OGH 6Ob2320/96m

OGH6Ob2320/96m12.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** C.s.n.c., *****, vertreten durch Dr.Helmut A. Rainer, Mag.Egon Stöger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bruno B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr.Albert Feichtner, Dr.Anneliese Lindorfer, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen 98.842,66 S, infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 18.Juli 1997, GZ 22 R 130/96p-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mittersill vom 2.Jänner 1996, GZ 2 C 718/95w-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 4.870,80 S (darin 811,80 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

In C***** in Italien existieren drei Unternehmen, die sich mit dem Verkauf von Fliesen beschäftigen:

1. Die Klägerin, die B***** C.s.n.c., eine offene Handelsgesellschaft, die durch den Gesellschafter Umberto B***** vertreten wird;

2. die C***** S.p.A., eine Aktiengesellschaft, deren Alleingesellschafter der Vater des Umberto B*****, Lucio B***** ist;

3. das Einzelunternehmen Lucio B*****, deren Inhaber ein weiterer Sohn des Lucio B***** ist.

Die Unternehmen stehen miteinander aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Organen bzw. Inhabern der Unternehmen in Zusammenhang. Für alle drei Unternehmen trat im Geschäftsverkehr ein Handelsvertreter auf. Die Beklagte stand seit einigen Jahren in Geschäfts- beziehung mit den genannten Unternehmen. Die Verhandlungen und die Vertragsabschlüsse erfolgten jeweils über den Handelsvertreter, der nicht offenlegte, für welches der Unternehmen er jeweils handelte. Die Rechnungsausstellung erfolgte nach Belieben der italienischen Unternehmen, die (wohl aus Steuergründen) jeweils das Unternehmen als rechnungsaustellend wählten, daß gerade den geringsten Umsatz aufwies. Die Beklagte akzeptierte diese Vorgangsweise und führte in ihrer Buchhaltung nur ein Konto "B*****". Im September 1991 hatte die Beklagte Cotto-Bodenplatten der Marke "Tabacco" gekauft. Die Rechnung für diese Lieferung wurde auf die Aktiengesellschaft ausgestellt. Im Sommer 1992 bestellte die Beklagte neuerlich derartige Bodenplatten. Auf ihre Anfrage, ob diese Platten für eine starke Beanspruchung eines öffentlichen Lokals geeignet seien, wurde dies vom Handelsvertreter bestätigt. Die Beklagte verlegte die Platten im Stiegenhaus, dem Vorraum und im Lokal eines österreichischen Kunden. Entgegen der Zusage wiesen die Bodenplatten nicht die zugesagte Eigenschaft auf. Die Beklagte verlangte zu Handen des Handelsvertreters Kostenersatz für die Reparaturarbeiten. Der Handelsvertreter anerkannte die Reklamation und sagte eine Warengutschrift über 65.000,-- S zu. Die Beklagte zog diesen Betrag von einer Rechnung der Klägerin vom 18.11.1993 und von einer Rechnung der Aktiengesellschaft vom 6.12.1993 ab. Beide Unternehmen beanstandeten diese Vorgangsweise nicht. Die Beklagte reparierte die Schäden der Stiege und im Vorraum des Lokals. Sie forderte dann auch Kostenersatz für die Schäden im Lokal in der Höhe von 131.100,-- S. Am 31.10.1994 fand an Ort und Stelle in Österreich eine Besichtigung im Beisein des Umberto B***** statt. Dieser empfahl einen Sanierungsversuch mit einem Spezialmittel. Der Sanierungsversuch blieb erfolglos. Anstelle einer Sanierung durch Neuverlegung bezahlte die Beklagte ihrem Kunden eine Entschädigung von 55.000,-- S.

Die Klägerin begehrt die Bezahlung gelieferter Waren aufgrund zweier Rechnungen aus dem Jahr 1994. Die aufrechnungsweise von der Beklagten entgegengehaltenen Behebungskosten hätten Schäden an den Bodenplatten zur Grundlage, die auf normale Abnützung zurückzuführen seien. Gewährleistungsansprüche seien verjährt. Die Klägerin sei überdies mit dem betreffenden Bauvorhaben nicht befaßt gewesen. Es sei Material der Aktiengesellschaft verwendet worden.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wandte die Schäden im Lokal ihres Kunden als Gegenforderung ein. In der Tagsatzung vom 12.12.1995 wurde die Gegenforderung dahin präzisiert, daß die Beklagte ihrem Kunden Schadenersatz durch Zahlung von 55.000,-- S sowie durch kostenlose Verlegung von Fliesen im Wert von 17.000,-- S geleistet habe (S 11 in ON 8). Während der gesamten Dauer der Geschäftsbeziehung habe die Klägerin den Anschein erweckt, daß es auf Seiten des Lieferanten nur eine Rechtsperson gebe. Mit Zustimmung aller Beteiligten sei es bereits zu einer Verrechnung (aus dem gegenständlichen Schadensfall) gegen eine Forderung der Klägerin gekommen. Diese habe bei der Schadensbesichtigung auch ihre Haftung anerkannt.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung als zu Recht bestehend, die Gegenforderung von 72.000,-- S als nicht zu Recht bestehend und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 98.842,66 S. Es beurteilte den wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß der Beklagten weder Gewährleistungs- noch Schadenersatzansprüche aus dem Titel des Kaufvertrages aus dem Jahr 1991 zustünden. Es liege auch kein Anerkenntnis vor. Eine Aufrechnung sei mangels Gegenseitigkeit nicht möglich.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß die Klageforderung als zu Recht bestehend, die Gegenforderung mit 55.000,-- S als zu Recht bestehend erkannt und die Beklagte zur Zahlung von 43.842,66 S verurteilt wurde. Das Mehrbegehren von 55.000,-- S wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht bejahte eine Haftung der Klägerin für die eingetretenen Schäden. Der Hersteller einer verkauften und gelieferten Ware hafte für die falschen Auskünfte über ihre Verwendungstauglichkeit. Die gelieferten Bodenplatten hätten die zugesagte Eigenschaft nicht aufgewiesen. Der Vertreter der Klägerin habe nicht auf das Bestehen mehrerer Unternehmen hingewiesen. Bei derartigen "verdeckten" Geschäften werde der jeweilige Unternehmensträger verpflichtet. Auf die Offenlegung könne grundsätzlich verzichtet werden. Der Vertragsabschluß könne auch so erfolgen, wie er sich aus der Rechnung ergebe. Die Beklagte hätte aus den Rechnungen erkennen können, wer bei den einzelnen Bestellungen als Vertragspartner aufgetreten sei. Eine Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen setze eine Gegenseitigkeit der Forderungen voraus. Ungeachtet der mangelnden Gegenseitigkeit der Forderungen sei eine Aufrechnung möglich, wenn sie der forderungsberechtigte Dritte gestatte und der Gläubiger sie annehme. Im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung könne es auch schlüssig zu einer Aufrechnungsvereinbarung kommen. Dies sei hier geschehen. Die Beklagte habe schon einmal von zwei Rechnungen der OHG und der AG einen anerkannten Forderungsbetrag abgezogen. Dies sei nicht beanstandet worden. Auch seitens der italienischen Unternehmen sei von einer Einheit der Geschäftsabwicklung und der Verrechnung von Forderungen ausgegangen worden. Dies ergebe sich aus dem Umstand, daß bei der Besichtigung vom 31.10.1994 der Geschäftsführer der Klägerin teilgenommen habe. Bei dieser Besprechung sei kein Einwand dahin erfolgt, daß die Haftung für die Bodenplatten nur die Aktiengesellschaft treffe. Überdies sei die für die Aufrechnung erforderliche Gegenseitigkeit ohnehin gegeben. Für die unrichtige Auskunft ihres Handelsvertreters hafteten die OHG und die AG solidarisch (Art 8 Abs 1 EVHGB).

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung ohne das Vorliegen einer Gegenseitigkeit komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, daß die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und die Beklagte zur Zahlung der gesamten Klageforderung verurteilt werde;

hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig. Entscheidungswesentlich sind die Rechtsfragen der Abdingbarkeit der Gegenseitigkeit als Voraussetzung der Kompensation und die Qualifikation des festgestellten Sachverhalts als schlüssige Vereinbarung in diesem Sinne. In der ersten Frage ist das Berufungsgericht nicht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Der zweiten Frage kommt keine über den Anlaßfall hinausgehende Bedeutung zu.

Im Revisionsverfahren ist die Anwendung österreichischen Rechts aufgrund der von den Parteien getroffenen Rechtswahl (§ 11 Abs 1 IPRG) unstrittig. Ferner ist unstrittig, daß der Beklagten grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch wegen Fehlens zugesagter Eigenschaften der gelieferten Ware zusteht und daß dieser Anspruch weder verjährt ist, noch daß er von der Klägerin anerkannt worden wäre.

Die Beklagte setzt einer Forderung der OHG einen Schadenersatzanspruch gegen die AG entgegen. Eine vertragliche Aufrechnung ist ungeachtet der mangelnden Gegenseitigkeit der Forderungen möglich, wenn sie der forderungsberechtigte Dritte gestattet und der Gläubiger annimmt (EvBl 1979/130; SZ 56/128). Die Drittaufrechnung ist unter diesen Voraussetzungen zulässig. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit kann abbedungen werden (Rummel in Rummel ABGB**2 Rz 4 zu § 1441). Dies ist bei vergleichbarer Rechtslage auch in der deutschen Lehre und Rechtsprechung anerkannt (Staudinger BGB12 Vorbem. zu §§ 387 ff; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrugate 324 f mwN aus der Rechtsprechung). Es können Aufrechnungsmöglichkeiten vereinbart werden, was mit den sogenannten "Konzernver- rechnungsklauseln" in der Praxis auch geschieht. Damit wird mit konzerngebundenen Handelsgesellschaften die Befugnis zur einseitigen Aufrechnung mit Forderungen anderer zum Konzern gehöriger Gesellschaften eingeräumt. Mit der Klausel kann auch dem anderen Vertragspartner die Befugnis zur Drittaufrechnung eingeräumt werden (Staudinger aaO; BGHZ 1994, 132, 135). Die Drittaufrechnung kann - wie jeder formfreie Vertrag - auch schlüssig vereinbart werden. Ob der Beklagten eine Befugnis zur Drittaufrechnung eingeräumt wurde, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Für eine schlüssige Vereinbarung spricht hier vor allem der Umstand, daß es in jahrelanger Übung der Gruppe der Klägerin offenstand, die durch ihren Handelsvertreter herbeigeführten Geschäftsabschlüsse einseitig dahin zu perfektionieren, daß erst mit der Rechnungslegung der Geschäftspartner der Beklagten fixiert wurde, sodaß jedenfalls ein erkennbares Bedürfnis der Beklagten zur Möglichkeit einer Drittaufrechnung bestand. Diesem Bedürfnis haben sowohl die Klägerin als auch die Aktiengesellschaft Rechnung getragen, indem sie in der Vergangenheit eine von der Beklagten vorgenommene Drittaufrechnung auch schon akzeptierten, also auf den Einwand der mangelnden Gegenseitigkeit verzichteten. Die Auslegung des Parteiwillens der klagenden OHG und der AG in diese Richtung erfährt eine weitere Stütze durch den Umstand, daß zur Besichtigung der Schäden, die durch eine Lieferung der Aktiengesellschaft entstanden sind, der Geschäftsführer der Klägerin anreiste, der auch Sanierungsversuche unterbreitete. Bei Würdigung dieses gesamten Sachverhalts hat das Berufungsgericht ohne aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung die Zulässigkeit der Drittaufrechnung bejaht. Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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