OGH 14Os58/97

OGH14Os58/9713.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Mai 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Mayrhofer, Dr.E.Adamovic und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Sturmayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann S***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.Dezember 1996, GZ 8 d Vr 3.138/96-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die "Berufung wegen Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann S***** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A), des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB (B), des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (C), des Vergehens der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (D), des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB (E) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (F) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Haringsee-Fuchsenbigl

A/ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt mit der am 3.November 1978 geborenen unmündigen Yvonne K***** den außerehelichen Beischlaf unternommen;

B/ in den Jahren 1987 bis 1993 wiederholt die am 16.Feber 1980 geborene unmündige Christine K*****, indem er sie im Bereich der Schamregion betastete, Finger in ihre Scheide einführte, an ihrer Brust leckte, ihre Scheide küßte und sie aufforderte, sein entblößtes Glied zu berühren, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;

C/ durch die zu A/ und B/ beschriebenen Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen diese zur Unzucht mißbraucht;

D/ durch die zu A/ beschriebene Handlung mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf zu vollziehen versucht;

E/ im Jahre 1990 oder 1991 eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor der unmündigen Christine K***** vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er sein Glied entblößte und masturbierte;

F/ zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen 1987 und 1991 Christine K***** durch die Äußerung, er werde sie umbringen, wenn sie von den beschriebenen sexuellen Handlungen erzähle, also durch gefährliche Drohung mit dem Tod, dazu genötigt, diese Vorfälle zu verschweigen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil hat der Angeklagte neben einer unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung nominell aus Z 4, 5, 9 lit a und lit c des § 281 Abs 1 StPO Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, die jedoch ihr Ziel verfehlt.

Daß der Angeklagte bei der gemäß § 162 a StPO durchgeführten Vernehmung der Zeuginnen Yvonne, Christine, Karin und Hilda K***** anwaltlich nicht vertreten war, begründet mangels einer hiedurch verletzten prozessualen Vorschrift keine Nichtigkeit (LSK 1996/129). Die ihm gebotene Gelegenheit (S 3 verso des Antrags- und Verfügungsbogens), sich an der Vernehmung zu beteiligen und Fragen an die Zeuginnen zu stellen, hat der Beschwerdeführer ungenützt gelassen und solcherart selbst dem Grundrecht des Art 6 Abs 3 lit d EMRK entsagt (vgl Foregger-Kodek StPO6 § 162 a Erl I).

Durch die Belehrung der Zeuginnen über ihr Entschlagungsrecht hinwieder hat der Untersuchungsrichter nur einer (indirekt mit Nichtigkeit bewehrten) Rechtspflicht entsprochen (§ 152 Abs 5 StPO).

Insoweit der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel geltend macht (Z 4), der Sachverständige habe aufgrund eines vorgeblich mangelhaft formulierten gerichtlichen Auftrages nicht zu allen für relevant erachteten Aspekten Stellung bezogen, genügt der Hinweis auf sein Fragerecht in der Hauptverhandlung (§ 249 StPO).

Der Antrag auf "Einholung eines Psychodiagrammes" dieser Zeuginnen sowie eines "psychologischen Gutachtens" zu deren Glaubwürdigkeit entbehrte jeglicher Behauptungen über Mängel von Befund und Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof.Dr.Friedrich im Sinne der §§ 125 f StPO und verfiel daher (im Ergebnis) zu Recht der Abweisung. Die gutächtliche Hilfestellung bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen kann zudem durchaus vom Psychiater geleistet werden (vgl Haller, Das psychiatrische Gutachten S 183-187; Mayerhofer StPO4 E 117, 118 zu § 281 Abs 1 Z 4).

Der Einwand (Z 5), Christine K***** sei "bis 1992 lediglich zu seltenen Besuchen" beim Angeklagten gewesen, weshalb eine "wiederholte" Tatbegehung auszuschließen sei, richtet sich bloß gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter, die einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt ist. Die Frage, "wann und wie oft" sich Christine K***** während der Tatzeiträume am Tatort aufgehalten hat, betrifft keine für die Unterstellung der Tat oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidende Tatsache: Das Argument, wonach Yvonne K***** trotz regelmäßiger Besuche nur einmal Tatopfer geworden sei, gereicht dem Angeklagten nicht zum Vorteil (§ 282 Abs 2 StPO).

Die Behauptung, Christine K***** habe das Küssen ihrer Scheide in Abrede gestellt, ist ebenso aktenwidrig (vgl S 39 und 103) wie jene, wonach sie von einer Todesdrohung nichts erwähnt habe (vgl S 39, 97 und 99).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen hat das Erstgericht den Angeklagten (zu F) keineswegs deshalb verurteilt, weil er Christine K***** tatsächlich "in schwere Furcht und Angst versetzt" habe, weswegen sich die Kritik hieran einer sachbezogenen Erörterung entzieht (vgl im übrigen Leukauf-Steininger Komm3 § 74 RN 21 aE). Ebensowenig sind die Tatrichter davon ausgegangen, daß der Angeklagte die Taten "in Anwesenheit seiner verstorbenen Gattin sowie der Kindesmutter" begangen habe.

Einen weiteren unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes unternimmt der Beschwerdeführer schließlich mit der Behauptung, "konkrete Anhaltspunkte für die Richtigkeit" der Angaben der Tatopfer hätten sich "aus dem Akt nicht ergeben".

Die pauschale Behauptung fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 9 lit a) geht nicht von der Gesamtheit der Urteilsgründe aus und ist solcherart nicht an den Verfahrensvorschriften orientiert.

Welche "Fragen der Subsidiarität und Konsumtion" das Erstgericht falsch beantwortet habe, wird nicht deutlich und bestimmt bezeichnet, weshalb das Rechtsmittel auch insoweit eine gesetzeskonforme Darstellung vermissen läßt. "Verleitung", "Ausnützung" und "Nötigung" wurden als Tathandlungen der dem Angeklagten zur Last gelegten Sittlichkeitsdelikte gar nicht angenommen.

Die Zurückweisung von Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285 d Abs 1 StPO) und Schuldberufung hat die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe zur Folge (§ 285 i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

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