OGH 9Ob35/97f

OGH9Ob35/97f14.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Steinbauer, Dr.Spenling und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Renate A*****, Architektin, ***** vertreten durch Dr.Johannes Hübner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E***** Immobilien Leasing GmbH, ***** vertreten durch Dr.Franz Eckert ua, Rechtsanwälte in Baden, wegen S 450.000 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4.Dezember 1996, GZ 6 R 52/96b-11, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 16.Juli 1996, GZ 34 Cg 80/96p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens wie auf Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung

Die Klägerin brachte vor, daß sie mit Schlußhonorarnote vom März 1995 über von ihr erbrachte Architekten- und Ingenieurleistungen als Generalplaner einen Restbetrag von insgesamt S 6,393.955,93 in Rechnung gestellt habe. Dieser Rechnungsbetrag sei fällig. Die Beklagte habe einseitig und unberechtigt diese Honorarnote auf einen Restbetrag von S 453.450,22 "korrigiert" und bis heute trotz Fälligkeit und Mahnung das restliche Honorar nicht berichtigt. Aus Gründen prozessualer Vorsicht und zur Begrenzung der mit diesem Verfahren verbundenen Kosten mache die Klägerin unpräjudiziell ihr offenes Honorar nur mit einem Teilbetrag von S 450.000 geltend.

Die Beklagte bestritt die Vornahme der Korrektur der Honorarnote auf einen Betrag von S 453.450,22 nicht; wohl aber das übrige Klagebegehren, weil nicht nur eine Teilzahlung von S 2,118.756,96 nicht berücksichtigt worden sei, sondern sich die von ihr vorgenommenen Korrekturen aus den dem Vertrag zugrunde gelegten Gebührenordnungen und dem Vertrag selbst ergeben und im übrigen ein von der Klägerin verursachter Schadensbetrag von vorläufig S 1,080.000 in Abzug zu bringen sei.

Keine der Parteien brachte ausdrücklich vor, daß der Betrag von S 453.450,22 bereits gezahlt wurde. Erst aus den Rechtsmittelschriften im Berufungsverfahren ergibt sich die unstrittige Zahlung dieses Betrages bereits vor der Klageeinbringung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es gelangte zu der Ansicht, daß die Tatsache, daß die Honorarnote der Klägerin mit S 450.000 unberichtigt aushafte, von der Beklagten nicht bestritten worden sei, die keine Zahlung behauptet hat. Der Klägerin stehe daher jedenfalls dieser eingeklagte Betrag zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es führte aus, daß die Klägerin nicht vorgetragen habe, daß der auf S 453.450,22 korrigierte Betrag bezahlt worden sei und sie die Differenz zwischen diesem Betrag und der Schlußhonorarnote nur S 450.000 geltend mache. Es sei dem Vorbringen zu entnehmen, daß sie ein restliches offenes Honorar von S 6,393.955,93 behaupte und hievon einen Teilbetrag von S 450.000 einklage. Das Zugestehen der Zahlung von S 453.450,22 durch die Klägerin in der Berufungsbeantwortung komme einer Klageveränderung im Sinne des § 235 Abs 4 ZPO gleich und sei im Berufungsverfahren unzulässig. Die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Honorarnote jedenfalls in Höhe des korrigierten Betrages von S 453.450,22 aushafte, sei das Ergebnis eines zutreffenden sprachlichen Verständnisses des Parteienvorbringens, nicht jedoch das Ergebnis einer unrichtigen Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Mangels Behauptung, daß der Honoraranspruch von S 453.450,22 durch Zahlung erloschen sei, sei das Erstgericht zutreffend von einem schlüssigen Geständnis der Tatsache ausgegangen, daß die Honorarnote der Klägerin jedenfalls in Höhe von S 453.450,22 aushafte. Ein Anleitungsmangel liege nicht vor, weil es dem Richter verwehrt sei, eine Partei zur Erhebung von anspruchsvernichtenden Einreden, wie etwa einer Zahlung, die aus dem Vorbringen nicht unzweifelhaft ableitbar sei, zu veranlassen. Es liege auch keine Überraschungsentscheidung des Erstgerichtes vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Das Geständnis ist eine Wissenserklärung einer Partei, daß eine tatsächliche für den Zugestehenden ungünstige Behauptung des Gegners richtig sei. § 267 ZPO unterstellt Tatsachenbehauptungen ohne ausdrückliches Geständnis (schlüssige Geständnisse) der Verhandlungswürdigung nach § 272 ZPO (Fasching, Lehrbuch2 Rz 843; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 267; SZ 63/201). Ein schlüssiges gerichtliches Geständnis kann aber nur aus ausdrücklichen Parteierklärungen, nicht aber aus bloßem Schweigen oder aus einem anderen Verhalten der Partei abgeleitet werden (Fasching aaO).

