** mit ihrem wiederholt alkoholisiert gewesenen Ehegatten verwertete und auch aus diesen sorgfältig und gewissenhaft behandelten Beweismitteln keine überzeugenden Anhaltspunkte zur Widerlegung der - im Urteil auch ausführlich genug erörterten - leugnenden Verantwortung des Angeklagten zu gewinnen vermochte.

Gleiches gilt für einen weiteren Vorwurf, das Erstgericht bleibe eine Begründung dafür schuldig, "weshalb es zu dieser Erklärung der Angaben von der Gendarmerie nicht den Ausführungen des Sachverständigen Univ.Prof. Dr.Heinz P*****, sondern den Angaben der Zeugin Maria S***** folgt"; ferner für den Versuch, an Hand von zwei punktuell aus dem Zusammenhang gerissener - somit sinnentstellter - Sätze aus der Beweiswürdigung (US 15 und 19) einen denkgesetzwidrigen Widerspruch herauszuarbeiten und gegen die Unglaubwürdigkeit des Angeklagten den Umstand ins Treffen zu führen, daß er nicht erst anläßlich seiner sicherheitsbehördlichen Einvernahme am 21.Jänner 1996, sondern bereits im Dezember 1985 von Erwin K***** mit den gegenständlichen Vorwürfen konfrontiert worden sei.

Zusammenfassend ist zu sagen, daß der formale Nichtigkeitsgrund dann nicht vorliegt, wenn die angeführten Gründe der Beschwerdeführerin bloß nicht genug überzeugend scheinen oder wenn neben dem folgerichtig gezogenen Schluß auch noch andere (hier: zum Nachteil des Angeklagten ausschlagende) Schlußfolgerungen denkbar wären.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach in Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalprokuratur gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte