OGH 15Os38/97

OGH15Os38/9715.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Mai 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Marte als Schriftführerin, in der Strafsache gegen John David A***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10.Dezember 1996, GZ 29 Vr 981/96-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde John David A***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 8. oder 15.Februar 1996 in Linz außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Ramona Wi***** mit Gewalt, und zwar dadurch, daß er sie auf das Bett legte, ihr einen Fuß zur Seite drückte und seinen Fuß zwischen ihre Beine zwängte, sich auf sie legte und auf ihr Ersuchen, sie in Ruhe zu lassen, nicht reagierte, worauf sie aus Angst und zufolge seiner körperlichen Überlegenheit die Gegenwehr unterließ, und durch Versperren der Wohnungstür mit Abziehen des Wohnungsschlüssels, sohin durch Entziehung der persönlichen Freiheit, zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Eine Verletzung der Verteidigungsrechte erblickt die Verfahrensrüge (Z 4) darin, daß das Erstgericht den Antrag des Angeklagten auf Vernehmung der Zeugin Victoria We***** zum Beweis dafür, daß Ramona Wi***** dieser Freundin am nächsten Tag nichts über eine Gewaltanwendung des Angeklagten erzählte, abwies.

Abgesehen davon, daß dieser Antrag auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis abzielte, den das Gericht ablehnen konnte (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 90 b), haben die Tatrichter ohnedies im Sinne des angestrebten Beweisergebnisses festgestellt, daß Ramona Wi***** auch ihrer besten Freundin Victoria We***** nicht alles erzählte (US 16).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Überlegungen der Tatrichter zur Aids-Angst der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und dessen Motivation einen ungeschützten Geschlechtsverkehr zu vollziehen, als unzureichend begründet bekämpft, ist ihr zu entgegnen, daß bloße Motiverwägungen als für das Erkenntnis in der Schuldfrage unbedeutende Umstände keiner Anfechtung nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO unterliegen (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 26 und 26b).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen kam es zu einer Konfrontation des Angeklagten mit dem Tatopfer (vgl Bericht des Sachverständigen Dr.I***** über deren Begegnung vor dem Verhandlungssaal S 190/US 13), sodaß der Beschwerdeführer Ramona Wi***** tatsächlich sehen konnte. Außerdem kann selbst eine während der Hauptverhandlung unterbliebene persönliche Kontaktaufnahme zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer als faktischer Vorgang keinen Begründungsmangel nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO nach sich ziehen. Darüber hinaus sieht § 250 Abs 1 StPO gerade zum Schutz einer Zeugin die Vernehmung derselben in Abwesenheit des Angeklagten vor. Eine Gegenüberstellung wurde im übrigen vom Angeklagten auch in der Hauptverhandlung nicht beantragt; eine solche war angesichts der vom Sachverständigen Dr.I***** beschriebenen Betroffenheit der im Vernehmungszeitpunkt erst 14-jährigen Zeugin (S 189 f) sogar kontraindiziert.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) zeigt keine sich aus den Akten ergebenden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit (zu deren Ausreichen wird auf die Ausführungen zur Rechtsrüge verwiesen) der den Schuldspruch tragenden erstgerichtlichen Feststellungen auf. Vielmehr versucht sie unzulässig nach Art einer Schuldberufung die tatrichterlichen Feststellungen - teils mit aktenwidriger Argumentation - zu bekämpfen: Mit der Behauptung, aus dem Akt ergäben sich keinerlei Hinweise, daß der Angeklagte das Tatopfer überhaupt gekannt hätte, werden die Aussagen der Zeugen Susanne M***** (S 155 ff), Renate F***** (S 162 ff) und Ramona Wi***** (S 177 ff und 21 ff und 47) ignoriert; zur behaupteten Undurchführbarkeit des festgestellten Tatablaufes werden in dieser Art weder festgestellte noch von der Zeugin Ramona Wi***** geschilderte Tatmodalitäten vorgebracht. Dieser Nichtigkeitsgrund entbehrt daher einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung.

Im Ergebnis im Recht ist jedoch die Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO insoweit, als sie (und teils der Sache nach auch die Mängelrüge) inhaltlich nach Z 9 lit b das (allfällige) Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) relevieren.

Das Erstgericht stellte nämlich folgendes fest:

"... forderte das Mädchen auf, sich zu entkleiden, was sie widerwillig tat. In der Folge forderte er das Mädchen auf, sein Glied in den Mund zu nehmen, was das Mädchen verweigerte. In der Folge drückte er das Mädchen auf das Bett, zog ihr den Slip aus, und drückte einen Fuß zur Seite, weil das Mädchen krampfhaft beide Beine zusammendrückte. Nachdem ihm dies gelungen war, zwängte er seinen Fuß zwischen ihre Beine, legte sich teilweise auf das Mädchen, wobei er mit einer Hand das Mädchen festhielt, mit der anderen versuchte er sein Glied in die Scheide des Mädchens einzuführen. Auf das Ersuchen der Ramona Wi*****, sie in Ruhe zu lassen, reagierte er wütend, worauf das Mädchen aus Angst und der körperlichen Überlegenheit (Gewicht- und Größenunterschied) die Gegenwehr unterließ. Möglich ist die Berührung der Geschlechtsteile, sie ist aber nicht beweisbar.

Ramona Wi***** war sehr aufgeregt darüber, daß John David A***** kein Kondom verwendete, worauf er aufstand, ein Handtuch holte, neuerlich versuchte, den Geschlechtsverkehr durchzuführen, in der Folge sich aber mit der Hand befriedigte und den Samen auf das Handtuch spritzte."

Dem Ersturteil sind demnach weitere, nach Beendigung des - verbalen und körperlichen (durch Zusammenkrampfen der Beine) - Widerstandes noch vorliegende, dem Vorhaben des Angeklagten allenfalls entgegenstehende Umstände - insbesondere beim abermaligen Versuch eines Geschlechtsverkehrs - nicht zu entnehmen, sodaß es (obwohl der Angeklagte jegliche Tathandlung, ja sogar die Bekanntschaft mit Ramona Wi***** leugnet) weiterer Feststellungen darüber bedurft hätte, aus welchen Gründen der Angeklagte von der Vollendung des neuerlich versuchten Geschlechtsverkehrs Abstand nahm, weil ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch der Vergewaltigung zumindest indiziert ist.

Ob ein solcher tatsächlich erfolgte, kann jedoch mangels entsprechenden Urteilssubstrates derzeit nicht verläßlich beurteilt werden, sodaß die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich ist.

Das Urteil war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285 e StPO), welches die fehlenden Feststellungen nachzuholen und sodann neu rechtlich zu beurteilen haben wird.

Auf die - nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte - Subsumtionsrüge (Z 10) muß demnach nicht eingegangen werden.

Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß die Konstatierungen, Ramona Wi***** habe "den Beischlaf mit ihm erduldet", dies auch wegen des Versperrens der Wohnungstüre und "Abziehen des Schlüssels" (US 6), einerseits im Hinblick auf den Schuldspruch wegen (bloß) versuchter Vergewaltigung und andrerseits angesichts der Ausführungen, daß Ramona Wi***** das erfolgte Abziehen des Schlüssels erst beim Verlassen der Wohnung bemerkte (US 9), nicht nachvollziehbar sind.

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