Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, daß die Angeklagte die ihr angelasteten Diebstähle gewerbsmäßig begangen habe und demgemäß in der rechtlichen Tatunterstellung unter § 130 erster Fall StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Einzelrichter des Landesgerichtes Leoben zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten gegen das Adhäsionserkenntnis werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch beinhaltenden - Urteil wurde Hermine B***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Darnach hat sie in Schladming gewerbsmäßig dem Roland W***** mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, Ende Mai 1993 500 S, am 30.Juni 1993 1.000 S und am 1.Juli 1993 2.000 S weggenommen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt nur insoweit Berechtigung zu, als sie sich gegen die Annahme der Qualifikation nach § 130 erster Fall StGB richtet.
Soweit die Beschwerdeführerin bemängelt, daß kein Ortsaugenschein, "vor allem auch hinsichtlich des Dienstzimmers 16 des GPK Schladming ... zum Beweis dafür, daß die am 30.7.1993 aufgefundene (präparierte) S 1.000-Banknote keineswegs einen Monat unentdeckt bleiben konnte, da sie dem Zeugen W*****, wenn er sich im Bereich seines Schreibtisches befand und somit direkt Blickrichtung auf diese Note hatte, auffallen hätte müssen. Dies umso eher, da der Zeuge W***** (richtig: der Zeuge Sch***** 242/I, 173 ff/II) die Banknote bei deutlich schlechterem Blickwinkel, direkt vor dem Kasten stehend, entdeckte", fehlt ihr für eine Verfahrensrüge (Z 4) die formelle Legitimation, weil sie nach der Aktenlage einen derartigen - im übrigen auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinauslaufenden und vom Ansatz her auf nicht plausiblen Prämissen beruhenden - Beweisantrag nicht gestellt hat.
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider betrifft der Umstand, daß die Zeugin S***** bei Vernehmungen im Jahre 1993 angab, die Angeklagte habe (den aus der Kassenlade entnommenen und zerknüllten) Gegenstand in ihren Lederbeutel gegeben bzw hineingelegt, während sie in der Hauptverhandlung am 11.Dezember 1995 zu Protokoll gab, sie habe ihn in ihre Tasche "geworfen" (Faktum Ende Mai 1993) - abgesehen davon, daß der Wortsinn des zuletzt genannten Begriffes umgangssprachlich jenem der beiden anderen relevierten angenähert ist - ebenso wie die nur anläßlich der Vernehmung bei der Gendarmerie deponierte Bekundung dieser Zeugin, daß die Angeklagte diesen Gegenstand zunächst in ihrer Schürzentasche zu verwahren trachtete, keine entscheidungswesentlichen Aspekte, sondern vielmehr bedeutungslose Details ohne Indizcharakter für die Verläßlichkeit der Zeugenaussage über das deliktische Geschehen; sie stehen somit der Annahme, daß die Angaben der Zeugin S***** über den Tathergang der Wahrheit entsprechen, nicht entgegen und waren in den auf gedrängte Darstellung zu beschränkenden Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht zu erörtern.
Die auf das Protokoll über die Hauptverhandlung am 11.Dezember 1995 gestützte, eine Tatbegehung unter den gegebenen Umständen in Frage stellende Beschwerdebehauptung, daß die Angeklagte zum Tatzeitpunkt Blickkontakt mit der Zeugin S***** hatte, ist nicht aktenkonform, weil sie mit den Angaben dieser Zeugin (501/I) nicht übereinstimmt.
Gleiches gilt für den Beschwerdeeinwand, die Aussage der Zeugin S*****, wonach sie das Öffnen der Kassenlade gehört habe, stehe mit jener der Zeugin G*****, wonach ein Klingelton nur beim Schließen der Kassenlade erfolge (236/I), in Widerspruch, weil einerseits die Zeugin S***** das Ertönen eines Klingeltones bei Öffnung der Kassenlade nie behauptete und andererseits aus dem Fehlen dieses akustischen Signals ein von der Beschwerde - ohne jedwedes Verfahrenssubstrat angenommenes - lautloses Öffnen der Kassenlade nicht ableitbar ist. Nur der Vollständigkeit halber ist im gegebenen Konnex festzuhalten, daß die Zeugin S***** angab, das in Rede stehende Öffnen der Kassenlade (auch) gesehen zu haben (238/I).
Den zum Faktum 30.Juni 1993 unter dem Gesichtspunkt unvollständiger und unzureichender Begründung dargelegten Beschwerdeausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß das Erstgericht die dieses Schuldspruchfaktum tragenden Feststellungen nicht auf die von der Beschwerde problematisierten schriftlichen Aufzeichnungen sondern auf die Aussagen der Zeuginnen G***** und S***** gründete, die konform angaben, daß, nachdem die Angeklagte das Geschäftslokal um 17,00 Uhr verlassen hatte, ein Kassasturz vorgenommen wurde, der einen Fehlbestand von 1.000 S ergab. Ein Fehler bei Addition der von S***** und G***** schriftlich festgehaltenen, bis zum Geschäftsschluß um 18,00 Uhr erzielten Einnahmen läßt aber - entgegen der Beschwerdeargumentation - die von den Tatrichtern angenommene Richtigkeit der Errechnung des Kassenfehlbestandes in Form einer Zwischenbilanz unberührt.
Daß der Kassasturz um 17,00 Uhr vorgenommen wurde, ergibt sich nicht nur aus dem diesbezüglichen Vermerk auf der von den genannten Zeuginnen für den 30.Juni 1993 erstellten Einnahmenliste (85/I), sondern auch aus den Angaben der Zeugin G***** (43/II, vgl dazu auch die Angaben des Zeugen W***** betreffend die Kassenüberprüfung, unmittelbar nachdem die Angeklagte das Geschäft verlassen hatte - 292/I, 179/II).
Daß sich die Gendarmeriebeamten W***** und R***** am 30.Juni 1993, unmittelbar nachdem die Beschwerdeführerin das Geschäftslokal verlassen hatte, vom Vorhandensein der präparierten sowie der numerisch registrierten Banknoten überzeugten, betrifft im Hinblick auf die tatrichterliche Annahme des Diebstahls eines sicherheitsbehördlich nicht erfaßten Geldbetrages (US 8) ebensowenig eine entscheidungsrelevante Tatsache, wie die allfällige fehlerhafte Addition der Einnahmen hier nicht relevanter Geschäftstage und die von der Beschwerde als unrichtig bezeichneten Rohaufschlagsberechnungen des Zeugen W*****.
Zur im Zusammenhang mit dem Schuldspruchfaktum 1.Juli 1993 vermißten "aus den Akten ableitbaren Begründung" ist die Beschwerdeführerin auf die diesbezüglichen hinreichenden und mängelfreien Ausführungen des Schöffensenates (US 9 ff, 20 ff) zu verweisen.
Entgegen dem Beschwerdestandpunkt haben sich die Tatrichter ferner mit der im Zusammenhang mit den an ihrer rechten Hand festgestellten Fangmittelspuren gewählten Verantwortung der Angeklagten und der Entdeckung einer präparierten 1.000 S-Banknote am 30.Juli 1993 im Dienstzimmer 16 des GPK Schladming in ausreichender Weise auseinandergesetzt (US 21, 23).
Das darüber hinausgehende Vorbringen der Mängelrüge erschöpft sich im hier unzulässigen Versuch der Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter bloß nach Art einer Schuldberufung, wie etwa durch die Hinweise darauf, daß sich die Angeklagte gegenüber den erhebenden Gendarmeriebeamten kooperativ zeigte, was ihre Täterschaft zweifelhaft erscheinen lasse, oder daß dritte Personen Interesse daran gehabt haben könnten, daß die Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt werde und daß im Hinblick auf den freisprechenden Teil des Urteils wohl auch ausreichend Anlaß für einen Gesamtfreispruch bestanden hätte.
Der Argumentation der Tatsachenrüge (Z 5 a), die sich mit jener der Mängelrüge deckt, gelingt es nach dem dazu Gesagten nicht, die vom Gesetz für eine Urteilsnichtigkeit in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes verlangten, sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken zu erwecken.
Was die von der Beschwerde thematisierte amtswegige Vornahme eines Ortsaugenscheines anlangt, genügt es, auf die Ausführungen zur Verfahrensrüge zu verweisen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, soweit sie auf formelle Nichtigkeitsgründe abstellt, als unbegründet zurückzuweisen.
Hingegen kommt der Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, sachlich Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer die Annahme der Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung der Diebstähle (§ 130 erster Fall StGB) bekämpft, Berechtigung zu: Gewerbsmäßig begeht eine Straftat, wer in der Absicht handelt, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Der Täter muß darauf abzielen (§ 5 Abs 2 StGB), durch die Wiederholung von Straftaten desselben Deliktstyps ein fortlaufendes, das heißt entweder überhaupt ständiges oder aber doch für längere Zeit wirkendes, wenn auch nicht unbedingt regelmäßiges Einkommen zu erlangen (Leukauf/Steininger Komm3 § 70 RN 3 mwN). Es genügt nicht, daß er bloß gelegentlich und fallweise gleichartige Taten zwecks Gewinnung einer Einnahme zu begehen beabsichtigt (NRsp 1991/108).
Die Feststellungen des Erstgerichtes zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung beschränken sich im wesentlichen auf den substanzlosen Gebrauch der verba legalia, daß nämlich die Angeklagte in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 14). An Ausführungen zu den Vorstellungen der Angeklagten über die zeitliche Dauer der Erzielung von Einnahmen durch Diebstähle und damit zur entsprechenden begriffsessentiellen (im konkreten Fall nach den Tatmodalitäten nicht von selbst evidenten) Tendenz mangelt es jedoch zur Gänze. Infolge Rechtsirrtums über die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Qualifikation erweisen sich somit die Feststellungen des Erstgerichtes zur gewerbsmäßigen Begehung der Diebstähle als unzureichend. Da dieses Feststellungsgebrechen vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann, war - wie aus dem Spruch ersichtlich - insoweit mit (partieller) Urteilsaufhebung und Anordnung einer entsprechenden Verfahrenserneuerung (und zwar im Hinblick auf die im zweiten Rechtsgang aktuelle gesetzliche Tatsanktion) vor dem Einzelrichter vorzugehen.
Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Über die Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis wird der Gerichtshof zweiter Instanz - nachdem (auch) dem Privatbeteiligten die Möglichkeit einer Gegenausführung zu diesem Rechtsmittel eröffnet worden ist (§ 294 Abs 2 StPO) - allenfalls in Verbindung mit einem weiteren im zweiten Rechtsgang aktuellen Rechtsmittel zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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