OGH 4Ob150/97f

OGH4Ob150/97f27.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Christian R*****, vertreten durch Dr.Gerhard Seirer, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagten Parteien 1. Prim.Dr.Peter A*****, 2. Prim.Dr.Adolf Georg L*****, beide vertreten durch Prof.Dr.Alfred Haslinger und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 12.Dezember 1996, GZ 2 R 249/96a-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.Juni 1996, GZ 13 Cg 96/95-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 23.512,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.918,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist niedergelassener Facharzt für Radiologie mit einer Ordination in L*****. Der Erstbeklagte ist seit Jänner 1992 Leiter der Fachabteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am A.ö.Bezirkskrankenhaus L***** mit einem systemisierten Bettenstand von 37 Betten. Seit Juni 1992 betreibt er auch eine eigene Ordination als Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Der Zweitbeklagte ist verantwortlicher Leiter des Institutes für Radiologie am Bezirkskrankenhaus L*****.

In diesem Krankenhaus werden sowohl in der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe als auch im Institut für Radiologie diagnostische und therapeutische Verrichtungen an stationären und ambulanten Patientinnen vorgenommen.

Der Erstbeklagte überweist Patientinnen seiner Praxis sowohl an die Fachabteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am BKH L***** als auch an dessen radiologisches Institut.

Bei Überweisungen des Erstbeklagten an die Radiologie liegt der Schwerpunkt naturgemäß auf Mammographien. Alle anderen radiologischen Untersuchungen sind für einen Facharzt für Geburtshilfe und Gynäkologie selten. Ist eine Untersuchung der Brustdrüse notwendig, dann stellt es der Erstbeklagte seinen Patientinnen frei, bei wem sie die Mammographie durchführen lassen wollen.

Der Kläger ist der einzige niedergelassene Radiologe in O*****. In unmittelbarer Nähe von L***** haben die Patientinnen daher nur die Wahl zwischen dem Kläger und dem BKH L*****.

Der Kläger hat in seiner Praxis zwei oder drei nicht ausgebildete Assistentinnen beschäftigt, die auch die Mammographie durchführen. Er befindet sich stets in Reichweite für etwaige Rückfragen.

Seit etwa dem Jahre 1990 befindet sich im BKH L***** auch ein Computertomograph (CT) und war es nötig, um eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung zu gewährleisten, noch einen Bereitschaftsdienst einzurichten. In diesem Rahmen war der Kläger bis 1995 - neben seiner eigenen Praxis - am BKH L***** tätig, und zwar zuletzt fünf Stunden je Woche. Mit Schreiben vom 19.Juli 1995 kündigte der Kläger dieses Dienstverhältnis als Folge des immer schlechter werdenden Verhältnisses zur Führungsspitze des BKH L*****, insbesondere den Beklagten. So versuchte der Kläger gegen Ende seiner Tätigkeit dort die Überweisungen des Erstbeklagten genau zu kontrollieren, weshalb es dieser vermied, Patientinnen unmittelbar aus seiner Praxis an die Radiologie zur Mammographie zu überweisen; vielmehr vermerkte er zunächst auf dem Überweisungsschein "Gynäkologische Abteilung".

Zwischen dem Kläger und dem BKH L***** besteht aber eine Konkurrenzsituation nicht nur im Zusammenhang mit der radiologischen Praxis des Klägers, die mit vielen teuren Geräten ausgestattet ist und die der Kläger naturgemäß finanzieren muß, sondern auch deshalb, weil zunächst CT-Untersuchungen nur vom BKH L***** vorgenommen wurden, in der Folge sich aber auch der Kläger im Rahmen eines Anstaltsambulatoriums, dessen Vorsitzender er ist, einen Computertomographen angeschafft hat. Die Folge war ein gewaltiger Einbruch bei den CT-Untersuchungen im BKH L*****.

Die Zuweisungen von Patientinnen durch den Erstbeklagten an die radiologische Abteilung des BKH L***** zur Mammographie geschahen entweder auf Wunsch der Patientinnen oder waren medizinisch indiziert. Daß Patientinnen aus anderen Gründen an die radiologische Abteilung überwiesen worden sind oder daß dies in Wettbewerbsabsicht eines der Beklagten geschehen sei, kann nicht festgestellt werden.

Für den Fall seiner längeren Abwesenheit versucht der Kläger stets, einen Vertreter für seine Ordination zu finden. Bei nur eintägiger Abwesenheit kann es auch vorkommen, daß die Praxis geschlossen bleiben muß. In solchen Fällen kommt es vor, daß Patientinnen, die auch von entlegenen Teilen O*****s nach L***** zur Untersuchung anreisen, die Radiologie des BKH L*****aufsuchen, um nicht unverrichteter Dinge wieder heimreisen zu müssen, sondern die Mammographie sofort durchführen lassen zu können.

Daß die Beklagten Patientinnen aufgefordet hätten, nicht in die Praxis des Klägers zu gehen, kann nicht festgestellt werden. Der Kläger hat für seine Ordination Werbung gemacht.

Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, außer in den Fällen des § 38 Tiroler Krankenanstaltengesetz (TirKAG) entweder Überweisungen zu ambulanten Tätigkeiten an die gynäkologische Ambulanz oder die Röntgenabteilung des BKH L***** durchzuführen oder selbst ambulante Tätigkeiten im Rahmen der Röntgenabteilung dieses Krankenhauses vorzunehmen. Der Erstbeklagte überweise seit geraumer Zeit auch außer den in § 38 TirKAG aufgezählten Fällen Patientinnen an die Radiologie des BKH L*****, wo der Zweitbeklagte als deren Leiter Röntgenaufnahmen erstelle und in weiterer Folge im Falle positiver Befunde auch Sonographien - wiederum nach Überweisung des Erstbeklagten - durchführe. Sämtliche dieser Leistungen erbringe auch der Kläger als niedergelassener Arzt in seiner Praxis; dieser werde vor allem im Bereich der Mammographie durch das Verhalten der Beklagten finanziell geschädigt. Durch die Überweisung von Patientinnen und deren radiologische Untersuchungen außer den Fällen des § 38 TirKAG handelten die Beklagten wettbewerbswidrig. Der Kläger stütze sein Unterlassungsbegehren aber auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes und jeden weiteren erdenklichen Rechtsgrund. Die Wettbewerbsabsicht der Beklagten sei aus deren Verträgen mit dem BKH L***** ersichtlich, welche diesen einen Gebührenanteil an den Ambulanzen sicherten. Die Patientinnen hätten bei Behandlungen im BKH L***** auch einen geringeren Selbstbehalt zu leisten als bei Behandlung durch den niedergelassenen Arzt.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Als Dienstnehmer des Rechtsträgers des BKH L***** - nämlich des Gemeindeverbandes BKH L***** - seien sie nicht passiv legitimiert. Sie seien nur Erfüllungsgehilfen und stünden zum Kläger in keinem Wettbewerbsverhältnis. Mit diesem sei aufgrund seines Verhaltens eine Zusammenarbeit unmöglich. Es sei vielfach der Wunsch der Patientinnen, daß Untersuchungen im BKH L***** und nicht beim Kläger durchgeführt werden sollen. Da der Kläger der einzige niedergelassene Facharzt für Radiologie im Bezirk L***** sei, bestünde eine Ausweichmöglichkeit für Patienten nur in weit entfernte Orte wie V***** oder I*****, was nicht zumutbar sei. Der Zweitbeklagte sei nach den Krankenhausorganisationsvorschriften verpflichtet, mit allen Fachabteilungen des Krankenhauses zusammenzuarbeiten. Die Überprüfung, ob eine Zuweisung § 38 TirKAG entspreche, obliege ihm nicht. Die Beklagten hätten dem Kläger weder rechtswidrig noch schuldhaft Patienten entzogen, sondern seien nur ihrer ärztlichen Behandlungspflicht nachgekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus § 38 TirKAG allein ergebe sich nicht der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch. Außerhalb - hier nicht vorliegender - rechtsgeschäftlicher Beziehungen könnten sich Unterlassungspflichten nur aus besonderen Verhaltensnormen oder aus absoluten Rechten anderer ergeben. § 38 TirKAG erlege dem Rechtsträger eines Anstaltsambulatoriums und den für diesen tätigen Ärzten keine Pflichten zur Unterlassung ambulanter Untersuchungen und Behandlungen von Patienten auf und räume umso weniger Fachärzten ein absolutes Recht auf eine konkurrenzfreie Erwerbstätigkeit ein. Der Kläger könne seinen Unterlassungsanspruch daher nur auf das Wettbewerbsrecht stützen. Zwischen den Streitteilen bestehe zwar ein Konkurrenzverhältnis; der Kläger habe jedoch nicht eine subjektive Wettbewerbsabsicht der Beklagten bewiesen. Konkrete Tatumstände, aus denen auf eine Wettbewerbsabsicht der Beklagten hätte geschlossen werden können, habe der Kläger weder stichhaltig behauptet noch seien sie im Beweisverfahren hervorgekommen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Als Grundlage für den vom Kläger erhobenen Anspruch komme nur das Wettbewerbsrecht in Betracht. Nach den Feststellungen könne jedoch eine Wettbewerbsabsicht der Beklagten nicht bejaht werden. Ob § 38 TirKAG ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB ist, das auch die Erwerbsposition und das Vermögen frei praktizierender Fachärzte schützen solle, sei nicht zu erörtern, weil die Überweisung von Patientinnen an das BKH L***** und die dort vorgenommenen Untersuchungen entweder medizinisch notwendig gewesen oder von den Patientinnen gewünscht worden seien. Allfällige Verstöße gegen § 38 TirKAG seien daher jedenfalls nicht schuldhaft gewesen.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist zwar entgegen der Meinung der Beklagten zulässig, aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Ein Gegensatz zwischen der Aussage der Zeugin Dr.Ingrid Editha K*****, es gebe durchaus von ihr an das BKH L***** zugewiesene Patienten, die nicht unter § 38 Abs 1 TirKAG fielen (S. 65), und der Feststellung, daß die Patientenzuweisungen durch den Erstbeklagten auf Wunsch der Patientinnen erfolgten oder medizinisch indiziert waren (S. 205), ist nicht zu sehen. Aus dieser Aussage kann auch kein Schluß auf eine allfällige Wettbewerbsabsicht der Beklagten gezogen werden.

In seiner Rechtsrüge kommt der Kläger - offenbar im Hinblick auf die Feststellungen der Vorinstanzen, wonach eine Wettbewerbsabsicht der Beklagten unbewiesen geblieben sei -, auf die wettbewerbsrechtliche Begründung seines Anspruches nicht mehr zurück. Er macht ausschließlich geltend, daß § 38 TirKAG ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB sei, welches auch die Erwerbsposition und das Vermögen frei praktizierender Fachärzte schützen solle. Einzige Voraussetzung für einen Anspruch gegen die Beklagten auf Unterlassung sei die Schutzgesetzverletzung.

Hiezu hat der erkennende Senat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 38 Abs 1 TirKAG - welcher mit § 26 Abs 1 des Bundesgesetzes vom 18.September 1956, BGBl 1957/1, über Krankenanstalten (KAG) in der derzeit gültigen Fassung übereinstimmt - sind in öffentlichen allgemeinen Krankenanstalten und in öffentlichen Sonderkrankenanstalten Personen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen, ambulant zu untersuchen oder zu behandeln, wenn dies

a) zur Leistung Erster ärztlicher Hilfe,

b) zur Behandlung nach Erster ärztlicher Hilfe oder in Fortsetzung einer in der Krankenanstalt gewährten Pflege, die im Interesse des Behandelnden in derselben Krankenanstalt durchgeführt werden muß,

c) zur Anwendung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit solchen Behelfen, die außerhalb der Anstalt in angemessener Entfernung vom Wohnort des Patienten nicht in geeigneter Weise oder nur in unzureichendem Ausmaß zur Verfügung stehen,

d) über ärztliche Zuweisung zur Befunderhebung vor Aufnahme in die Anstaltspflege,

e) im Zusammenhang mit Organ- oder Blutspenden,

f) zur Durchführung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln oder Medizinprodukten,

g) für Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin,

h) zur Blutabnahme nach straßenpolizeilichen Vorschriften (§ 38a TirKAG)

notwendig ist.

Gemäß § 38 Abs 2 TirKAG - welcher im Einklang mit § 26 Abs 2 KAG steht - können in Krankenanstalten der im Abs 1 genannten Art, soweit dadurch die Besorgung der im Abs 1 lit a bis h genannten Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, Gesundenuntersuchungen ambulant durchgeführt werden; die Aufnahme von Gesundenuntersuchungen ist der Landesregierung anzuzeigen.

§ 38 Abs 3 TirKAG bestimmt ferner, daß an Universitätskliniken zu Zwecken der Forschung und Lehre Personen auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs 1 untersucht und behandelt werden können.

Aus der Entstehungsgeschichte der Grundsatzbestimmung des § 26 KAG idF BGBl 1957/1 und in der Neufassung durch BGBl 1974/281 ist zu erkennen, daß vor allem die ärztliche Standesvertretung zugunsten der frei praktizierenden Ärzte und Fachärzte den Ambulanzbetrieb in den Krankenanstalten eingeschränkt haben wollte. Dies deckt sich auch mit den Intentionen der meisten Krankenanstaltsträger, da die Krankenanstalten vor allem für die stationäre Versorgung der Bevölkerung bestimmt sind und durch den Ambulanzbetrieb nicht über Gebühr belastet werden sollen; schließlich ist es auch wünschenswert, daß die unbedingt notwendige Zusammenarbeit zwischen den Ärzten der freien Praxis und denen der Krankenanstalten nicht durch eine Ausweitung der Krankenanstalts-Ambulanz gefährdet wird (Radner/Haslinger/Reinberg/Blumberger, Oberösterreichisches Krankenanstaltengesetz, Anm zu § 32 oö KAG, S. 198). Diese Erwägungen haben allerdings keinen Niederschlag in den EB zur Regierungsvorlage für die Novelle zum Krankenanstaltengesetz BGBl 1974/281 gefunden. Dort heißt es zu der Bestimmung des § 26 KAG in der derzeit gültigen, mit diesem Gesetz eingeführten Fassung nur, daß im Zusammenhang mit der Neufassung der Begriffsbestimmung der Krankenanstalten in § 1 sich auch die Notwendigkeit der Anpassung des Aufgabenumfanges der Anstaltsambulanzen an die schon bestehenden Verhältnisse ergebe.

Schon ein Umkehrschluß aus § 26 Abs 2 KAG (und damit aus § 38 Abs 2 TirKAG) legt freilich die Auslegung nahe, daß die Krankenanstalten nur in den Fällen des Abs 1 - in welchen sie zur Tätigkeit verpflichtet sind - und dem Fall des Abs 2, nicht aber in anderen Fällen tätig werden dürfen. Diese Auslegung wird durch § 38 Abs 3 TirKAG noch unterstützt. Bei anderer Auffassung wären die Anordnungen in § 26 Abs 2 KAG und § 38 Abs 2 TirKAG sowie in § 38 Abs 3 TirKAG überflüssig.

Wie der Oberste Gerichtshof schon in 4 Ob 404/81 - Krankenhaus-Ambulanz = ÖBl 1983, 9 = KRSlg 680 ausgesprochen hat, sprechen durchaus beachtliche Argumente für die Auffassung, daß in dieser Regelung (dort: § 32 Abs 1 u. 2 oö KAG LGBl 1976/10, welcher im wesentlichen mit § 26 KAG übereinstimmt) zugleich auch eine - im Interesse der frei praktizierenden Ärzte normierte - Beschränkung der ambulanten Tätigkeit öffentlicher Krankenanstalten gelegen ist.

In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof die Auffassung vertreten, daß selbst dann, wenn man dieser Bestimmung den Charakter eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB zugunsten frei praktizierender Ärzte zubilligen wollte, ein Unterlassungsanspruch eines von der Verletzung dieses Gesetzes betroffenen Arztes nur aus dem Wettbewerbsrecht abgeleitet werden könnte. Der von einem Teil der Rechtslehre vertretenen Auffassung, die Unterlassungsklage sei nicht nur bei vertraglichen Unterlassungspflichten und bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung, sondern darüber hinaus - nach dem Vorbild des deutschen Rechtes - auch überall dort zuzulassen, wo eine Unterlassungspflicht besteht oder ein dringendes Rechtsschutzbedürfnis ihre vorsorgliche Geltendmachung verlangt, sei die neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur mit Einschränkungen gefolgt. Danach lasse das Gesetz Unterlassungsklagen nur zum Schutz vor Eingriffen in dingliche Rechte, insbesondere im Rahmen des Nachbarrechtes, und im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse zu; außerhalb von Schuldverhältnissen gewähre der Gesetzgeber einen Unterlassungsanspruch nur unter bestimmten Voraussetzungen, wie insbesondere zum Schutz des Namens (§ 43 ABGB), zur Untersagung des weiteren Firmengebrauches (§ 37 Abs 2 HGB) oder bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte (§ 14 UWG; § 148 PatG; § 81 UrhG usw).

In 4 Ob 32/91 - Anstaltsambulatorium = MR 1991, 243 = KRSlg 748 sprach der Oberste Gerichtshof zu § 41 Bgld KAG 1976 - welcher mit § 26 KAG und § 38 Abs 1 und 2 TirKAG übereinstimmt - aus, daß diese Bestimmung keinesfalls als Grundlage für einen Unterlassungsanspruch des betroffenen Facharztes in Betracht kommen könne. Außerhalb von - hier nicht vorliegenden - rechtsgeschäftlichen Beziehungen könnten sich nämlich Unterlassungspflichten stets nur aus besonderen Verhaltens-(Verbots)normen (zB § 97 ABGB) oder allgemein aus absoluten Rechten anderer - wozu nicht nur das Eigentum und sonstige dingliche Rechte, sondern auch Persönlichkeitsrechte sowie die gewerblichen Schutzrechte zählen - ergeben. § 41 Bgld KAG 1976 erlege dem Rechtsträger eines Anstaltsambulatoriums nicht bestimmte Unterlassungspflichten in bezug auf die ambulante Untersuchung und Behandlung von Patienten auf und räume auch nicht Fachärzten in einem gewissen Bereich ein absolutes Recht auf eine konkurrenzfreie Erwerbstätigkeit ein.

Nach ganz herrschender Lehre ist allerdings weder ein Schuldverhältnis noch die Existenz eines absoluten Rechtes Voraussetzung einer Unterlassungsklage. Danach ist eine vorbeugende Unterlassungsklage überall dort zuzulassen, wo eine (klagbare) Unterlassungspflicht im Interesse eines Einzelnen besteht und ein Zuwiderhandeln des Schuldners wenigstens ansatzweise verwirklicht ist (Ehrenzweig2, II/1, 10 u. 661; Mayrhofer, SchR AT 17; Gschnitzer, SchR AT2, 46; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 859; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 23 zu § 1294 mwN; Koziol/Welser10 I 213 f und 442). Die gleiche Auffassung herrscht auch in der Bundesrepublik Deutschland vor (Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse15 § 252 I Z 1; Schiemann in Ermann, BGB9, Rz 20 vor § 823; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts13 II/2 § 87), wo von der Rechtsprechung die Unterlassungsklage ganz allgemein gegenüber drohenden rechtwidrigen Eingriffen gewährt wird.

Der Unterlassungsanspruch setzt im Gegensatz zum Schadenersatzanspruch kein Verschulden voraus (Schiemann aaO; Böhm in Anm zu ZAS 1982, 212 [215 ff]; Koziol/Welser aaO), weil er keine Sanktion eines vorwerfbaren Verhaltens bildet, sondern nur zu rechtmäßigem Handeln motivieren soll (Henckel, Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht, AcP 174, 113; Koziol/Welser aaO 442). Soweit das Berufungsgericht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch schon deshalb verneint hat, weil die Beklagten kein Verschulden trifft, kann dem somit nicht gefolgt werden.

Eine abschließende Klärung der Frage, ob die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Fällen der Unterlassungsansprüche trotz der gegenteiligen Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland und entgegen der herrschenden Lehre in Österreich und Deutschland aufrechterhalten werden kann, ist diesmal entbehrlich. Mit Recht haben sich nämlich die Beklagten darauf berufen, daß sie ohnehin nicht gegen § 38 TirKAG verstoßen haben:

Der Kläger ist der einzige frei praktizierende Radiologe in ganz Osttirol. Er beschäftigt nach den Feststellungen zwei oder drei nicht ausgebildete Assistentinnen. Der Erstbeklagte stellt es seinen Patientinnen frei, wo sie die Mammographie durchführen lassen wollen; wenn es die Patientinnen wünschen, überweist er sie an das BKH L*****.

Nach § 38 Abs 1 lit c TirKAG hat ein öffentliches Krankenhaus Personen dann ambulant zu untersuchen oder zu behandeln, wenn das zur Anwendung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit solchen Behelfen notwendig ist, die außerhalb der Anstalt in angemessener Entfernung vom Wohnort des Patienten nicht in geeigneter Weise oder nur in unzureichendem Ausmaß zur Verfügung stehen. Diese Bestimmung ist unter dem Gesichtspunkt der freien Arztwahl anzuwenden, so daß ein ambulantes Tätigwerden einer Krankenanstalt auch dann gerechtfertigt ist, wenn keine entsprechende Auswahlmöglichkeit bei frei praktizierenden Ärzten in angemessener Entfernung vom Wohnort besteht (Radner/Haslinger/Reinberg/Bumberger, Krankenanstaltengesetz des Bundes-KAG, Anm 3 zu § 26, S. 60).

Daß in Österreich der Grundsatz der freien Arztwahl gilt, ergibt sich aus den Sozialversicherungsgesetzen.

Nach § 135 Abs 1 ASVG wird die ärztliche Hilfe durch Vertragsärzte, durch Wahlärzte und durch Ärzte in eigenen hiefür ausgestatteten Einrichtungen und in Vertragseinrichtungen des Versicherungsträgers gewährt. Unter allen diesen Möglichkeiten besteht für den Anspruchsberechtigten völlig freie Wahl. Das bedeutet, daß praktisch alle Gesundheitseinrichtungen, die es in Österreich gibt, den Krankenversicherten zur Verfügung stehen (Teschner in MGA ASVG 50. ErgLfg 785 Anm 4 zu § 135). Wird ärztliche Hilfe durch eigene oder durch Vertragseinrichtungen gewährt, muß nach § 135 Abs 2 Satz 2 ASVG die Wahl der Behandlung zwischen einer dieser Einrichtungen und einem oder mehreren Vertragsärzten bzw Wahlärzten unter gleichen Bedingungen freigestellt sein. Daraus wird in ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der freien Arztwahl abgeleitet (SSV-NF 6/41 = DRdA 1993, 27 [Binder] = ZAS 1993, 146 [Schrammel, Radner]; SSV 6/59).

Wäre nun eine Patientin aus O***** gezwungen, eine radiologische Untersuchung beim Kläger durchführen zu lassen, obwohl sie diesem - zu Recht oder zu Unrecht - nicht das erforderliche Vertrauen entgegenbringt, dann widerspräche dies in krasser Weise dem Grundsatz der freien Arztwahl. Das Vorhandensein eines einzigen Facharztes einer bestimmten Fachrichtung in einem größeren Raum - wie hier in dem ganz O***** umfassenden Bezirk L***** - bedeutet eben, daß die zur Anwendung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden notwendigen Behelfe außerhalb der Krankenanstalt in angemessener Entfernung vom Wohnort des Patienten nur in unzureichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, sodaß die Krankenanstalt zur ambulanten Untersuchung oder Behandlung verpflichtet ist (§ 38 Abs 1 lit c TirKAG).

Nach den Feststellungen läßt der Kläger in seiner Praxis (auch) Mammographien durch nicht ausgebildete Assistentinnen durchführen. Zur berufsmäßigen Ausübung medizinisch-technischer Dienste, wie des radiologisch-technischen Dienstes (§ 1 Z 3 MTD-Gesetz BGBl 1992/460), ist aber nur berechtigt, wer (ua) eine (im einzelnen geregelte) Ausbildung für diesen Dienst erfolgreich absolviert und die kommissionelle Diplomprüfung erfolgreich abgelegt hat und dem hierüber ein Diplom ausgestellt wurde (§ 3 Abs 1 Z 3 MTD-Gesetz). Jemanden, der zu einer solchen Tätigkeit nicht berechtigt ist, dafür heranzuziehen, ist also rechtswidrig und im übrigen auch strafbar (§ 33 Z 1 MTD-Gesetz). Bietet der Kläger somit eine Untersuchung durch nicht entsprechend ausgebildete Kräfte, so steht damit - auch wenn er sich für allfällige Rückfragen in Reichweite befindet - doch eine Alternative zur Röntgenuntersuchung im Aö Krankenhaus in angemessener Entfernung vom Wohnort der O*****er Patienten nicht in geeigneter Weise zur Verfügung. Auch aus diesem Grund ist die radiologische Untersuchung im BKH L***** geboten (§ 38 Abs 1 lit c TirKAG). Weder der Erstbeklagte noch der Zweitbeklagte haben demnach rechtswidrig gehandelt.

Da schon aus diesem Grunde das Klagebegehren abzuweisen ist, bedarf es keiner weiteren Feststellungen darüber, ob tatsächlich häufig von Patientinnen Beschwerden gegen den Kläger erhoben wurden und ob diese Beschwerden allenfalls auch berechtigt waren.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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