OGH 7Ob141/97d

OGH7Ob141/97d14.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gert L*****, vertreten durch Dr.Bernhard Aschauer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Gabriele H*****, vertreten durch Dr.Josef Hofer, Rechtsanwalt in Wels, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 11.Dezember 1996, GZ 15 R 244/96z-17, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 9. September 1996, GZ 15 C 1574/95a-12 bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit einem als Pachtvertrag bezeichneten Vertrag vom 1.12.1987 nahm die Beklagte vom Kläger eine Bierstube in Bestand. Eine Betriebspflicht wurde zwischen den Streitteilen nicht ausdrücklich vereinbart. Die Beklagte übernahm das Lokal samt Etablissementbezeichnung von ihrer Vorgängerin und kaufte von ihr das gesamte Lokalinventar. Sie trat auch in den Bierbezugsvertrag ihrer Vorgängerin ein, obwohl sie dazu nicht verpflichtet gewesen wäre. Sie verfügte auch über eine eigene Konzession für das Gastgewerbe. Zusätzlich wurde die Unterverpachtung des Pachtgegenstandes bei vorheriger Zustimmung des Verpächters für zulässig erklärt. Am 1.8.1994 schloß eine GesmbH mit der Beklagten einen Unterpachtvertrag, nachdem der Kläger seine Zustimmung dazu unter der Bedingung gegeben hatte, daß die Beklagte weiter Vertragspartnerin bleibt. Diese GesmbH leistet ihre Zinszahlungen an den Kläger verspätet. Mit Schreiben vom 14.11.1994 kündigte der Kläger den Pachtvertrag über das Bestandobjekt auf.

Der Kläger begehrt die Räumung des Bestandobjektes, weil die Beklagte mit ihren Pachtzinszahlungen in Verzug geraten sei. Er habe daher das Pachtverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist aufgekündigt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Vertrag nicht als Pachtvertrag, sondern als Raummiete für Geschäftszwecke zu qualifizieren sei. Der Kläger habe seine Zustimmung zur Weitervermietung erteilt und schlüssig auf Auflösung für die Dauer des Unterbestandverhältnisses verzichtet. Ein Zahlungsrückstand liege nicht vor, weil der Kläger mit einer Direktzahlung der Unterpächterin einverstanden gewesen sei. Deren Verzug falle der Beklagten nicht zur Last.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es erörterte, ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, daß zwischen den Streitteilen ein Mietverhältnis und kein Pachtverhältnis geschlossen worden sei. Die Beklagte habe kein lebendes Unternehmen übernommen; eine Betriebspflicht sei zwischen den Streitteilen nicht vereinbart worden. Danach hätten die Kündigungsvorschriften des Mietrechtsgesetzes zur Anwendung zu kommen. Das Kündigungsschreiben des Klägers könne daher keine Rechtsfolgen auslösen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge.

Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß zwischen den Streitteilen kein Pachtverhältnis, sondern ein Mietverhältnis begründet worden sei. Die Beklagte habe außer der Etablissementbezeichnung ein sonst leeres Lokal übernommen; sie habe auch keine Verpflichtung zur Übernahme des Bierbezugsvertrages und des Warenlagers übernommen. Danach liege bloße Geschäftsraummiete vor, auf die die Kündigungsschutzbestimmungen des § 1 Abs 4 iVm § 33 Abs 1 MRG anzuwenden seien. Das Kündigungsschreiben des Klägers habe den Anforderungen einer gerichtlichen Kündigung nicht entsprochen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil bei der Beurteilung einer erheblichen Rechtsfrage in Bestandsachen eine größere Kasuistik als in allgemeinen Zivilsachen zugrunde liege. Es stelle eine erhebliche Rechtsfrage dar, ob allein durch die Überlassung einer Etablisssementbezeichnung bei einem Gastronomiebetrieb trotz nicht vereinbarter Betriebspflicht eine Unternehmenspacht vorliege.

Der Kläger beantragt in seiner Revision, dem Klagebegehren vollinhaltlich stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, daß die Revision unzulässig sei und beantragt im übrigen, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des Eventualantrages berechtigt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Unterscheidung, ob in einem bestimmten Vertrag Unternehmenspacht oder lediglich Geschäftsraummiete vereinbart wurde, nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist (SZ 58/8 mwN). So wurde bereits ausgesprochen, daß Unternehmenspacht dann vorliege, wenn das Unternehmen Gegenstand des Bestandobjektes ist. Das Bestandobjekt müsse daher die Quelle sein, aus der die Erträgnisse fließen. Die Beistellung zum Betrieb geeigneter Räumlichkeiten samt Einrichtungsgegenstände allein könne daher noch nicht als Quelle eines Unternehmens angesprochen werden. Neben den Räumlichkeiten müsse dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb eines Unternehmens gehöre, also Kundenstock, Betriebsmittel und Gewerbeberechtigung. Eines der wesentlichen Merkmale bilde die Betriebspflicht (vgl JBl 1993, 590; SZ 58/8; Miet 39.102 uva). Insbesondere ließen sich bei der Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht keine festen, allgemein anwendbaren Regeln aufstellen; vielmehr komme es auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles an (JBl 1993, 590). Im allgemeinen wurde die Vereinbarung einer Betriebspflicht als wichtigstes Kriterium eines Pachtvertrages angesehen (SZ 62/191). Diese Betriebspflicht muß aber nicht ausdrücklich vereinbart sein, sondern kann sich aus den Umständen des Einzelfalles ergeben (SZ 58/8).

Bei Fehlen einzelner für die Annahme einer Unternehmenspacht typischen Merkmale kommt es darauf an, welchen Kriterien das größere Gewicht beizumessen ist (JBl 1993, 590).

Bei Anwendung dieser Rechtssätze kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden, ob hier eine Unternehmenspacht oder bloße Geschäftsraummiete vorliegt.

Die Vorinstanzen haben zwar eine Betriebspflicht der Beklagten verneint, weil "diese Frage bei Abschluß des Vertrages kein Thema gewesen sei und der Kläger die Situation so einschätzte, daß er bei einer während der Dauer seines Kündigungsverzichtes vorgenommenen Betriebsstillegung nichts unternehmen hätte können". Daraus läßt sich aber eine fehlende Betriebspflicht durch die Beklagte noch nicht ableiten, weil diese bei Vertragsabschluß auch als selbstverständlich angesehen werden konnte.

Wesentlich erscheint daher die Frage, ob durch das Bestandverhältnis ein lebendes Unternehmen, nämlich die Bierstube "Toledo" mit der Etablissementbezeichnung, einem good will und einem Kundenstock übertragen wurde und Interesse an der Fortführung des Lokales bestand. Dabei ist nur von untergeordneter Bedeutung, ob auch ein Warenlager vorhanden war oder die Geschäftseinrichtung von der Beklagten gekauft wurde.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren diesen Sachverhalt mit den Parteien zu erörtern und die entsprechenden Feststellungen zu treffen haben. Insbesondere wird auch festzustellen sein, ob das Lokal vor Vertragsabschluß betrieben wurde oder längere Zeit geschlossen war.

Der Revision war daher Folge zu geben.

Der Kostenentvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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