OGH 1Ob70/97v

OGH1Ob70/97v15.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut S*****, vertreten durch Dr.Horst M. Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, wider die beklagte Partei K*****handelsgesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Ulf Zmölnig, Rechtsanwalt in Weiz, wegen Aufkündigung (Streitwert 24.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 9.Oktober 1996, GZ 3 R 169/96m-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Weiz vom 14.Februar 1995, GZ 2 C 857/95s-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.655,68 S (darin 609,28 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen dem Rechtsvorgänger des Klägers und der beklagten Partei wurde am 3.Mai 1990 in einem Besitzstörungsprozeß ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen, der ua folgenden Wortlaut hat:

„1.) Festgehalten wird, daß Gegenstand des Bestandvertrags zwischen der klagenden Partei (hier beklagte Partei) und der beklagten Partei (hier klagende Partei) die Verkaufsräume 009, Verkaufsraum II, 010, Verkaufsraum III, 012, Geschäftsraum IV laut Lageplan sind, darüberhinaus der klagenden Partei das Mitbenutzungsrecht an dem Abstellraum 011 und dem WC 003 zusteht.

4.) Die klagende Partei verpflichtet sich, in Hinkunft im Bereich der Passage 007 und des Vorraums 008 keinerlei Gegenstände, welcher Art auch immer, abzustellen.“

Aufgrund dieses gerichtlichen Vergleichs als Exekutionstitels beantragte der Rechtsvorgänger des Klägers wegen eines behaupteten Zuwiderhandelns gegen dessen Punkt 4.) am 21.Juni 1990 die Bewilligung der Exekution und die Verhängung einer Geldstrafe wider die beklagte Partei zur Erwirkung der Unterlassung des Abstellens von Gegenständen im Bereich der Passage 007. Weitere Strafanträge wurden am 4.Juli 1990, 20.November 1990, 18.Juli 1991 und 29.April 1993 gestellt. Das Exekutionsgericht verhängte aufgrund dieser Anträge Geldstrafen. Nach weiteren Strafanträgen des Klägers wegen behaupteten Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel wurden über die beklagte Partei mit den Strafbeschlüssen vom 24.November 1994 und 31.März 1995 wiederum Geldstrafen in der Höhe von 20.000 S bzw 30.000 S verhängt.

Die beklagte Partei benützte die „Passage (offenbar zu ergänzen 007) bzw Hauseinfahrt“ seit 1990 bis April 1995 „mehr oder weniger regelmäßig, wenn auch nicht täglich“ für die Warenpräsentation ua auf Kleiderständern. Seit „April oder Juni 1995 ... wurden durch die beklagte Partei vorerst keine Abstellungen von Waren bzw Kleiderständern in der Passage mehr durchgeführt“.

Der Kläger kündigte das Bestandverhältnis mit der beklagten Partei am 13.Juni 1995 gemäß § 30 Abs 2 Z 3 2.Fall MRG zum 30.September 1995 auf. Die gerichtliche Aufkündigung wurde der beklagten Partei am 19.Juni 1995 zugestellt. Der Kläger brachte vor, die beklagte Partei habe den geltend gemachten Kündigungsgrund deshalb verwirklicht, weil sie die Passage 007 und den Vorraum 008 auch nach dem gerichtlichen Vergleich vom 30.Mai 1990 (richtig 3.Mai 1990) „in provokanter Weise ... weiterhin“ benützt habe. Sie habe dadurch - ungeachtet der im Exekutionsverfahren verhängten Geldstrafen - mutwillig an ihrem unzutreffenden Standpunkt festgehalten, daß sich ihre Bestandrechte auch auf die Passage 007 und den Vorraum 008 erstreckten.

Die beklagte Partei wendete ein, das Bestandobjekt sei - nach Umbauarbeiten - nicht mehr mit jenem identisch, auf das sich der gerichtliche Vergleich vom 3.Mai beziehe. Das Unterlassungsgebot dieses Exekutionstitels sei nur im Verhältnis zum Rechtsvorgänger des Klägers zu beachten. Der Kläger habe sich als Rechtsnachfolger des Vermieters auf dieses Unterlassungsgebot auch nie berufen. Das kurzfristige Abstellen eines Kleiderständers vor dem erst durch den Umbau in die Passage verlegten Geschäftseingang sei überdies „als geringfügig anzusehen“.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als wirksam und gab dem Räumungs- und Übergabebegehren statt. Die beklagte Partei habe durch ihr Verhalten den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 2.Fall MRG verwirklicht, weil sie „die Passage bzw Hauseinfahrt“ in provokanter und unbeugsamer Weise weiterhin titellos für geschäftliche Zwecke benützt habe, obgleich sich der Kläger dagegen im Exekutionsverfahren mehrmals zur Wehr gesetzt habe. In laufend unternommenen Versuchen des Mieters, sein Benützungsrecht auf nicht in Bestand gegebene Räume oder Gegenstände auszudehnen, sei nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein unleidliches Verhalten im Sinne des Gesetzes zu erblicken. Das Kündigungsbegehren sei im Zeitpunkt seiner gerichtlichen Geltendmachung berechtigt gewesen. Das Verhalten der beklagten Partei erlaube keine „positive Zukunftsprognose“, obgleich diese das Abstellen von Kleiderständern in der Passage vorerst eingestellt habe.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf, wies das Räumungs- und Übergabebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 2.Fall MRG setze voraus, daß der Mieter den Mitbewohnern das Zusammenwohnen durch ein rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten verleide. Die Begriffe „Mitbewohner“ und „Zusammenwohnen“ seien weit auszulegen. Der Kündigungsgrund werde daher auch dann verwirklicht, wenn es für den - wie hier - nicht im Haus wohnenden Vermieter aufgrund eines grob anstößigen Verhaltens des Mieters unzumutbar sei, „weiter in das Haus zu kommen“. Der Kläger habe jedoch gar nicht behauptet, das Haus regelmäßig aufsuchen zu müssen. Es stehe auch nicht fest, daß anderen Mietern das Zusammenleben mit der beklagten Partei durch deren Verhalten verleidet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Es entspricht ständiger von der Lehre gebilligter Rechtsprechung, daß für die Beurteilung der Verwirklichung eines Kündigungsgrunds - abgesehen von hier nicht maßgeblichen Ausnahmen - die Umstände im Zeitpunkt der Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung maßgeblich sind. Das gilt jedenfalls auch für den Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 3 2.Fall MRG. Stellt der Mieter das als Kündigungsgrund geltend gemachte Verhalten nach Zustellung der Aufkündigung ein, ist das - nach seinem Gesamtverhalten - im Rahmen einer Prognose mitzuberücksichtigen und führt zur Klageabweisung, wenn eine Wiederholung des bisherigen unleidlichen Verhaltens künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist (SZ 67/236; 4 Ob 1597/94; 10 Ob 521/94; MietSlg 40.435; MietSlg 39.424; MietSlg 38.444/4; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 5 zu § 33 MRG mwN aus der Rsp).

Die Aufkündigung wurde der beklagten Partei am 19.Juni 1995 zugestellt. In diesem Zeitpunkt hatte aber die beklagte Partei das als Klagegrund geltend gemachte Verhalten nach den Feststellungen der Vorinstanzen - unter dem Druck exekutiver Strafbeschlüsse - bereits eingestellt, benützte sie doch die „Passage bzw Hauseinfahrt“ nur bis April 1995 zur Feilbietung von Waren besonders auf Kleiderständern. Soweit die Vorinstanzen im teilweisen Widerspruch dazu an anderer Stelle überdies feststellten, es seien „ab April oder Juni 1995 ... keine Abstellungen von Waren bzw Kleiderständern in der Passage mehr durchgeführt“ worden, läßt sich auch daraus nicht schließen, daß die beklagte Partei ihr - durch das Erstgericht zutreffend als unleidlich im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 2.Fall MRG beurteiltes vorheriges Verhalten (vgl etwa WoBl 1996, 150 [Degelsegger]; 7 Ob 2122/96a; 7 Ob 624/91; MietSlg 37.406; MietSlg 34.418 ua) - im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung nach wie vor aufrechterhalten habe.

Stellt eine Partei rechtswidriges und einem vollstreckbaren Exekutionstitel widersprechendes Verhalten schließlich unter dem Druck exekutiver Strafbeschlüsse ein und gibt sie dadurch zu erkennen, sich künftig rechtmäßig zu verhalten und sich ein nicht bestehendes Recht nicht mehr weiter anzumaßen, haben die Maßnahmen zur Zwangsvollstreckung den ihr von der Rechtsordnung zugedachten Zweck erreicht. Trat dieser Erfolg - wie hier im Verhältnis zur beklagten Partei - noch vor Zustellung der Aufkündigung ein und fehlte es daher in diesem Zeitpunkt an der Verwirklichung des geltend gemachten Kündigungsgrunds, kommt es für die Abweisung des Klagebegehrens nicht mehr auf eine Prognose an, wie sich der Kündigungsgegner künftig wahrscheinlich verhalten wird. Es bedarf daher auch keiner näheren Erörterung der Revisionsgründe, die an dieser hier allein maßgeblichen Rechtslage vorbeigehen.

Dagegen weist die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend auf den Umstand hin, daß es bereits vor Zustellung der Aufkündigung keinen Grund mehr „für irgendwelche Beschwerden gegen die beklagte Partei“ gegeben habe.

Das Gericht zweiter Instanz hob daher die Aufkündigung - im Ergebnis zutreffend - auf, was auch zur Abweisung des Räumungs- und Übergabebegehrens führen mußte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 und § 50 ZPO.

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