OGH 14Os37/97

OGH14Os37/9713.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Mai 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Mayrhofer, Dr.E.Adamovic und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Sturmayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz W***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 21.November 1996, GZ 20 v Vr 492/96-128, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kirchbacher, des Angeklagten und seines Verteidiger Dr.Zaufal zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Qualifikationsausspruch nach § 84 Abs 1 StGB laut Punkt 3 des Urteilssatzes sowie im Strafausspruch (mit Ausnahme des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Franz W***** wird für die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs zur Last liegenden Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB, des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach §§ 83 Abs 1, 85 Z 1 StGB nach §§ 28 Abs 1, 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn) Jahren verurteilt.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Franz W***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen der Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB, des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und der schweren Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, 85 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

1. am 15.Jänner 1996 versucht, den Manfred E***** zu töten, indem er aus kurzer Distanz gegen dessen Oberkörper und Bauch zwei Schüsse aus einer Pistole abgab;

2. von 1991 bis Anfang Jänner 1996 den Karl L***** mit gewerbsmäßiger Zielsetzung wiederholt betrügerisch zur Ausfolgung von jeweils 25.000

S übersteigenden Darlehensbeträgen verleitet, wobei der Schaden ca 10 Mio S beträgt;

3. am 23.April 1995 der Anna E***** mehrere wuchtige Faustschläge ins Gesicht versetzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine schwere Prellung des linken Augapfels mit Netzhautablösung und für immer eine schwere Schädigung des Sehvermögens, nämlich eine bleibende 70%ige Sehverminderung des linken Auges zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte aus den Gründen der Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde, die in keinem Anfechtungspunkt berechtigt ist.

Verfehlt ist zunächst der Vorwurf (Z 6), daß keine Eventualfrage nach Totschlag (§ 76 StGB) gestellt wurde. Auf die vom Beschwerdeführer vor der Polizei und beim Untersuchungsrichter aufgestellte Behauptung, von E***** "angestänkert bzw wiederholt angeschnorrt worden zu sein" (S 117 ff, 175 ff/I), hat er sich in der Hauptverhandlung nicht mehr berufen, sondern die Tat überhaupt in Abrede gestellt. Die betreffenden Aussagen wurden in der Hauptverhandlung auch nicht verlesen. Damit fehlt es für die begehrte Fragestellung schon an der primären Voraussetzung eines Vorbringens in der Hauptverhandlung (§ 314 StPO). Davon abgesehen bietet das bezeichnete Beweisergebnis auch keinerlei Anhaltspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung privilegierenden psychischen Ausnahmezustandes.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen (Z 8) wurden die Geschworenen auch über den zur Tatbestandsverwirklichung in subjektiver Sicht notwendigen Tötungsvorsatz umfassend informiert (siehe inbes S 2 und 7 der schriftlichen Rechtsbelehrung). Auf die weitere Behauptung, ein Tötungsvorsatz sei durch das Beweisergebnis nicht indiziert gewesen, kann der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht gestützt werden. Die Rechtsbelehrung, deren Inhalt in § 321 Abs 2 StPO vorgeschrieben ist, hat auf Besonderheiten des Verfahrens in tatsächlicher Beziehung nicht einzugehen.

Schließlich versagt auch die Tatsachenrüge (Z 10 a).

Einzelne, nur bei isolierter Betrachtung eine andere Deutung zulassende Passagen der Aussage des Zeugen L***** ändern nichts daran, daß dieser insgesamt unmißverständlich zu entnehmen ist, daß ihn der Beschwerdeführer über seine Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit getäuscht und dadurch arglistig zur Darlehensgewährung veranlaßt hat (siehe inbes. S 135, 207, 241 ff, 245/I, 187, 291 ff/III). Ebenso unbedenklich ist die im Wahrspruch der Geschworenen in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Sachverständigen Univ.Doz.Dr.R***** (S 345/II, 420 ff/III) festgestellte Tatsache der hochgradigen Sehverminderung der Anna E***** am linken Auge als Folge der vom Angeklagten gegen sie ausgeübten Gewalt. Die Wertung der 70 %igen Minderung der Sehfähigkeit auch nur eines Auges als schwere Dauerfolge im Sinne des § 85 Z 1 StGB ist rechtsrichtig (Leukauf/Steininger Komm3 § 85 RN 8).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.

Aus deren Anlaß konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet worden ist (§§ 281 Abs 1 Z 10, 290 Abs 1 StPO), indem das Urteilsfaktum 3 (Verletzung der Anna E*****) neben der Qualifikationsnorm des § 85 Z 1 StGB auch jener des § 84 Abs 1 StGB unterstellt wurde. Sind durch eine Körperverletzung schwere Dauerfolgen (§ 85 StGB) eingetreten, wird § 84 Abs 1 StGB verdrängt (Leukauf/Steininger Komm3 § 84 RN 43). Die Frage, ob auch eine 24 Tage übersteigende Berufsunfähigkeit, welche das zeitliche Ausmaß einer Dauerfolge noch nicht erreicht, konsumiert wäre (SSt 50/22), muß dahingestellt bleiben, weil eine Berufsunfähigkeit der Anna E***** im Verdikt nicht festgestellt wurde.

Somit war der Qualifikationsausspruch nach § 84 Abs 1 StGB aus Punkt 3 des Urteilssatzes zu eliminieren (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Bei der dadurch notwendig gewordenen Strafneubemessung waren die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, die schwere Verletzung des Manfred E*****, der hohe Betrugsschaden von rund 10 Mio S und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen erschwerend; mildernd hingegen die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten infolge Alkohol- und Medikamentenmißbrauch und der Umstand, daß der Mord (1.) beim Versuch geblieben ist.

Diesen Strafzumessungsgründen, vor allem der im Sinne der §§ 28 Abs 1, 33 Z 1 StGB gebotenen Berücksichtigung des hohen Unrechts- und Schuldgehaltes jedes einzelnen der vom Angeklagten begangenen Verbrechen, entspricht eine Freiheitsstrafe von achtzehn Jahren (§ 32 StGB). Diese trägt auch den auf Grund der in besonders brutaler Aggressivität zum Ausdruck gekommenen psychopathischen Veranlagung des Angeklagten im Vordergrund stehenden Rücksichten der Spezialprävention gebührend Rechnung.

Die beiderseitigen Berufungen sind durch die Strafneubemessung gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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