Ein Geständnis ist ganz allgemein nicht nur unwirksam, sondern liegt auch gar nicht vor, wenn die Unrichtigkeit der als zugestanden angenommenen Tatsache sich aufgrund des Akteninhaltes eindeutig ergibt (Rechberger aaO, Rz 2 zu § 267). Der Richter darf nämlich nicht sehenden Auges auf solcherart amtsbekannt unwahrer Grundlage urteilen (Fasching aaO Rz 851).

Wenn daher das Vorbringen einer Partei eindeutig der vom Gericht als zugestanden angenommenen Tatsache widerspricht, weil das Gegenteil der als zugestanden angenommenen Tatsache sich aus dem Vorbringen entnehmen läßt, dann war die Anwendung der Norm des § 267 ZPO zur Gewinnung einer Entscheidungsgrundlage überflüssig. Betrifft die Anwendung der Norm aber nicht die Gewinnung der Entscheidungsgrundlage, dann ist die fehlerhafte Anwendung unrichtige rechtliche Beurteilung (Fasching aaO Rz 1917). Der außerordentlichen Revision liegen daher nicht vom Berufungsgericht bereits verneinte Verfahrensmängel zugrunde, sondern eine erhebliche Rechtsfrage bildende unrichtige rechtliche Beurteilung des Parteivorbringens.

Einer ausdrücklichen Behauptung der Beklagten, daß der Betrag, auf den die Honorarnote der Klägerin korrigiert wurde, von ihr gezahlt wurde, bedurfte es schon deshalb nicht, weil sich die Nichtzahlung dieses Betrages von S 453.450,22 nicht eindeutig aus dem Vorbringen der Klägerin ableiten läßt. Hätte die Klägerin lediglich diesen Betrag als unberichtigt angesehen, hätte es eines detaillierten Vorbringens über die Honorarabrechnung auch unter dem Vorbehalt einer später möglichen Ausdehnung nicht bedurft, weil hinsichtlich dieses Betrages der Hinweis auf die aus der Korrektur abzuleitende Anerkennung dieses Betrages genügt hätte. Darüber hinaus ergibt sich die mangelnde Identität des aus "prozessualer Vorsicht" begehrten Betrages von S 450.000 mit dem angeblich zugestandenen Betrag von S 453.450,22 schon aus der Höhe des korrigierten Betrages. Wäre die Klägerin nur von dessen Nichtzahlung ausgegangen, so hätte kein Anlaß bestanden, vorsichtshalber nur einen unter der korrigierten Höhe der Honorarrechnung liegenden Betrag einzuklagen. Aber nicht nur dies spricht gegen die unterstellte Annahme der Nichtzahlung, sondern vor allem die Tatsache, daß die Klägerin vorbrachte, daß ihre Honorarnote unberechtigt auf einen Restbetrag von S 453.450,22 "korrigiert" und das "restliche Honorar" nicht berichtigt worden sei. Hier bedurfte es nicht einmal einer Verdeutlichung, daß nur ein vom korrigierten Betrag verschiedener Restbetrag vom Gesamthonorar geltend gemacht wird und vom offenen Honorar aus prozessualer Vorsicht nur S 450.000 eingeklagt wird. Von diesem Verständnis des Klagebegehrens ging daher auch die Beklagte zutreffend aus, so daß weder die Klägerin noch die Beklagte eine Behauptung der Zahlung des gar nicht Gegenstand der Klage bildenden korrigierten Teilbetrages aufstellten. Daß die Klägerin in ihrem vorbereitenden Schriftsatz (ON 3) unter Berücksichtigung der von der Beklagten als gezahlt eingewendeten Teilzahlung der 7.Teilrechnung von S 2,118.756,96 dennoch einen Betrag von S 4,275.199 als zur Zahlung fälligen offenen Rechnungsbetrag anführte, der aber noch versehentlich die nicht den Gegenstand des Verfahrens bildenden S 453.450,22 enthielt, ist im Hinblick auf das insoweit sonst eindeutige Klagevorbringen kein Argument dafür, daß dieser Betrag miteingeklagt wurde. Im Gegenteil ergibt sich aus dieser nachträglich aufgetretenen Diskrepanz zum Klagevorbringen, daß dieses nunmehr zumindest zu erörtern gewesen wäre.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben. Im fortzusetzenden Verfahren wird über das den korrigierten Betrag von S 453.450,22 nicht enthaltende restliche Honorar der Klägerin im vorsichtshalber geltend gemachten Umfang zu entscheiden sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte