OGH 9ObA111/97g

OGH9ObA111/97g11.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Franz Ovesny und Mag.Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johannes R*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Manfred Macher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH,***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 528.032,43 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Dezember 1996, GZ 7 Ra 133/96x-65, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7.Mai 1992, GZ 3 Cga 2098/89-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

21.456 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.576 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

Einen Sachverständigen aus dem graphischen Gewerbe beantragte die Beklagte zur Feststellung der Qualifikation des Klägers als technischen Angestellten, zur Klärung der für die Einstufung maßgebenden Sachverhaltsfrage sowie zur Berechnung der Arbeitsleistungen des Klägers in zeitlicher Hinsicht und dessen Entgeltansprüche. Der für die Einstufung und für den Wirksamkeitsbeginn derselben ab 15.10.1980 (als der Kläger zum "Mädchen für alles" geworden war) im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin im Zusammenhang mit seiner Tätigkeitsbeschreibung durchaus nachvollziehbare maßgebliche Sachverhalt wurde bereits im ersten Rechtsgang festgestellt. Er wurde der rechtlichen Beurteilung dahin unterzogen, daß der Kläger als Abteilungsleiter und technischer Angestellter in die III. Verwendungsgruppe des KVTA einzustufen ist. Welche Änderungen sich durch die Aussagen der von der Beklagten geführten Zeugen C***** und Sch***** im Zusammenhang mit den vorglegten Aufzeichnungen (Beilage ./I, II und III) oder der nicht aktenkundigen Arbeitstaschen ergeben würden, die eine andere rechtliche Beurteilung bewirkt hätten, legt die Beklagte nicht konkret dar. Sie führt nur unsubstantiiert aus (AS 617), daß daraus zu entnehmen sei, daß der Kläger nicht die Qualifikation eines technischen Angestellten nach KVTA III aufgewiesen hätte. Da im übrigen die Einstufung und die Beurteilung der Stellung des Klägers als Abteilungsleiter eine Rechtsfrage ist, bildet schon aus diesem Grund die Beiziehung eines nur im Tatsachenbereich tätigen Sachverständigen keinen Verfahrensmangel. Dazu kommt, daß über die Frage der Einstufung bereits im Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 28.9.1994 (ON 42) abschließend entschieden wurde, sodaß diese Frage auch aufgrund neuer Tatsachen nicht mehr in Zweifel gezogen werden könnte (Arb 11.122; RZ 1997/19). Auf die hiezu in der Revision enthaltenen Ausführungen ist daher nicht einzugehen.

Ob der Kläger nach den Angaben der Zeuginnen Sch***** und C***** die Arbeitszeit nicht eingehalten hat, sich nach Gutdünken Freizeit nahm, ist noch kein Anhaltspunkt dafür, daß er nicht dennoch Überstunden geleistet hat oder keinen Anspruch auf Abgeltung der Normalarbeitszeit infolge von Fehlzeiten hätte. Das Berufungsgericht folgte nämlich in seiner Beweiswürdigung dem Kläger, sodaß die Wiedergabe der Zeugenaussagen im Rechtsmittel wie auch der gerügte Mangel der unterlassenen Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem graphischen Gewerbe über die Arbeitsleistungen in zeitlicher Hinsicht nur unzulässigerweise darauf abzielt, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz zu bekämpfen. Daß das Berufungsgericht seine Begründung vor allem auf Überstundenleistungen des Klägers stützte und nicht ausdrücklich auch die Leistung der Normalarbeitszeit feststellte, schadet nicht, weil einerseits die Feststellung von Mehrleistungen die Leistung der Normalarbeitszeit inkludiert und andererseits eine Quantifizierung der Stundenleistung des Klägers durch die Zeugin C***** nicht erfolgte, aber auch die vorgelegten Zeitaufzeichnungen nichts über die Tagesarbeitsszeit aussagen. Für die nicht einmal ansatzweise konkretisierte Pauschalbehauptung der Beklagten, daß der Kläger im letzten Dreivierteljahr vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht einmal die Normalarbeitszeit geleistet habe, welches Vorbringen in der Revision auf die letzten drei Monate reduziert wurde, ergab sich daher keine aktenmäßige Grundlage.

Was die von der Zeugin C***** stammenden Urkunden (Beilage ./I, II und III) betrifft, so handelt es sich bloß um die Arbeitstaschen-Zeitaufzeichnungen, die sich jedoch von den Aufzeichnungen der Tagesarbeitszeit unterschieden. Die vermißte Feststellung zum Urlaubsverbrauch hat das Berufungsgericht insoweit getroffen, als bei Beendigung des Dienstverhältnisses noch 37 Urlaubstage offen waren.

Da im übrigen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Da das Fehlen des Anspruches des Klägers auf Bezahlung der Normalarbeitszeit nicht bewiesen ist, können nicht einmal konkretisierte Fehlzeiten den Anspruch des Klägers mindern.

Nach den Feststellungen wurde der Kläger zu Unrecht als Reprofotograf und nicht als technischer Angestellter der dritten Verwendungsgruppe eingestuft. Daraus ergab sich eine unberichtigte Entgeltdifferenz an Gehalt, Sonderzahlungen und Überstunden von S 212.893,27, die den Kläger zum Austritt berechtigte. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seinem Aufhebungsbeschluß zum Ausdruck brachte, war die Berechtigung des Einbehaltes von S 2.000 bei Auszahlung des November-Gehaltes nicht zu prüfen, weil unabhängig davon zum Austrittszeitpunkt eine Entgeltdifferenz aufgrund der unrichtigen Einstufung bestand. Zu den Ausführungen der Revision Punkt 3.4. ist daher nicht weiter Stellung zu nehmen. Ob dem Kläger ein Überstundenpauschale nur aus steuerlichen Gründen in der Höhe von S 2.000 monatlich verrechnet wurde und ob dieses auf die kollektivvertragliche Mindestentlohnung anzurechnen wäre, ändert nichts an der insgesamt bestehenden Entgeltdifferenz. Der Kläger hat bereits in der Klage seinen vorzeitigen Austritt mit der Nichtzahlung des kollektivvertraglichen Entgelts begründet und zwischen dem Überstundenpauschale und dem Entgeltanspruch differenziert, sodaß es nicht angeht, das gezahlte Gehalt und das gezahlte Überstundenpauschale zu addieren, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß der aufgrund der richtigen Einstufung zustehende kollektivvertragliche Gehaltsanspruch damit erfüllt worden wäre, ohne zu berücksichtigen, daß auch noch Überstunden geleistet wurden, die dann als neben dem kollektivvertraglichen Gehalt bestehender Anspruch nicht bezahlt worden wären.

Daß der Kläger seine Zeitaufzeichnungspflicht nicht erfüllte, ohne daß dies zum Anlaß für eine dienstgeberseitige Beendigung des Dienstverhältnisses genommen wurde, ändert an der Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der nachgewiesenen Überstunden nichts.

Eine Qualifikation als leitender Angestellter läßt sich den Feststellungen nicht entnehmen, sodaß auch nichts für eine Abgeltung von Mehrarbeit durch den vereinbarten Bezug und für ein Nichtunterliegen unter die kollektivvertragliche Überstundenregelung spricht (INFAS 1993 A 63; ZAS B 1996, 17).

Richtig ist, daß das Berufungsgericht dem Kläger Beträge für Kündigungsentschädigung und Abfertigung zusprach, die über das Klagebegehren hinausgehen. Eine Ausdehnung des Begehrens ist entgegen den Ausführungen in der Revision nicht erfolgt. Dieser Zuspruch bildet nach ständiger Rechtsprechung einen Verfahrensmangel (Rechberger in Rechberger ZPO Rz 6 zu § 405 mwN), der aber um beachtlich sein zu können, in der Revision hätte gerügt werden müssen. Die Beklagte beruft sich jedoch nur auf die Unzulässigkeit des Zuspruches, weil Verjährung des Anspruches eingetreten sei und geht selbst von allerdings nicht stattgefundenen Einschränkungen und Ausdehnungen des Klagebegehrens aus. Eine Außerstreitstellung der im Schriftsatz des Klagevertreters vom 31.1.1995 enthaltenen Zahlen kann eine förmliche Klageausdehnung nicht ersetzen.

Ergänzt das Berufungsgericht als funktionell erste Instanz die in erster Instanz gepflogene Verhandlung bei Behandlung der Berufung oder nach einem Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes selbst, dann können die Parteien, ohne dem Neuerungsverbot des § 482 ZPO (§ 63 Abs 1 ASGG) unterworfen zu sein, zu dem von der Ergänzung betroffenen Verhandlungsgegenstand neue Behauptungen und Beweismittel vorbringen (vgl 8 Ob 578/93; 8 ObA 2246/96v). Es dürfen aber weder neue Ansprüche noch neue Einreden erhoben werden (8 Ob 578/93).

Hinsichtlich des von der Aufhebung infolge von Feststellungsmängel betroffenen, bereits in der Klage rechtzeitig innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses geltend gemachten Überstundenentgeltes, konnte die Beklagte daher grundsätzlich neue Behauptungen und Beweismittel geltend machen. Die in erster Instanz nicht eingewendete Verjährung und der Verfall waren aber als neue nicht erst durch den zweiten Rechtsgang veranlaßte Einreden vom Neuerungsverbot betroffen (Fasching LB2 Rz 1727). Sie betrafen nämlich nicht den zu ergänzenden Verhandlungsgegenstand, nämlich die Leistung von 35 Überstunden und die sich aus der unrichtigen Einstufung ergebende Auszahlungsdifferenz, sohin die Höhe des geltend gemachten Überstundenentgelts. Die Beklagte hat ohnehin ein Überstundenpauschale ausgehend von 35 Überstunden gezahlt (Schriftsatz des Klägers vom 25.1.1995 und Schriftsatz der Beklagten vom 7.3.1995) und im Verfahren nur die Leistung von Überstunden überhaupt und die Einstufung bestritten, ohne die rechtzeitige Geltendmachung zu relevieren. In Wahrheit wird daher nur eine Auszahlungsdifferenz, verursacht durch unrichtige Einstufung, begehrt. Nur diese, somit die sich aufgrund der Erbringung von Überstunden ergebende Höhe des Anspruchs, war Gegenstand des Aufhebungsbeschlusses, während die rechtzeitige Geltendmachung in der Klage, die der Prüfung der Höhe hätte vorangehen müssen, nie in Frage gestellt wurde und daher von der Aufhebung nicht betroffen war.

Der Versuch, den zur Verfügung gestellten Garagenplatz als Sachbezug zu werten, muß deshalb scheitern, weil auch dieser im Berufungsverfahren erhobene Einwand mit dem Gegenstand der Aufhebung bildenden Entgeltdifferenz aufgrund der unrichtigen Einstufung nicht im untrennbaren Zusammenhang steht und sohin von der Aufhebung nicht betroffen war. Diese Einwendung unterlag daher ebenfalls dem Neuerungsverbot.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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