OGH 11Os1/97

OGH11Os1/976.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sprinzel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günter G***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 26. August 1996, GZ 17 Vr 225/96-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günter G***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I) und der Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 "erster und zweiter Fall" StGB (II), der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 erster und zweiter Fall StGB (III) sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (IV) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Dornbirn

(zu I) von Herbst 1987 bis Anfang Oktober 1991 seine am 30. Oktober 1978 geborene unmündige Stieftochter Manuela F***** auf andere Weise als durch Beischlaf dadurch zur Unzucht mißbraucht, daß er sie in zahlreichen, in regelmäßigen Abständen sich wiederholenden selbständigen Angriffen am Geschlechtsteil betastete und/oder seinen Finger in ihre Scheide einführte und sie wiederholt veranlaßte, ihn mit der Hand bis zum Samenerguß zu befriedigen;

(zu II) unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber seiner minderjährigen Stieftochter, welche seiner Erziehung und Aufsicht unterstand, diese zur Unzucht mißbraucht, und zwar

1) von etwa Herbst 1987 bis Oktober 1991 in Tateinheit durch das zum Faktum I geschilderte Verhalten,

2) von etwa Herbst 1993 bis Dezember 1995 in zahlreichen sich wiederholenden selbständigen Angriffen dadurch, daß er ihre Brüste und den Geschlechtsteil betastete, sie mehrfach veranlaßte, ihn mit der Hand bis zum Samenerguß zu befriedigen und sein Glied zu küssen, weiters, daß er sie nackt so auf seinen Bauch setzte, daß sich ihre Scheide und sein Glied berührten und dabei Rutschbewegungen machte, daß er an ihrer Scheide leckte, mit seinem Glied ihre Scheide streichelte und in einem Falle an ihr den Geschlechtsverkehr vollzog;

(zu III) dadurch, daß er in zahlreichen Fällen in Gegenwart der Manuela F***** Pornofilme vorführte, eine Handlung vorgenommen, die geeignet war, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, und zwar

1) von etwa Herbst 1987 bis Oktober 1991, sohin vor einer unmündigen Person,

2) von etwa Herbst 1993 bis September 1994, sohin vor einer seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden Person unter sechzehn Jahren;

(zu IV) in der Zeit vom 2. Juli 1993 bis 16. Februar 1996 außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich 12,5 Gramm Marihuana und 9,7 Gramm Haschisch besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur den Schuldspruch zu I und den damit korrespondierenden Schuldspruch zu II 1) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit Berufung an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unbegründet.

Der im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) zunächst erhobene, eine Aktenwidrigkeit relevierende Einwand des Beschwerdeführers, Manuela F***** sei als Tochter seiner Lebensgefährtin entgegen der Ansicht des Schöffengerichtes nicht seine Stieftochter, ist zwar berechtigt, betrifft aber keine für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache. Der Schuldspruch wegen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II), für dessen Täterkreis allein diese Eltern-Kind ähnliche Beziehung von Bedeutung ist, ist als alternativer Mischtatbestand ausgestaltet, der sowohl durch Mißbrauch eines minderjährigen leiblichen, Wahl- oder Stiefkindes oder Mündels als auch durch Mißbrauch einer (nicht in einer solchen Beziehung stehenden anderen) minderjährigen Person unter Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses, dem das Tatopfer unterworfen ist, verwirklicht werden kann.

Die beiden alternativ angeführten Personengruppen sind rechtlich gleichwertig, sodaß das gesetzliche Tatbild bereits dann erfüllt ist, wenn das Opfer nur einer Gruppe zuzählen ist.

Den Urteilsfeststellungen zufolge unterstand Manuela F***** als Tochter der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers zu den Tatzeiten seiner Erziehung und Aufsicht (US 6, 7), sodaß dadurch die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 212 Abs 1 StGB gegeben waren.

Die falsche Einordnung der Manuela F***** als Stieftochter auch unter den erstgenannten Personenkreis kann daher ungeachtet dessen, daß das Schöffengericht insoweit unrichtig das festgestellte Verhalten als Vergehen nach § 212 Abs 1 "erster und zweiter Fall" beurteilt hat, (womit ersichtlich auf die Zugehörigkeit der Manuela F***** zu beiden Gruppen Bezug genommen wurde), nicht erfolgreich angefochten werden, weshalb die unrichtige Bezeichnung des Tatopfers als Stieftochter nicht von Relevanz ist.

Weder aktenwidrig noch in sich widersprüchlich (Z 5) ist die Begründung der für den Zeitraum 1985 bis 1995 mit Ausnahme der Jahre 1989 und 1990 konstatierten Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit der Mutter der Manuela F*****. Dem Beschwerdevorbringen entgegen wurde nämlich die Lebensgemeinschaft nicht als ununterbrochen andauernd festgestellt, sondern die Zeit der vorübergehenden Trennung in den Jahren 1989 und 1990 ausdrücklich ausgenommen. Von einem nach den Denkgesetzen unlösbaren Widerspruch kann daher keine Rede sein.

Mit seinem Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5 a) hinwieder vermag der Beschwerdeführer aktenkundige Umstände, die zu (erheblichen) Bedenken gegen die Richtigkeit der das Bestehen der Lebensgemeinschaft insbesondere während des Jahres 1991 betreffenden Feststellungen Anlaß geben könnten, nicht aufzuzeigen. Soweit er sich dabei auf seine eigene Verantwortung stützt, übergeht er jene ausführlichen und denkrichtigen Erwägungen, aus welchen die Tatrichter seine diesbezügliche Einlassung verwarfen. Ebensowenig vermögen die ihn auch in dieser Hinsicht eindeutig belastenden Angaben der Manuela F***** im Vorverfahren, die sie in der Hauptverhandlung nur unmaßgeblich abschwächte, solche Bedenken zu begründen.

Inwieweit das Schöffengericht aber seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen wäre, wurde weder dargetan noch ist ein solcher Verstoß gegen die Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitserforschung nach der Aktenlage sonst erkennbar.

Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit b) versagt.

Mit seinem Einwand, die Lebensgemeinschaft mit Helene F***** sei von 1988 bis zu seinem Haftantritt im Oktober 1991 jedenfalls unterbrochen gewesen, weshalb die demzufolge nur bis zum Jahre 1988 möglich gewesenen Unzuchtshandlungen, die den Gegenstand der zu Punkt I und II 1) sowie zu III ergangenen Schuldsprüche bilden, verjährt seien, orientiert sich der Beschwerdeführer nicht am Urteilssachverhalt. Darnach aber war die Lebensgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und der Mutter Manuelas nur während der Jahre 1989 und 1990 unterbrochen und wurde in der Folge bis zu seinem Haftantritt im Oktober 1991 wieder fortgesetzt, in welcher Zeit er auch weitere Unzuchtsdelikte beging. Der auf urteilsfremde Prämissen gestützten Verjährungseinrede konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung als teils offenbar unbegründet, teils nicht gesetzesgemäß ausgeführt sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck für die Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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